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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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hältniß gegen den ungeheuren Kopf ausgleicht. Sobald Dottersack
und Embryo etwa gleich groß sind, haben schon

[Abbildung] Fig. 430.

Fast reifer Embryo
von der Rückenseite.

die Embryonen fast ganz die Gestalt des zukünf-
tigen Thieres und bewegen sich auch ziemlich
rasch in dem Ei, oder nach ihrer Herausnahme
aus den Eihüllen, die sie jedoch nicht eher ver-
lassen, als bis der Dottersack gänzlich geschwun-
den, und der junge Kopffüßler in allen Thei-
len vollkommen dem Erwachsenen ähnlich sieht.

Man sieht aus dieser Darstellung des Ent-
wickelungsganges der Kopffüßler, daß hier we-
sentlich zwei Momente ins Auge gefaßt werden
müssen. Während bei allen übrigen Thieren,
die wir in den vorigen Abtheilungen betrachte-
ten, der Embryo sich stets aus dem ganzen Eie
entwickelt und von Anfang an sämmtliche Theile
des Eies bei der Bildung der Organe interessirt sind, erscheint hier
Anfangs nur eine kleine Embryonalanlage, welche allmählig den Dot-
ter überwächst und zur Bildung ihrer Organe verwendet. Das zweite
Moment ist die Lagerung des Dotters in der Axe des Körpers dem
Kopfe gegenüber, wo er von den trichterförmig umstellten Armen um-
faßt wird, und mit einem Stiele neben dem Munde in die Leibeshöhle
eindringt, -- eine Lagerung, welche gänzlich von der verschieden ist,
die wir bei den spätern großen Gruppen des Thierreiches finden wer-
den, wo der Dotter entweder wie bei den Gliederthieren auf der
Rückenfläche, oder wie bei den Wirbelthieren auf der Bauchfläche des
Embryo's sich befindet. Beide Momente lassen keinen Zweifel darüber,
daß trotz der geringen Anzahl von Armfüßlern, welche wir in unserer
jetzigen Schöpfung besitzen, dennoch dieser Typus in Berücksichtigung
seiner Eigenthümlichkeiten und seiner ungemein großartigen Entwicke-
lung, in früheren Perioden der Erdgeschichte mit den anderen großen
Abtheilungen des Thierreiches auf eine Stufe gestellt werden müssen.
Namentlich bei dieser Klasse kann man mit vollständiger Gewißheit
das große Unrecht derjenigen nachweisen, welche in ihren Systemen
nur die jetzt lebende Schöpfung berücksichtigen, die frühere aber als
nicht in ihren Kreis gehörig zur Seite stellen möchten. --

Wir theilen den Kreis der Kopffüßler, der nur eine Klasse ent-
hält, nach der Beschaffenheit der Fangarme und der Kiemen in zwei
Ordnungen. Bei den Einen, den Vierkiemern, (Tetrabranchiata),
welche den andern in der Erdgeschichte vorangehen, stehen zwei Kie-

hältniß gegen den ungeheuren Kopf ausgleicht. Sobald Dotterſack
und Embryo etwa gleich groß ſind, haben ſchon

[Abbildung] Fig. 430.

Faſt reifer Embryo
von der Rückenſeite.

die Embryonen faſt ganz die Geſtalt des zukünf-
tigen Thieres und bewegen ſich auch ziemlich
raſch in dem Ei, oder nach ihrer Herausnahme
aus den Eihüllen, die ſie jedoch nicht eher ver-
laſſen, als bis der Dotterſack gänzlich geſchwun-
den, und der junge Kopffüßler in allen Thei-
len vollkommen dem Erwachſenen ähnlich ſieht.

Man ſieht aus dieſer Darſtellung des Ent-
wickelungsganges der Kopffüßler, daß hier we-
ſentlich zwei Momente ins Auge gefaßt werden
müſſen. Während bei allen übrigen Thieren,
die wir in den vorigen Abtheilungen betrachte-
ten, der Embryo ſich ſtets aus dem ganzen Eie
entwickelt und von Anfang an ſämmtliche Theile
des Eies bei der Bildung der Organe intereſſirt ſind, erſcheint hier
Anfangs nur eine kleine Embryonalanlage, welche allmählig den Dot-
ter überwächſt und zur Bildung ihrer Organe verwendet. Das zweite
Moment iſt die Lagerung des Dotters in der Axe des Körpers dem
Kopfe gegenüber, wo er von den trichterförmig umſtellten Armen um-
faßt wird, und mit einem Stiele neben dem Munde in die Leibeshöhle
eindringt, — eine Lagerung, welche gänzlich von der verſchieden iſt,
die wir bei den ſpätern großen Gruppen des Thierreiches finden wer-
den, wo der Dotter entweder wie bei den Gliederthieren auf der
Rückenfläche, oder wie bei den Wirbelthieren auf der Bauchfläche des
Embryo’s ſich befindet. Beide Momente laſſen keinen Zweifel darüber,
daß trotz der geringen Anzahl von Armfüßlern, welche wir in unſerer
jetzigen Schöpfung beſitzen, dennoch dieſer Typus in Berückſichtigung
ſeiner Eigenthümlichkeiten und ſeiner ungemein großartigen Entwicke-
lung, in früheren Perioden der Erdgeſchichte mit den anderen großen
Abtheilungen des Thierreiches auf eine Stufe geſtellt werden müſſen.
Namentlich bei dieſer Klaſſe kann man mit vollſtändiger Gewißheit
das große Unrecht derjenigen nachweiſen, welche in ihren Syſtemen
nur die jetzt lebende Schöpfung berückſichtigen, die frühere aber als
nicht in ihren Kreis gehörig zur Seite ſtellen möchten. —

Wir theilen den Kreis der Kopffüßler, der nur eine Klaſſe ent-
hält, nach der Beſchaffenheit der Fangarme und der Kiemen in zwei
Ordnungen. Bei den Einen, den Vierkiemern, (Tetrabranchiata),
welche den andern in der Erdgeſchichte vorangehen, ſtehen zwei Kie-

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[382/0388] hältniß gegen den ungeheuren Kopf ausgleicht. Sobald Dotterſack und Embryo etwa gleich groß ſind, haben ſchon [Abbildung Fig. 430. Faſt reifer Embryo von der Rückenſeite.] die Embryonen faſt ganz die Geſtalt des zukünf- tigen Thieres und bewegen ſich auch ziemlich raſch in dem Ei, oder nach ihrer Herausnahme aus den Eihüllen, die ſie jedoch nicht eher ver- laſſen, als bis der Dotterſack gänzlich geſchwun- den, und der junge Kopffüßler in allen Thei- len vollkommen dem Erwachſenen ähnlich ſieht. Man ſieht aus dieſer Darſtellung des Ent- wickelungsganges der Kopffüßler, daß hier we- ſentlich zwei Momente ins Auge gefaßt werden müſſen. Während bei allen übrigen Thieren, die wir in den vorigen Abtheilungen betrachte- ten, der Embryo ſich ſtets aus dem ganzen Eie entwickelt und von Anfang an ſämmtliche Theile des Eies bei der Bildung der Organe intereſſirt ſind, erſcheint hier Anfangs nur eine kleine Embryonalanlage, welche allmählig den Dot- ter überwächſt und zur Bildung ihrer Organe verwendet. Das zweite Moment iſt die Lagerung des Dotters in der Axe des Körpers dem Kopfe gegenüber, wo er von den trichterförmig umſtellten Armen um- faßt wird, und mit einem Stiele neben dem Munde in die Leibeshöhle eindringt, — eine Lagerung, welche gänzlich von der verſchieden iſt, die wir bei den ſpätern großen Gruppen des Thierreiches finden wer- den, wo der Dotter entweder wie bei den Gliederthieren auf der Rückenfläche, oder wie bei den Wirbelthieren auf der Bauchfläche des Embryo’s ſich befindet. Beide Momente laſſen keinen Zweifel darüber, daß trotz der geringen Anzahl von Armfüßlern, welche wir in unſerer jetzigen Schöpfung beſitzen, dennoch dieſer Typus in Berückſichtigung ſeiner Eigenthümlichkeiten und ſeiner ungemein großartigen Entwicke- lung, in früheren Perioden der Erdgeſchichte mit den anderen großen Abtheilungen des Thierreiches auf eine Stufe geſtellt werden müſſen. Namentlich bei dieſer Klaſſe kann man mit vollſtändiger Gewißheit das große Unrecht derjenigen nachweiſen, welche in ihren Syſtemen nur die jetzt lebende Schöpfung berückſichtigen, die frühere aber als nicht in ihren Kreis gehörig zur Seite ſtellen möchten. — Wir theilen den Kreis der Kopffüßler, der nur eine Klaſſe ent- hält, nach der Beſchaffenheit der Fangarme und der Kiemen in zwei Ordnungen. Bei den Einen, den Vierkiemern, (Tetrabranchiata), welche den andern in der Erdgeſchichte vorangehen, ſtehen zwei Kie-

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/388>, abgerufen am 23.12.2024.