ganz andere Thiere in noch weit größerer Mannigfaltigkeit ihm ent- gegen tragen und durch die seltsamen Gestalten, deren oft riesenmäßige Größe und schimmernde Farbenpracht die Eindrücke wiederholen, welche die Ueppigkeit der tropischen Pflanzenwelt dem Nordländer übermächtig aufdrängt.
Es ist natürlich, daß diese außerordentliche Mannigfaltigkeit der thierischen Wesen, welche den Erdball überall schmückt und belebt, von Anbeginn an die Aufmerksamkeit der Menschen erregen, ihre Wißbe- gierde stacheln mußte. Zuerst fesselte das Ungeheuerliche, das Bizarre, das Gewaltige ihren Geist und entzündete die Phantasie zu oft son- derbaren Uebertreibungen. Die Leichtgläubigkeit der Menschen war zu allen Zeiten dieselbe, und nicht selten wurde das Wahre als un- wahrscheinlich verworfen, und das offenbar Falsche als wahrscheinlich angenommen. Je mehr sich aber die Beziehungen zwischen den einzel- nen Völkerfamilien mehrten; je weiter der Unternehmungsgeist Ein- zelner oder ganzer Nationen nach entfernten Gegenden hin sich aus- breitete, desto mehr wurde auch die Wißbegierde angespornt, die Thier- welt jener Gegenden kennen zu lernen und mit derjenigen des Vater- landes zu vergleichen. Da es eine tiefbegründete Eigenschaft der menschlichen Forschung ist, bei unbekannten Dingen zuerst die Aehn- lichkeit mit bekannten Dingen aufzusuchen und später erst auf die Unter- schiede aufmerksam zu werden, so sehen wir auch bei den älteren Völ- kern, daß sie gänzlich verschiedenen Thieren die Namen von solchen Geschöpfen geben, die ihnen näher bekannt waren, und daß sie die Unterschiede derselben oft nur in unbedeutenden Merkmalen suchen. Mit der Zeit erweitern sich die Kenntnisse; die Aufmerksamkeit, die früher nur von dem Wunderbaren gefesselt wurde, steigt zu scheinbar unbedeutenderen Gegenständen herab, die Wißbegierde begnügt sich nicht mehr mit dem, was sie zufällig findet, sie sucht mit Bewußtsein auf und gibt sich ganz ihrem Zwecke hin. Mühselige Reisen werden unternommen, Beschwerden aller Art ertragen, um nicht nur die Sit- ten und Gebräuche fremder Menschen, sondern auch die fremder Thiere kennen zu lernen. In dem ungemein reichen Material, welches man aus allen Ecken der Erde zusammenschleppt, verliert sich der Ueberblick. Man beginnt deßhalb zu sichten und zu ordnen; man stellt Aehnliches zusammen, trennt das Unähnliche von einander, oft nur nach äußern Merkmalen, die Jeder so wählt, wie sie ihm am besten zusagen. Bald genügt die äußere Gestaltung nicht mehr; man will tiefer in das Innere dringen; man will wissen auf welche Art ein abweichend gestaltetes Thier seine Nahrung sich verschaffen, sein
ganz andere Thiere in noch weit größerer Mannigfaltigkeit ihm ent- gegen tragen und durch die ſeltſamen Geſtalten, deren oft rieſenmäßige Größe und ſchimmernde Farbenpracht die Eindrücke wiederholen, welche die Ueppigkeit der tropiſchen Pflanzenwelt dem Nordländer übermächtig aufdrängt.
Es iſt natürlich, daß dieſe außerordentliche Mannigfaltigkeit der thieriſchen Weſen, welche den Erdball überall ſchmückt und belebt, von Anbeginn an die Aufmerkſamkeit der Menſchen erregen, ihre Wißbe- gierde ſtacheln mußte. Zuerſt feſſelte das Ungeheuerliche, das Bizarre, das Gewaltige ihren Geiſt und entzündete die Phantaſie zu oft ſon- derbaren Uebertreibungen. Die Leichtgläubigkeit der Menſchen war zu allen Zeiten dieſelbe, und nicht ſelten wurde das Wahre als un- wahrſcheinlich verworfen, und das offenbar Falſche als wahrſcheinlich angenommen. Je mehr ſich aber die Beziehungen zwiſchen den einzel- nen Völkerfamilien mehrten; je weiter der Unternehmungsgeiſt Ein- zelner oder ganzer Nationen nach entfernten Gegenden hin ſich aus- breitete, deſto mehr wurde auch die Wißbegierde angeſpornt, die Thier- welt jener Gegenden kennen zu lernen und mit derjenigen des Vater- landes zu vergleichen. Da es eine tiefbegründete Eigenſchaft der menſchlichen Forſchung iſt, bei unbekannten Dingen zuerſt die Aehn- lichkeit mit bekannten Dingen aufzuſuchen und ſpäter erſt auf die Unter- ſchiede aufmerkſam zu werden, ſo ſehen wir auch bei den älteren Völ- kern, daß ſie gänzlich verſchiedenen Thieren die Namen von ſolchen Geſchöpfen geben, die ihnen näher bekannt waren, und daß ſie die Unterſchiede derſelben oft nur in unbedeutenden Merkmalen ſuchen. Mit der Zeit erweitern ſich die Kenntniſſe; die Aufmerkſamkeit, die früher nur von dem Wunderbaren gefeſſelt wurde, ſteigt zu ſcheinbar unbedeutenderen Gegenſtänden herab, die Wißbegierde begnügt ſich nicht mehr mit dem, was ſie zufällig findet, ſie ſucht mit Bewußtſein auf und gibt ſich ganz ihrem Zwecke hin. Mühſelige Reiſen werden unternommen, Beſchwerden aller Art ertragen, um nicht nur die Sit- ten und Gebräuche fremder Menſchen, ſondern auch die fremder Thiere kennen zu lernen. In dem ungemein reichen Material, welches man aus allen Ecken der Erde zuſammenſchleppt, verliert ſich der Ueberblick. Man beginnt deßhalb zu ſichten und zu ordnen; man ſtellt Aehnliches zuſammen, trennt das Unähnliche von einander, oft nur nach äußern Merkmalen, die Jeder ſo wählt, wie ſie ihm am beſten zuſagen. Bald genügt die äußere Geſtaltung nicht mehr; man will tiefer in das Innere dringen; man will wiſſen auf welche Art ein abweichend geſtaltetes Thier ſeine Nahrung ſich verſchaffen, ſein
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[4/0010]
ganz andere Thiere in noch weit größerer Mannigfaltigkeit ihm ent-
gegen tragen und durch die ſeltſamen Geſtalten, deren oft rieſenmäßige
Größe und ſchimmernde Farbenpracht die Eindrücke wiederholen, welche
die Ueppigkeit der tropiſchen Pflanzenwelt dem Nordländer übermächtig
aufdrängt.
Es iſt natürlich, daß dieſe außerordentliche Mannigfaltigkeit der
thieriſchen Weſen, welche den Erdball überall ſchmückt und belebt, von
Anbeginn an die Aufmerkſamkeit der Menſchen erregen, ihre Wißbe-
gierde ſtacheln mußte. Zuerſt feſſelte das Ungeheuerliche, das Bizarre,
das Gewaltige ihren Geiſt und entzündete die Phantaſie zu oft ſon-
derbaren Uebertreibungen. Die Leichtgläubigkeit der Menſchen war
zu allen Zeiten dieſelbe, und nicht ſelten wurde das Wahre als un-
wahrſcheinlich verworfen, und das offenbar Falſche als wahrſcheinlich
angenommen. Je mehr ſich aber die Beziehungen zwiſchen den einzel-
nen Völkerfamilien mehrten; je weiter der Unternehmungsgeiſt Ein-
zelner oder ganzer Nationen nach entfernten Gegenden hin ſich aus-
breitete, deſto mehr wurde auch die Wißbegierde angeſpornt, die Thier-
welt jener Gegenden kennen zu lernen und mit derjenigen des Vater-
landes zu vergleichen. Da es eine tiefbegründete Eigenſchaft der
menſchlichen Forſchung iſt, bei unbekannten Dingen zuerſt die Aehn-
lichkeit mit bekannten Dingen aufzuſuchen und ſpäter erſt auf die Unter-
ſchiede aufmerkſam zu werden, ſo ſehen wir auch bei den älteren Völ-
kern, daß ſie gänzlich verſchiedenen Thieren die Namen von ſolchen
Geſchöpfen geben, die ihnen näher bekannt waren, und daß ſie die
Unterſchiede derſelben oft nur in unbedeutenden Merkmalen ſuchen.
Mit der Zeit erweitern ſich die Kenntniſſe; die Aufmerkſamkeit, die
früher nur von dem Wunderbaren gefeſſelt wurde, ſteigt zu ſcheinbar
unbedeutenderen Gegenſtänden herab, die Wißbegierde begnügt ſich
nicht mehr mit dem, was ſie zufällig findet, ſie ſucht mit Bewußtſein
auf und gibt ſich ganz ihrem Zwecke hin. Mühſelige Reiſen werden
unternommen, Beſchwerden aller Art ertragen, um nicht nur die Sit-
ten und Gebräuche fremder Menſchen, ſondern auch die fremder
Thiere kennen zu lernen. In dem ungemein reichen Material, welches
man aus allen Ecken der Erde zuſammenſchleppt, verliert ſich der
Ueberblick. Man beginnt deßhalb zu ſichten und zu ordnen; man ſtellt
Aehnliches zuſammen, trennt das Unähnliche von einander, oft
nur nach äußern Merkmalen, die Jeder ſo wählt, wie ſie ihm am
beſten zuſagen. Bald genügt die äußere Geſtaltung nicht mehr; man
will tiefer in das Innere dringen; man will wiſſen auf welche Art
ein abweichend geſtaltetes Thier ſeine Nahrung ſich verſchaffen, ſein
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/10>, abgerufen am 22.12.2024.
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