des achtzehnten Jahrhunderts geboren wurde, als Gesetzgeber der zoo- logischen Wissenschaft ausübte, beruht weniger auf der von ihm ein- geführten Classification und dem Werthe der einzelnen Abtheilungen, die er darin festsetzte und die durch die späteren Forschungen mannig- fach abgeändert wurden, als vielmehr auf dem streng logisch durchge- führten Systeme der Benennung und Eintheilung, welches er zuerst aufstellte und das seither unverändert geblieben ist. Die einfachen Namen, welche der gewöhnliche Sprachgebrauch für die ihm bekannten Thiere wählt und die bisher von den Naturforschern ebenfalls benutzt worden waren, genügten für eine systematische Zusammenstellung nicht, welche das Aehnliche nähern, das Unähnliche entfernen wollte. Jeder- mann weiß, daß der Hund und der Wolf, die Katze und der Tiger, der Esel und das Pferd eine bedeutende Summe von Merkmalen mit- einander gemein haben und Aehnlichkeiten besitzen, welche sich durch die gebräuchlichen Namen nicht errathen lassen. Linne führte also die doppelte Namengebung, das System der binären Nomenclatur, ein; ganz in ähnlicher Weise wie mit zunehmender Civilisation auch unter den menschlichen Völkern der doppelte Name Regel ward. So wie wir das Individuum durch seinen Taufnamen unterscheiden, wäh- rend wir durch den Familiennamen die Herkunft desselben bezeichnen, so bezeichnet Linne gewissermaßen durch einen Taufnamen, der meistens von einem hervorstechenden äußern Merkmal hergenommen ist, die Art, und durch einen vorgesetzten Namen die Beziehungen dieser Art zu ver- wandten Thieren, welche mit ihm eine Gattung (Genus) bilden. So heißen ihm alle hundeartigen Thiere Canis, alle katzenartigen Felis, alle pferdeartigen Equus; der Haushund erhält einen Beinamen: fa- miliaris, der Wolf einen andern: lupus; die Katze heißt: Felis catus, der Tiger: Felis tigris; das Pferd: Equus caballus, der Esel: Equus asinus.
Die Individuen verschwinden für den Zoologen und wenn es auch eine Wahrheit ist, daß das ganze Thierreich nur aus einzelnen Individuen zusammengesetzt ist, so lehrt doch schon der natürliche Ver- stand, daß wir alle diejenigen Individuen, welche einander bis auf einen gewissen Grad ähnlich sind, in unsern Bezeichnungen zusammen fassen. Der Name Wolf z. B. ist schon gewissermaßen eine Abstrak- tion, unter welcher wir alle diejenigen Thiere vereinigen, welche die eigenthümliche Farbe, Behaarung, Gebiß, Fußbildung, kurz alle jene charakteristischen Kennzeichen des Wolfes gemeinsam haben -- Kennzeichen, die so sehr in die Augen fallen, daß selbst ein Kind, welches einmal einen Wolf gesehen hat, ein anderes Individuum unmittelbar wieder als Wolf wiedererkennen wird. Eine weitere Abstraktion ist diejenige,
des achtzehnten Jahrhunderts geboren wurde, als Geſetzgeber der zoo- logiſchen Wiſſenſchaft ausübte, beruht weniger auf der von ihm ein- geführten Claſſification und dem Werthe der einzelnen Abtheilungen, die er darin feſtſetzte und die durch die ſpäteren Forſchungen mannig- fach abgeändert wurden, als vielmehr auf dem ſtreng logiſch durchge- führten Syſteme der Benennung und Eintheilung, welches er zuerſt aufſtellte und das ſeither unverändert geblieben iſt. Die einfachen Namen, welche der gewöhnliche Sprachgebrauch für die ihm bekannten Thiere wählt und die bisher von den Naturforſchern ebenfalls benutzt worden waren, genügten für eine ſyſtematiſche Zuſammenſtellung nicht, welche das Aehnliche nähern, das Unähnliche entfernen wollte. Jeder- mann weiß, daß der Hund und der Wolf, die Katze und der Tiger, der Eſel und das Pferd eine bedeutende Summe von Merkmalen mit- einander gemein haben und Aehnlichkeiten beſitzen, welche ſich durch die gebräuchlichen Namen nicht errathen laſſen. Linné führte alſo die doppelte Namengebung, das Syſtem der binären Nomenclatur, ein; ganz in ähnlicher Weiſe wie mit zunehmender Civiliſation auch unter den menſchlichen Völkern der doppelte Name Regel ward. So wie wir das Individuum durch ſeinen Taufnamen unterſcheiden, wäh- rend wir durch den Familiennamen die Herkunft deſſelben bezeichnen, ſo bezeichnet Linné gewiſſermaßen durch einen Taufnamen, der meiſtens von einem hervorſtechenden äußern Merkmal hergenommen iſt, die Art, und durch einen vorgeſetzten Namen die Beziehungen dieſer Art zu ver- wandten Thieren, welche mit ihm eine Gattung (Genus) bilden. So heißen ihm alle hundeartigen Thiere Canis, alle katzenartigen Felis, alle pferdeartigen Equus; der Haushund erhält einen Beinamen: fa- miliaris, der Wolf einen andern: lupus; die Katze heißt: Felis catus, der Tiger: Felis tigris; das Pferd: Equus caballus, der Eſel: Equus asinus.
Die Individuen verſchwinden für den Zoologen und wenn es auch eine Wahrheit iſt, daß das ganze Thierreich nur aus einzelnen Individuen zuſammengeſetzt iſt, ſo lehrt doch ſchon der natürliche Ver- ſtand, daß wir alle diejenigen Individuen, welche einander bis auf einen gewiſſen Grad ähnlich ſind, in unſern Bezeichnungen zuſammen faſſen. Der Name Wolf z. B. iſt ſchon gewiſſermaßen eine Abſtrak- tion, unter welcher wir alle diejenigen Thiere vereinigen, welche die eigenthümliche Farbe, Behaarung, Gebiß, Fußbildung, kurz alle jene charakteriſtiſchen Kennzeichen des Wolfes gemeinſam haben — Kennzeichen, die ſo ſehr in die Augen fallen, daß ſelbſt ein Kind, welches einmal einen Wolf geſehen hat, ein anderes Individuum unmittelbar wieder als Wolf wiedererkennen wird. Eine weitere Abſtraktion iſt diejenige,
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[11/0017]
des achtzehnten Jahrhunderts geboren wurde, als Geſetzgeber der zoo-
logiſchen Wiſſenſchaft ausübte, beruht weniger auf der von ihm ein-
geführten Claſſification und dem Werthe der einzelnen Abtheilungen,
die er darin feſtſetzte und die durch die ſpäteren Forſchungen mannig-
fach abgeändert wurden, als vielmehr auf dem ſtreng logiſch durchge-
führten Syſteme der Benennung und Eintheilung, welches er zuerſt
aufſtellte und das ſeither unverändert geblieben iſt. Die einfachen
Namen, welche der gewöhnliche Sprachgebrauch für die ihm bekannten
Thiere wählt und die bisher von den Naturforſchern ebenfalls benutzt
worden waren, genügten für eine ſyſtematiſche Zuſammenſtellung nicht,
welche das Aehnliche nähern, das Unähnliche entfernen wollte. Jeder-
mann weiß, daß der Hund und der Wolf, die Katze und der Tiger,
der Eſel und das Pferd eine bedeutende Summe von Merkmalen mit-
einander gemein haben und Aehnlichkeiten beſitzen, welche ſich durch
die gebräuchlichen Namen nicht errathen laſſen. Linné führte alſo
die doppelte Namengebung, das Syſtem der binären Nomenclatur,
ein; ganz in ähnlicher Weiſe wie mit zunehmender Civiliſation auch
unter den menſchlichen Völkern der doppelte Name Regel ward. So
wie wir das Individuum durch ſeinen Taufnamen unterſcheiden, wäh-
rend wir durch den Familiennamen die Herkunft deſſelben bezeichnen,
ſo bezeichnet Linné gewiſſermaßen durch einen Taufnamen, der meiſtens
von einem hervorſtechenden äußern Merkmal hergenommen iſt, die Art,
und durch einen vorgeſetzten Namen die Beziehungen dieſer Art zu ver-
wandten Thieren, welche mit ihm eine Gattung (Genus) bilden.
So heißen ihm alle hundeartigen Thiere Canis, alle katzenartigen Felis,
alle pferdeartigen Equus; der Haushund erhält einen Beinamen: fa-
miliaris, der Wolf einen andern: lupus; die Katze heißt: Felis catus, der
Tiger: Felis tigris; das Pferd: Equus caballus, der Eſel: Equus asinus.
Die Individuen verſchwinden für den Zoologen und wenn es
auch eine Wahrheit iſt, daß das ganze Thierreich nur aus einzelnen
Individuen zuſammengeſetzt iſt, ſo lehrt doch ſchon der natürliche Ver-
ſtand, daß wir alle diejenigen Individuen, welche einander bis auf
einen gewiſſen Grad ähnlich ſind, in unſern Bezeichnungen zuſammen
faſſen. Der Name Wolf z. B. iſt ſchon gewiſſermaßen eine Abſtrak-
tion, unter welcher wir alle diejenigen Thiere vereinigen, welche die
eigenthümliche Farbe, Behaarung, Gebiß, Fußbildung, kurz alle jene
charakteriſtiſchen Kennzeichen des Wolfes gemeinſam haben — Kennzeichen,
die ſo ſehr in die Augen fallen, daß ſelbſt ein Kind, welches einmal
einen Wolf geſehen hat, ein anderes Individuum unmittelbar wieder
als Wolf wiedererkennen wird. Eine weitere Abſtraktion iſt diejenige,
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/17>, abgerufen am 22.12.2024.
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