gen. Bei den Halbflüglern ist die zum Schnabel gewordene Unter- lippe noch obenein aus mehreren Gliedern zusammengesetzt, während sie bei den Zweiflüglern einen häutigen, weichen Schlauch, einen Saug- rüssel bildet, der meistens gänzlich zurückgezogen werden kann. Die oft ganz rudimentäre Zunge wird schon bei manchen Käfern so groß, daß sie stets aus dem Munde hervorragt, und bei den Hautflüglern erreicht sie den höchsten Grad ihrer Entwicklung, indem sie zu einem langen, gegliederten Schöpfrüssel wird, der wesentlich zur Ernäh- rung dieser Thiere und zum Aufsammeln des Honigs beiträgt.
Durch die vielfachen Reduktionen einzelner dieser Mundwerkzeuge bei vorherrschender Ausbildung anderer ist eine unendliche Mannigfal- tigkeit vorbereitet, die durch den Wechsel der Gestalt bei den einzelnen Theilen noch erhöht wird. Es gibt manche Insekten, welchen im voll- kommenen Zustande die Mundwerkzeuge gänzlich abgehen, andere, bei welchen einzelne Theile gänzlich fehlen; bei den meisten aber sind die Hauptstücke, welche wir erwähnten, alle vorhanden, und ihre relative Lagerung zu einander und zu der Mundöffnung bietet bei genauerer Untersuchung den Faden, an dem man zu ihrer richtigen Erkenntniß sich leiten kann.
Die Brust (thorax siehe Fig. 578) trägt, wie wir schon oben bemerkten, in allen Fällen die Bewegungsorgane, indem an der Ober- fläche ihrer drei Ringe die Flügel, an der Unterfläche die Füße ein- gelenkt sind. Die Brust ist im Ganzen gewöhnlich die größte der drei Körperabtheilungen, was freilich bei denjenigen Insekten, die harte Flügeldecken besitzen, (wie z. B. den Käfern) nur auf der Unterfläche erkannt werden kann, indem dann die Flügeldecken über die Mittel- und Hinterbrust sich ausdehnen. In den meisten Fällen ist es leicht, die drei Ringe, welche man mit dem Namen der Vorderbrust(pro- thorax), der Mittelbrust(mesothorax) und der Hinterbrust (metathorax) unterscheidet, trotz ihrer häufigen Verwachsungen zu er- kennen; und ebenso kann man sehr häufig die einzelnen Stücke unter- scheiden, aus welchen jeder einzelne dieser Ringe wieder zusammenge- setzt ist. Bei den Beschreibungen werden meist nur die Unterfläche der Brust, das sogenannte Brustbein(sternum), und die Rücken- fläche in das Auge gefaßt, so daß wir über die weitere Zusammen- setzung der einzelnen Brustringe, die äußerst complicirt ist, hier hin- weggehen können. Sehr verschieden sind die gegenseitigen Verhältnisse der einzelnen Ringe, da ihre Entwicklung besonders in Beziehung steht zu den Funktionen der Bewegungswerkzeuge, die an ihnen befestigt
gen. Bei den Halbflüglern iſt die zum Schnabel gewordene Unter- lippe noch obenein aus mehreren Gliedern zuſammengeſetzt, während ſie bei den Zweiflüglern einen häutigen, weichen Schlauch, einen Saug- rüſſel bildet, der meiſtens gänzlich zurückgezogen werden kann. Die oft ganz rudimentäre Zunge wird ſchon bei manchen Käfern ſo groß, daß ſie ſtets aus dem Munde hervorragt, und bei den Hautflüglern erreicht ſie den höchſten Grad ihrer Entwicklung, indem ſie zu einem langen, gegliederten Schöpfrüſſel wird, der weſentlich zur Ernäh- rung dieſer Thiere und zum Aufſammeln des Honigs beiträgt.
Durch die vielfachen Reduktionen einzelner dieſer Mundwerkzeuge bei vorherrſchender Ausbildung anderer iſt eine unendliche Mannigfal- tigkeit vorbereitet, die durch den Wechſel der Geſtalt bei den einzelnen Theilen noch erhöht wird. Es gibt manche Inſekten, welchen im voll- kommenen Zuſtande die Mundwerkzeuge gänzlich abgehen, andere, bei welchen einzelne Theile gänzlich fehlen; bei den meiſten aber ſind die Hauptſtücke, welche wir erwähnten, alle vorhanden, und ihre relative Lagerung zu einander und zu der Mundöffnung bietet bei genauerer Unterſuchung den Faden, an dem man zu ihrer richtigen Erkenntniß ſich leiten kann.
Die Bruſt (thorax ſiehe Fig. 578) trägt, wie wir ſchon oben bemerkten, in allen Fällen die Bewegungsorgane, indem an der Ober- fläche ihrer drei Ringe die Flügel, an der Unterfläche die Füße ein- gelenkt ſind. Die Bruſt iſt im Ganzen gewöhnlich die größte der drei Körperabtheilungen, was freilich bei denjenigen Inſekten, die harte Flügeldecken beſitzen, (wie z. B. den Käfern) nur auf der Unterfläche erkannt werden kann, indem dann die Flügeldecken über die Mittel- und Hinterbruſt ſich ausdehnen. In den meiſten Fällen iſt es leicht, die drei Ringe, welche man mit dem Namen der Vorderbruſt(pro- thorax), der Mittelbruſt(mesothorax) und der Hinterbruſt (metathorax) unterſcheidet, trotz ihrer häufigen Verwachſungen zu er- kennen; und ebenſo kann man ſehr häufig die einzelnen Stücke unter- ſcheiden, aus welchen jeder einzelne dieſer Ringe wieder zuſammenge- ſetzt iſt. Bei den Beſchreibungen werden meiſt nur die Unterfläche der Bruſt, das ſogenannte Bruſtbein(sternum), und die Rücken- fläche in das Auge gefaßt, ſo daß wir über die weitere Zuſammen- ſetzung der einzelnen Bruſtringe, die äußerſt complicirt iſt, hier hin- weggehen können. Sehr verſchieden ſind die gegenſeitigen Verhältniſſe der einzelnen Ringe, da ihre Entwicklung beſonders in Beziehung ſteht zu den Funktionen der Bewegungswerkzeuge, die an ihnen befeſtigt
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gen. Bei den Halbflüglern iſt die zum Schnabel gewordene Unter-
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ſie bei den Zweiflüglern einen häutigen, weichen Schlauch, einen Saug-
rüſſel bildet, der meiſtens gänzlich zurückgezogen werden kann. Die
oft ganz rudimentäre Zunge wird ſchon bei manchen Käfern ſo groß,
daß ſie ſtets aus dem Munde hervorragt, und bei den Hautflüglern
erreicht ſie den höchſten Grad ihrer Entwicklung, indem ſie zu einem
langen, gegliederten Schöpfrüſſel wird, der weſentlich zur Ernäh-
rung dieſer Thiere und zum Aufſammeln des Honigs beiträgt.
Durch die vielfachen Reduktionen einzelner dieſer Mundwerkzeuge
bei vorherrſchender Ausbildung anderer iſt eine unendliche Mannigfal-
tigkeit vorbereitet, die durch den Wechſel der Geſtalt bei den einzelnen
Theilen noch erhöht wird. Es gibt manche Inſekten, welchen im voll-
kommenen Zuſtande die Mundwerkzeuge gänzlich abgehen, andere, bei
welchen einzelne Theile gänzlich fehlen; bei den meiſten aber ſind die
Hauptſtücke, welche wir erwähnten, alle vorhanden, und ihre relative
Lagerung zu einander und zu der Mundöffnung bietet bei genauerer
Unterſuchung den Faden, an dem man zu ihrer richtigen Erkenntniß
ſich leiten kann.
Die Bruſt (thorax ſiehe Fig. 578) trägt, wie wir ſchon oben
bemerkten, in allen Fällen die Bewegungsorgane, indem an der Ober-
fläche ihrer drei Ringe die Flügel, an der Unterfläche die Füße ein-
gelenkt ſind. Die Bruſt iſt im Ganzen gewöhnlich die größte der
drei Körperabtheilungen, was freilich bei denjenigen Inſekten, die harte
Flügeldecken beſitzen, (wie z. B. den Käfern) nur auf der Unterfläche
erkannt werden kann, indem dann die Flügeldecken über die Mittel- und
Hinterbruſt ſich ausdehnen. In den meiſten Fällen iſt es leicht, die
drei Ringe, welche man mit dem Namen der Vorderbruſt (pro-
thorax), der Mittelbruſt (mesothorax) und der Hinterbruſt
(metathorax) unterſcheidet, trotz ihrer häufigen Verwachſungen zu er-
kennen; und ebenſo kann man ſehr häufig die einzelnen Stücke unter-
ſcheiden, aus welchen jeder einzelne dieſer Ringe wieder zuſammenge-
ſetzt iſt. Bei den Beſchreibungen werden meiſt nur die Unterfläche
der Bruſt, das ſogenannte Bruſtbein (sternum), und die Rücken-
fläche in das Auge gefaßt, ſo daß wir über die weitere Zuſammen-
ſetzung der einzelnen Bruſtringe, die äußerſt complicirt iſt, hier hin-
weggehen können. Sehr verſchieden ſind die gegenſeitigen Verhältniſſe
der einzelnen Ringe, da ihre Entwicklung beſonders in Beziehung ſteht
zu den Funktionen der Bewegungswerkzeuge, die an ihnen befeſtigt
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 523. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/529>, abgerufen am 23.12.2024.
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