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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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Geschlechtsorgane sind bei allen Ringelwürmern vorhanden,
entwickeln sich aber meist nur periodisch zu gewissen Jahreszeiten, so
daß oft die Thiere vollkommen geschlechtslos erscheinen. Außerdem
pflanzen sich indeß viele derselben entweder durch Theilung oder auch
durch Knospung fort. Die Theilung geschieht in der Weise, daß bei
solchen Individuen, die noch keine Geschlechtsorgane zeigen, etwa in
der Mitte des Leibes oder weiter hinten ein schärferer Einschnitt ent-
steht, an welchem sich ein neuer Kopf mit mehren Ringeln bildet.
Sobald nun der Wurm aus Vorderthier und Hinterthier besteht, so
bemerkt man an dem Vorderthier, daß der vorletzte Ringel des Leibes
sich mehr abschnürt und daß aus diesem sichtlich getrennten
Ringel, während er noch continuirlich mit dem Vorder- und
Hintertheile des Thieres zusammenhängt, nach vorne hin drei oder
vier Kopfringe, mit Augen und Fühlern, nach hinten hin Leibes-
ringe mit Fuß- und Seitenborsten hervorsprossen. Ist diese Spros-
sung so weit gediehen, daß das neugebildete Thier sich loslösen will,
so besteht also das Ganze von vorn nach hinten aus drei Stücken, dem
Vorderleibe des Mutterthieres, dem jungen, aus einem Ringel des
Mutterthieres entstandenen Mittelthiere und dem mit einem Kopfe ver-
sehenen Hinterleibe des Mutterthieres, dessen Schicksal nach der end-
lichen Loslösung noch unbekannt ist. Das Vordertheil des Mutter-
thieres pflanzt sich zuweilen noch mehrfach durch Theilung fort, bekommt
aber dann Geschlechtstheile und legt dann nur noch Eier. Bei
diesen Ringelwürmern findet auch noch die Eigenthümlichkeit statt,
daß abgetrennte Stücke sich wieder zu ganzen Individuen ausbilden. Von
der Theilung verschieden ist die Knospung, bei welcher an dem
Hinterende des Leibes meist zwischen dem letzten und vorletzten Rin-
gel ein Glied hervorsproßt, welches deutlich das Kopfende des neu
zu bildenden Individuums ist; während dieses nun auswächst und
Ringel an Ringel reiht, entsteht wieder zwischen ihm und dem Mut-
terthiere eine neue Knospe, die sich ebenfalls zu einem unabhängigen
Individuum ausbildet. Man hat auf diese Weise an einem Mutter-
thiere bis zu sechs Knospen hängend gefunden, wovon die hinterste,
älteste, schon ein sehr vollständig ausgebildetes Thier darstellte, während
die vorderste, jüngste, nur erst den Kopfringel zeigte. Es unterscheidet
sich die Knospung also dadurch wesentlich von der Theilung, daß bei
letzterer wirklich ein Theil des Mutterthieres (wenigstens ein Ringel)
in das neue Inviduum übergeht, während bei ersterer dieses ganz
neu gebildet ist.

Die Egel und die Erdwürmer sind Hermaphro diten und jedes

Geſchlechtsorgane ſind bei allen Ringelwürmern vorhanden,
entwickeln ſich aber meiſt nur periodiſch zu gewiſſen Jahreszeiten, ſo
daß oft die Thiere vollkommen geſchlechtslos erſcheinen. Außerdem
pflanzen ſich indeß viele derſelben entweder durch Theilung oder auch
durch Knospung fort. Die Theilung geſchieht in der Weiſe, daß bei
ſolchen Individuen, die noch keine Geſchlechtsorgane zeigen, etwa in
der Mitte des Leibes oder weiter hinten ein ſchärferer Einſchnitt ent-
ſteht, an welchem ſich ein neuer Kopf mit mehren Ringeln bildet.
Sobald nun der Wurm aus Vorderthier und Hinterthier beſteht, ſo
bemerkt man an dem Vorderthier, daß der vorletzte Ringel des Leibes
ſich mehr abſchnürt und daß aus dieſem ſichtlich getrennten
Ringel, während er noch continuirlich mit dem Vorder- und
Hintertheile des Thieres zuſammenhängt, nach vorne hin drei oder
vier Kopfringe, mit Augen und Fühlern, nach hinten hin Leibes-
ringe mit Fuß- und Seitenborſten hervorſproſſen. Iſt dieſe Sproſ-
ſung ſo weit gediehen, daß das neugebildete Thier ſich loslöſen will,
ſo beſteht alſo das Ganze von vorn nach hinten aus drei Stücken, dem
Vorderleibe des Mutterthieres, dem jungen, aus einem Ringel des
Mutterthieres entſtandenen Mittelthiere und dem mit einem Kopfe ver-
ſehenen Hinterleibe des Mutterthieres, deſſen Schickſal nach der end-
lichen Loslöſung noch unbekannt iſt. Das Vordertheil des Mutter-
thieres pflanzt ſich zuweilen noch mehrfach durch Theilung fort, bekommt
aber dann Geſchlechtstheile und legt dann nur noch Eier. Bei
dieſen Ringelwürmern findet auch noch die Eigenthümlichkeit ſtatt,
daß abgetrennte Stücke ſich wieder zu ganzen Individuen ausbilden. Von
der Theilung verſchieden iſt die Knospung, bei welcher an dem
Hinterende des Leibes meiſt zwiſchen dem letzten und vorletzten Rin-
gel ein Glied hervorſproßt, welches deutlich das Kopfende des neu
zu bildenden Individuums iſt; während dieſes nun auswächſt und
Ringel an Ringel reiht, entſteht wieder zwiſchen ihm und dem Mut-
terthiere eine neue Knospe, die ſich ebenfalls zu einem unabhängigen
Individuum ausbildet. Man hat auf dieſe Weiſe an einem Mutter-
thiere bis zu ſechs Knospen hängend gefunden, wovon die hinterſte,
älteſte, ſchon ein ſehr vollſtändig ausgebildetes Thier darſtellte, während
die vorderſte, jüngſte, nur erſt den Kopfringel zeigte. Es unterſcheidet
ſich die Knospung alſo dadurch weſentlich von der Theilung, daß bei
letzterer wirklich ein Theil des Mutterthieres (wenigſtens ein Ringel)
in das neue Inviduum übergeht, während bei erſterer dieſes ganz
neu gebildet iſt.

Die Egel und die Erdwürmer ſind Hermaphro diten und jedes

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[222/0228] Geſchlechtsorgane ſind bei allen Ringelwürmern vorhanden, entwickeln ſich aber meiſt nur periodiſch zu gewiſſen Jahreszeiten, ſo daß oft die Thiere vollkommen geſchlechtslos erſcheinen. Außerdem pflanzen ſich indeß viele derſelben entweder durch Theilung oder auch durch Knospung fort. Die Theilung geſchieht in der Weiſe, daß bei ſolchen Individuen, die noch keine Geſchlechtsorgane zeigen, etwa in der Mitte des Leibes oder weiter hinten ein ſchärferer Einſchnitt ent- ſteht, an welchem ſich ein neuer Kopf mit mehren Ringeln bildet. Sobald nun der Wurm aus Vorderthier und Hinterthier beſteht, ſo bemerkt man an dem Vorderthier, daß der vorletzte Ringel des Leibes ſich mehr abſchnürt und daß aus dieſem ſichtlich getrennten Ringel, während er noch continuirlich mit dem Vorder- und Hintertheile des Thieres zuſammenhängt, nach vorne hin drei oder vier Kopfringe, mit Augen und Fühlern, nach hinten hin Leibes- ringe mit Fuß- und Seitenborſten hervorſproſſen. Iſt dieſe Sproſ- ſung ſo weit gediehen, daß das neugebildete Thier ſich loslöſen will, ſo beſteht alſo das Ganze von vorn nach hinten aus drei Stücken, dem Vorderleibe des Mutterthieres, dem jungen, aus einem Ringel des Mutterthieres entſtandenen Mittelthiere und dem mit einem Kopfe ver- ſehenen Hinterleibe des Mutterthieres, deſſen Schickſal nach der end- lichen Loslöſung noch unbekannt iſt. Das Vordertheil des Mutter- thieres pflanzt ſich zuweilen noch mehrfach durch Theilung fort, bekommt aber dann Geſchlechtstheile und legt dann nur noch Eier. Bei dieſen Ringelwürmern findet auch noch die Eigenthümlichkeit ſtatt, daß abgetrennte Stücke ſich wieder zu ganzen Individuen ausbilden. Von der Theilung verſchieden iſt die Knospung, bei welcher an dem Hinterende des Leibes meiſt zwiſchen dem letzten und vorletzten Rin- gel ein Glied hervorſproßt, welches deutlich das Kopfende des neu zu bildenden Individuums iſt; während dieſes nun auswächſt und Ringel an Ringel reiht, entſteht wieder zwiſchen ihm und dem Mut- terthiere eine neue Knospe, die ſich ebenfalls zu einem unabhängigen Individuum ausbildet. Man hat auf dieſe Weiſe an einem Mutter- thiere bis zu ſechs Knospen hängend gefunden, wovon die hinterſte, älteſte, ſchon ein ſehr vollſtändig ausgebildetes Thier darſtellte, während die vorderſte, jüngſte, nur erſt den Kopfringel zeigte. Es unterſcheidet ſich die Knospung alſo dadurch weſentlich von der Theilung, daß bei letzterer wirklich ein Theil des Mutterthieres (wenigſtens ein Ringel) in das neue Inviduum übergeht, während bei erſterer dieſes ganz neu gebildet iſt. Die Egel und die Erdwürmer ſind Hermaphro diten und jedes

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/228>, abgerufen am 10.05.2024.