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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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und dann auf diesen gestützt den Körper ausdehnend fortspannen. Bei
einigen Gattungen sind einzelne oder selbst Bündel von steifen Borsten
auf der Bauchfläche des Körpers angebracht, mittelst deren sich die
Thiere völlig schnellend und hüpfend im Wasser fortbewegen. An der
Basis der Räderorgane sieht man meistens Fasermassen in Knollen-
gestalt, welche offenbar zur Bewegung der Wimperorgane dienen, so
wie man auch im Innern des Körpers Längs- und Quermuskeln sieht,
welche zur Zusammenziehung bestimmt sind.

Obgleich das Nervensystem noch nicht mit aller Deutlichkeit
ermittelt ist, so ist doch so viel sicher, daß bei allen Räderthieren ein
Nervenknoten im Nacken existirt, von welchem einzelne seitliche Aeste
ausstrahlen. Ebenso unzweifelhaft sind Augen, welche sich meist
durch rothe Pigmentflecke kenntlich machen. Die gepanzerten Räder-
thiere besitzen meist nur ein Auge, die übrigen zwei im Nacken gele-
gene; nur sehr selten kommen drei oder vier Augenpunkte vor und bei
einigen festsitzenden Gattungen findet das auch in andern Klassen vor-
kommende Verhältniß statt, daß die frei schwimmenden Jungen Augen
besitzen, die bei den alten festsitzenden Thieren gänzlich verschwun-
den sind.

[Abbildung] Fig. 220.
Fig. 219. Fig. 221.

Fig. 219. Diglena forcipata
stark vergrößert von der Seite. a das
Räderorgan, hinter welchem die zwei Nacken-
augen sich zeigen; b der mit zwei scharfen


Das Verdauungssystem
der Räderthiere bildet stets einen
geraden in der Mittellinie gelegenen
Darmschlauch, der mit einem deut-
lichen Aster an dem Grunde des
schwanzförmigen Anhanges endet.
In dem Verlaufe des Darmkanales
selbst kann man folgende Abthei-
lungen unterscheiden. Der Mund
liegt stets am vorderen Ende des
Körpers zwischen den Räderorganen
in solcher Weise angebracht, daß
der erregte Strudel gegen ihn hin-
geht. Zuweilen führt der Mund
in eine weite Rachenhöhle, an deren
Grunde stets ein kugeliger Schlund-
kopf angebracht ist, der eine äußerst
starke Muskulatur besitzt und in den
meisten Fällen mit Zähnen bewaff-
net erscheint, welche auf hornige
Kiefer aufgesetzt sind. Die Kiefer

und dann auf dieſen geſtützt den Körper ausdehnend fortſpannen. Bei
einigen Gattungen ſind einzelne oder ſelbſt Bündel von ſteifen Borſten
auf der Bauchfläche des Körpers angebracht, mittelſt deren ſich die
Thiere völlig ſchnellend und hüpfend im Waſſer fortbewegen. An der
Baſis der Räderorgane ſieht man meiſtens Faſermaſſen in Knollen-
geſtalt, welche offenbar zur Bewegung der Wimperorgane dienen, ſo
wie man auch im Innern des Körpers Längs- und Quermuskeln ſieht,
welche zur Zuſammenziehung beſtimmt ſind.

Obgleich das Nervenſyſtem noch nicht mit aller Deutlichkeit
ermittelt iſt, ſo iſt doch ſo viel ſicher, daß bei allen Räderthieren ein
Nervenknoten im Nacken exiſtirt, von welchem einzelne ſeitliche Aeſte
ausſtrahlen. Ebenſo unzweifelhaft ſind Augen, welche ſich meiſt
durch rothe Pigmentflecke kenntlich machen. Die gepanzerten Räder-
thiere beſitzen meiſt nur ein Auge, die übrigen zwei im Nacken gele-
gene; nur ſehr ſelten kommen drei oder vier Augenpunkte vor und bei
einigen feſtſitzenden Gattungen findet das auch in andern Klaſſen vor-
kommende Verhältniß ſtatt, daß die frei ſchwimmenden Jungen Augen
beſitzen, die bei den alten feſtſitzenden Thieren gänzlich verſchwun-
den ſind.

[Abbildung] Fig. 220.
Fig. 219. Fig. 221.

Fig. 219. Diglena forcipata
ſtark vergrößert von der Seite. a das
Räderorgan, hinter welchem die zwei Nacken-
augen ſich zeigen; b der mit zwei ſcharfen


Das Verdauungsſyſtem
der Räderthiere bildet ſtets einen
geraden in der Mittellinie gelegenen
Darmſchlauch, der mit einem deut-
lichen Aſter an dem Grunde des
ſchwanzförmigen Anhanges endet.
In dem Verlaufe des Darmkanales
ſelbſt kann man folgende Abthei-
lungen unterſcheiden. Der Mund
liegt ſtets am vorderen Ende des
Körpers zwiſchen den Räderorganen
in ſolcher Weiſe angebracht, daß
der erregte Strudel gegen ihn hin-
geht. Zuweilen führt der Mund
in eine weite Rachenhöhle, an deren
Grunde ſtets ein kugeliger Schlund-
kopf angebracht iſt, der eine äußerſt
ſtarke Muskulatur beſitzt und in den
meiſten Fällen mit Zähnen bewaff-
net erſcheint, welche auf hornige
Kiefer aufgeſetzt ſind. Die Kiefer

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[212/0218] und dann auf dieſen geſtützt den Körper ausdehnend fortſpannen. Bei einigen Gattungen ſind einzelne oder ſelbſt Bündel von ſteifen Borſten auf der Bauchfläche des Körpers angebracht, mittelſt deren ſich die Thiere völlig ſchnellend und hüpfend im Waſſer fortbewegen. An der Baſis der Räderorgane ſieht man meiſtens Faſermaſſen in Knollen- geſtalt, welche offenbar zur Bewegung der Wimperorgane dienen, ſo wie man auch im Innern des Körpers Längs- und Quermuskeln ſieht, welche zur Zuſammenziehung beſtimmt ſind. Obgleich das Nervenſyſtem noch nicht mit aller Deutlichkeit ermittelt iſt, ſo iſt doch ſo viel ſicher, daß bei allen Räderthieren ein Nervenknoten im Nacken exiſtirt, von welchem einzelne ſeitliche Aeſte ausſtrahlen. Ebenſo unzweifelhaft ſind Augen, welche ſich meiſt durch rothe Pigmentflecke kenntlich machen. Die gepanzerten Räder- thiere beſitzen meiſt nur ein Auge, die übrigen zwei im Nacken gele- gene; nur ſehr ſelten kommen drei oder vier Augenpunkte vor und bei einigen feſtſitzenden Gattungen findet das auch in andern Klaſſen vor- kommende Verhältniß ſtatt, daß die frei ſchwimmenden Jungen Augen beſitzen, die bei den alten feſtſitzenden Thieren gänzlich verſchwun- den ſind. [Abbildung Fig. 220. Fig. 219. Fig. 221. Fig. 219. Diglena forcipata ſtark vergrößert von der Seite. a das Räderorgan, hinter welchem die zwei Nacken- augen ſich zeigen; b der mit zwei ſcharfen] Das Verdauungsſyſtem der Räderthiere bildet ſtets einen geraden in der Mittellinie gelegenen Darmſchlauch, der mit einem deut- lichen Aſter an dem Grunde des ſchwanzförmigen Anhanges endet. In dem Verlaufe des Darmkanales ſelbſt kann man folgende Abthei- lungen unterſcheiden. Der Mund liegt ſtets am vorderen Ende des Körpers zwiſchen den Räderorganen in ſolcher Weiſe angebracht, daß der erregte Strudel gegen ihn hin- geht. Zuweilen führt der Mund in eine weite Rachenhöhle, an deren Grunde ſtets ein kugeliger Schlund- kopf angebracht iſt, der eine äußerſt ſtarke Muskulatur beſitzt und in den meiſten Fällen mit Zähnen bewaff- net erſcheint, welche auf hornige Kiefer aufgeſetzt ſind. Die Kiefer

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/218>, abgerufen am 10.05.2024.