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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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terlippe oder Lippe (labium), die man auch als ein in der Mitte
verwachsenes, drittes seitliches Kieferpaar betrachten könnte. Kinnladen
und Unterlippe tragen gewöhnlich seitliche gegliederte Anhänge, die
Ladentaster (palpi maxillares) und die Lippentaster (palpi la-
biales).
Die normalen Mundwerkzeuge bestehen also aus zwei unpaa-
ren Lippen, zwei Paar Kiefern und zwei Paar Tastern.

Die Oberlippe besteht meistens aus einem mehr oder minder
großen Vorsprunge, der wie eine Klappe an der Unterfläche des Kopfes
beweglich ist und gewöhnlich die Kiefer deckt oder wenigstens auf ihrem
Ursprunge aufliegt. Zuweilen ist die Oberlippe unbeweglich mit dem
hornigen Skelette des Kopfes verwachsen, und bei manchen saugenden
Insekten sucht man vergebens nach einer Spur von ihr.

Die Kiefer sind bei den kauenden Insekten stets aus zwei hohlen
Hornstücken gebildet, die zu beiden Seiten durch ein Charniergelenk so
mit dem Kopfe verbunden sind, daß sie sich nur gegen einander bewe-
gen können. Sie sind meistens hakenförmig, krumm gebogen, gewöhn-
lich sehr fest und hart, bei den Fleischfressern spitz gezähnt, bei den
Pflanzenfressern mehr mit meiselartigen oder stumpfen Vorragungen
zum Kauen versehen: in vielen Fällen ragen sie weit über den Kopf
hervor, und haben oft bei den verschiedenen Geschlechtern derselben
Gattung eine verschiedene Form, wie z. B. bei den bekannten Hirsch-
käfern, wo das Männchen große geweihartige, mit mehrfachen Zacken
besetzte Kiefer besitzt, während sie bei dem Weibchen nur kurze Haken
darstellen. Je mehr die Aufnahme fester Nahrungsmittel zurücksinkt,
desto unscheinbarer werden die Kiefer, und bei den ächten Saugern
fehlen sie entweder ganz, oder sind auf zwei hornige Borsten reduzirt,
welche gewöhnlich zum Stechen benutzt werden.

Weit komplizirter an Gestalt und Zusammensetzung sind die Un-
terkiefer oder Kinnladen, die niemals einen so offenen Winkel, wie
die Kiefer zu bilden im Stande sind, und nur selten diesen an Härte
und Schärfe ihrer Zähnlungen gleich kommen. Die Kinnladen stehen
der Unterlippe sehr nahe und erscheinen zuweilen mit ihrer Basis so
mit der Lippe verwachsen, daß man sie für einen Theil derselben hal-
ten könnte; -- sie bestehen meist aus mehreren einzelnen Stücken, die
man in einen Schaft oder Stiel und einen freien Theil, die Lade
oder den Helm, theilen kann; der Stiel ist meistens aus einem que-
ren Gelenkstücke, der sogenannten Angel (cardo) und dem eigentlichen
Stiele (stipes) zusammengesetzt, der an der inneren Seite die Laden
oder Lappen (malae), an der äußeren Seite die Ladentaster (palpi

terlippe oder Lippe (labium), die man auch als ein in der Mitte
verwachſenes, drittes ſeitliches Kieferpaar betrachten könnte. Kinnladen
und Unterlippe tragen gewöhnlich ſeitliche gegliederte Anhänge, die
Ladentaſter (palpi maxillares) und die Lippentaſter (palpi la-
biales).
Die normalen Mundwerkzeuge beſtehen alſo aus zwei unpaa-
ren Lippen, zwei Paar Kiefern und zwei Paar Taſtern.

Die Oberlippe beſteht meiſtens aus einem mehr oder minder
großen Vorſprunge, der wie eine Klappe an der Unterfläche des Kopfes
beweglich iſt und gewöhnlich die Kiefer deckt oder wenigſtens auf ihrem
Urſprunge aufliegt. Zuweilen iſt die Oberlippe unbeweglich mit dem
hornigen Skelette des Kopfes verwachſen, und bei manchen ſaugenden
Inſekten ſucht man vergebens nach einer Spur von ihr.

Die Kiefer ſind bei den kauenden Inſekten ſtets aus zwei hohlen
Hornſtücken gebildet, die zu beiden Seiten durch ein Charniergelenk ſo
mit dem Kopfe verbunden ſind, daß ſie ſich nur gegen einander bewe-
gen können. Sie ſind meiſtens hakenförmig, krumm gebogen, gewöhn-
lich ſehr feſt und hart, bei den Fleiſchfreſſern ſpitz gezähnt, bei den
Pflanzenfreſſern mehr mit meiſelartigen oder ſtumpfen Vorragungen
zum Kauen verſehen: in vielen Fällen ragen ſie weit über den Kopf
hervor, und haben oft bei den verſchiedenen Geſchlechtern derſelben
Gattung eine verſchiedene Form, wie z. B. bei den bekannten Hirſch-
käfern, wo das Männchen große geweihartige, mit mehrfachen Zacken
beſetzte Kiefer beſitzt, während ſie bei dem Weibchen nur kurze Haken
darſtellen. Je mehr die Aufnahme feſter Nahrungsmittel zurückſinkt,
deſto unſcheinbarer werden die Kiefer, und bei den ächten Saugern
fehlen ſie entweder ganz, oder ſind auf zwei hornige Borſten reduzirt,
welche gewöhnlich zum Stechen benutzt werden.

Weit komplizirter an Geſtalt und Zuſammenſetzung ſind die Un-
terkiefer oder Kinnladen, die niemals einen ſo offenen Winkel, wie
die Kiefer zu bilden im Stande ſind, und nur ſelten dieſen an Härte
und Schärfe ihrer Zähnlungen gleich kommen. Die Kinnladen ſtehen
der Unterlippe ſehr nahe und erſcheinen zuweilen mit ihrer Baſis ſo
mit der Lippe verwachſen, daß man ſie für einen Theil derſelben hal-
ten könnte; — ſie beſtehen meiſt aus mehreren einzelnen Stücken, die
man in einen Schaft oder Stiel und einen freien Theil, die Lade
oder den Helm, theilen kann; der Stiel iſt meiſtens aus einem que-
ren Gelenkſtücke, der ſogenannten Angel (cardo) und dem eigentlichen
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oder Lappen (malae), an der äußeren Seite die Ladentaſter (palpi

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[520/0526] terlippe oder Lippe (labium), die man auch als ein in der Mitte verwachſenes, drittes ſeitliches Kieferpaar betrachten könnte. Kinnladen und Unterlippe tragen gewöhnlich ſeitliche gegliederte Anhänge, die Ladentaſter (palpi maxillares) und die Lippentaſter (palpi la- biales). Die normalen Mundwerkzeuge beſtehen alſo aus zwei unpaa- ren Lippen, zwei Paar Kiefern und zwei Paar Taſtern. Die Oberlippe beſteht meiſtens aus einem mehr oder minder großen Vorſprunge, der wie eine Klappe an der Unterfläche des Kopfes beweglich iſt und gewöhnlich die Kiefer deckt oder wenigſtens auf ihrem Urſprunge aufliegt. Zuweilen iſt die Oberlippe unbeweglich mit dem hornigen Skelette des Kopfes verwachſen, und bei manchen ſaugenden Inſekten ſucht man vergebens nach einer Spur von ihr. Die Kiefer ſind bei den kauenden Inſekten ſtets aus zwei hohlen Hornſtücken gebildet, die zu beiden Seiten durch ein Charniergelenk ſo mit dem Kopfe verbunden ſind, daß ſie ſich nur gegen einander bewe- gen können. Sie ſind meiſtens hakenförmig, krumm gebogen, gewöhn- lich ſehr feſt und hart, bei den Fleiſchfreſſern ſpitz gezähnt, bei den Pflanzenfreſſern mehr mit meiſelartigen oder ſtumpfen Vorragungen zum Kauen verſehen: in vielen Fällen ragen ſie weit über den Kopf hervor, und haben oft bei den verſchiedenen Geſchlechtern derſelben Gattung eine verſchiedene Form, wie z. B. bei den bekannten Hirſch- käfern, wo das Männchen große geweihartige, mit mehrfachen Zacken beſetzte Kiefer beſitzt, während ſie bei dem Weibchen nur kurze Haken darſtellen. Je mehr die Aufnahme feſter Nahrungsmittel zurückſinkt, deſto unſcheinbarer werden die Kiefer, und bei den ächten Saugern fehlen ſie entweder ganz, oder ſind auf zwei hornige Borſten reduzirt, welche gewöhnlich zum Stechen benutzt werden. Weit komplizirter an Geſtalt und Zuſammenſetzung ſind die Un- terkiefer oder Kinnladen, die niemals einen ſo offenen Winkel, wie die Kiefer zu bilden im Stande ſind, und nur ſelten dieſen an Härte und Schärfe ihrer Zähnlungen gleich kommen. Die Kinnladen ſtehen der Unterlippe ſehr nahe und erſcheinen zuweilen mit ihrer Baſis ſo mit der Lippe verwachſen, daß man ſie für einen Theil derſelben hal- ten könnte; — ſie beſtehen meiſt aus mehreren einzelnen Stücken, die man in einen Schaft oder Stiel und einen freien Theil, die Lade oder den Helm, theilen kann; der Stiel iſt meiſtens aus einem que- ren Gelenkſtücke, der ſogenannten Angel (cardo) und dem eigentlichen Stiele (stipes) zuſammengeſetzt, der an der inneren Seite die Laden oder Lappen (malae), an der äußeren Seite die Ladentaſter (palpi

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/526>, abgerufen am 23.12.2024.