Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.[Abbildung]
Fig 286. Das Nervensystem der Weich-Nervensystem des Seehasen (Aplysia). thiere besteht unter allen Umständen aus mehreren Knoten, die einen mehr oder minder weitläufigen Ring um den Schlund bilden und außerdem noch im Körper zerstreut liegen. Auch diese Eigenthümlichkeit unterscheidet sie von den Molluskoiden, bei wel- chen, wie wir gesehen haben, nur ein einziger Nervenknoten existirt. Bei den höhern Weichthieren ent- wickelt sich mit einer höheren Aus- bildung des Nervensystemes ein wahrer Kopf, welcher vorzüglich die Sinnesorgane trägt, während die niedern Klassen durchaus kopf- los sind und die Sinnesorgane, wenn solche vorhanden, an dem Rande des Mantels angebracht sind. In den meisten Fällen ist der in seiner Gestalt außerordentlich wech- selnde Körper dieser Thiere von einer Schale umgeben, welche in den höheren Klassen eine mehr oder minder aufgewundene Röhre dar- stellt, während sie bei den niederen Klassen aus zwei Klappen besteht, welche wie die Deckel eines Buches den Körper von der Seite her umschließen und an dem oberen Rande durch eine Art Charnier, welches man das Schloß nennt, miteinander eingelenkt sind. Der Darmkanal ist meist sehr ausgiebig entwickelt, die Leber verhältnißmäßig ungeheuer und größer, als bei irgend andern Thieren. Keinem Weichthiere fehlt ein Herz -- die mei- sten besitzen eine sehr ausgebildete Cirkulation des Blutes, die aber niemals in ganz vollständig geschlossenen Gefäßbahnen vor sich geht und besondere oft sehr entwickelte Athemorgane, meist in Form von Kiemen, seltener Lungen. Die Bewegungsorgane dagegen sind nur äußerst mangelhaft ausgebildet. Viele Weichthiere sind auf eigen- thümliche Weise an den Boden festgekettet, so daß eine Ortsbewe- gung ihnen vollkommen unmöglich ist; die andern kriechen, mittelst Vogt, Zoologische Briefe. I. 18
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Fig 286. Das Nervenſyſtem der Weich-Nervenſyſtem des Seehaſen (Aplysia). thiere beſteht unter allen Umſtänden aus mehreren Knoten, die einen mehr oder minder weitläufigen Ring um den Schlund bilden und außerdem noch im Körper zerſtreut liegen. Auch dieſe Eigenthümlichkeit unterſcheidet ſie von den Molluskoiden, bei wel- chen, wie wir geſehen haben, nur ein einziger Nervenknoten exiſtirt. Bei den höhern Weichthieren ent- wickelt ſich mit einer höheren Aus- bildung des Nervenſyſtemes ein wahrer Kopf, welcher vorzüglich die Sinnesorgane trägt, während die niedern Klaſſen durchaus kopf- los ſind und die Sinnesorgane, wenn ſolche vorhanden, an dem Rande des Mantels angebracht ſind. In den meiſten Fällen iſt der in ſeiner Geſtalt außerordentlich wech- ſelnde Körper dieſer Thiere von einer Schale umgeben, welche in den höheren Klaſſen eine mehr oder minder aufgewundene Röhre dar- ſtellt, während ſie bei den niederen Klaſſen aus zwei Klappen beſteht, welche wie die Deckel eines Buches den Körper von der Seite her umſchließen und an dem oberen Rande durch eine Art Charnier, welches man das Schloß nennt, miteinander eingelenkt ſind. Der Darmkanal iſt meiſt ſehr ausgiebig entwickelt, die Leber verhältnißmäßig ungeheuer und größer, als bei irgend andern Thieren. Keinem Weichthiere fehlt ein Herz — die mei- ſten beſitzen eine ſehr ausgebildete Cirkulation des Blutes, die aber niemals in ganz vollſtändig geſchloſſenen Gefäßbahnen vor ſich geht und beſondere oft ſehr entwickelte Athemorgane, meiſt in Form von Kiemen, ſeltener Lungen. Die Bewegungsorgane dagegen ſind nur äußerſt mangelhaft ausgebildet. Viele Weichthiere ſind auf eigen- thümliche Weiſe an den Boden feſtgekettet, ſo daß eine Ortsbewe- gung ihnen vollkommen unmöglich iſt; die andern kriechen, mittelſt Vogt, Zoologiſche Briefe. I. 18
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[Abbildung Fig 286. Nervenſyſtem des Seehaſen (Aplysia).
l Vorderer Lippenknoten. c Hirnknoten,
über dem Schlunde gelegen. o Durch-
gangsloch für den Schlund. g Untere
Knoten des Schlundringes. v Eingeweide-
knoten.]
Das Nervenſyſtem der Weich-
thiere beſteht unter allen Umſtänden
aus mehreren Knoten, die einen
mehr oder minder weitläufigen Ring
um den Schlund bilden und außerdem
noch im Körper zerſtreut liegen. Auch
dieſe Eigenthümlichkeit unterſcheidet
ſie von den Molluskoiden, bei wel-
chen, wie wir geſehen haben, nur
ein einziger Nervenknoten exiſtirt.
Bei den höhern Weichthieren ent-
wickelt ſich mit einer höheren Aus-
bildung des Nervenſyſtemes ein
wahrer Kopf, welcher vorzüglich
die Sinnesorgane trägt, während
die niedern Klaſſen durchaus kopf-
los ſind und die Sinnesorgane,
wenn ſolche vorhanden, an dem
Rande des Mantels angebracht ſind.
In den meiſten Fällen iſt der in
ſeiner Geſtalt außerordentlich wech-
ſelnde Körper dieſer Thiere von
einer Schale umgeben, welche in
den höheren Klaſſen eine mehr oder
minder aufgewundene Röhre dar-
ſtellt, während ſie bei den niederen
Klaſſen aus zwei Klappen beſteht,
welche wie die Deckel eines Buches
den Körper von der Seite her umſchließen und an dem oberen Rande
durch eine Art Charnier, welches man das Schloß nennt, miteinander
eingelenkt ſind. Der Darmkanal iſt meiſt ſehr ausgiebig entwickelt,
die Leber verhältnißmäßig ungeheuer und größer, als bei irgend
andern Thieren. Keinem Weichthiere fehlt ein Herz — die mei-
ſten beſitzen eine ſehr ausgebildete Cirkulation des Blutes, die aber
niemals in ganz vollſtändig geſchloſſenen Gefäßbahnen vor ſich geht und
beſondere oft ſehr entwickelte Athemorgane, meiſt in Form von
Kiemen, ſeltener Lungen. Die Bewegungsorgane dagegen ſind
nur äußerſt mangelhaft ausgebildet. Viele Weichthiere ſind auf eigen-
thümliche Weiſe an den Boden feſtgekettet, ſo daß eine Ortsbewe-
gung ihnen vollkommen unmöglich iſt; die andern kriechen, mittelſt
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