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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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Membran übrigbleibt. Bei vielen Insekten verästeln sich die Luftröhren
mit stets dünner werdenden Zweigen allmählig, indem sie zahlreiche
Verbindungen unter einander eingehen. Bei anderen dagegen erwei-
tern sie sich oft zu vielfachen Luftblasen, die namentlich bei den durch
raschen und kräftigen Flug ausgezeichneten Thieren oft eine ungemeine
Größe erreichen, und manchmal einen großen Theil des Hinterleibes
ausfüllen. In der Anordnung der Stämme kann man zwei wesent-
liche Modificationen unterscheiden. Gewöhnlich laufen zu beiden Sei-
ten des Bauchmarkes zwei große, weite Stämme hin, in welche die
von den Stigmen herkommenden queren Luftstämme einmünden und
von welchen aus die Luftröhren an die verschiedenen Organe des
Körpers strahlen; -- bei der anderen, weniger häufig vorkommenden
Form verästeln sich die aus dem Stigma hervortretenden Luftröhren
unmittelbar an die Körperorgane, jedoch nicht ohne seitliche Verbin-
dungsstämme zu einander zu schicken. Die Rollen von Blut und Luft
verhalten sich demnach bei den Insekten durchaus anders, wie bei
den luftathmenden Wirbelthieren. Hier vertheilt sich das Blut durch
Gefäße an alle Organe des Körpers; die Luft tritt in einem beson-
deren, beschränkten Organe hinzu, und wird durch den Blutstrom in
alle Theile des Körpers geführt. Bei den Insekten hingegen umspült
das Blut frei alle Organe des Körpers, und die Luft wird mittelst
eigener Gefäße durch die Blutflüssigkeit hindurch zu den Organen
geführt.

Mit Ausnahme der Blattläuse, bei welchen während des Som-
mers eine geschlechtslose Zeugung durch eigene Ammenindividuen vor-
kommt, die ohne vorgängige Befruchtung lebendige Junge gebären,
gibt es bei den Insekten nur Männchen und Weibchen, die zur
Erzeugung von Nachkommenschaft sich begatten müssen. Bei einigen
in Gesellschaften lebenden Insekten kommen freilich sogenannte Ge-
schlechtslose
vor, die aber stets nur verkümmerte Weibchen sind,
deren Eierstöcke und Begattungswerkzeuge auf derjenigen Stufe der
Entwicklung stehen geblieben sind, welche sie in dem Larvenzustande
hatten. Bei den weiblichen Insekten finden sich stets zwei aus Röh-
ren zusammengesetzte Eierstöcke, die mittelst kurzer Eileiter in die
Scheide einmünden. Die Eierstocksröhren zeigen äußerst mannigfal-
tige Verhältnisse hinsichtlich ihrer Länge, Zahl und Gruppirung, und
die Eier bilden sich bei den meisten Insekten in sehr eigenthümlicher
Weise. Die Keimbläschen sind zuerst vorhanden und umgeben sich
dann mit Dottermasse, so daß man deutlich die Keimbläschen mit

Membran übrigbleibt. Bei vielen Inſekten veräſteln ſich die Luftröhren
mit ſtets dünner werdenden Zweigen allmählig, indem ſie zahlreiche
Verbindungen unter einander eingehen. Bei anderen dagegen erwei-
tern ſie ſich oft zu vielfachen Luftblaſen, die namentlich bei den durch
raſchen und kräftigen Flug ausgezeichneten Thieren oft eine ungemeine
Größe erreichen, und manchmal einen großen Theil des Hinterleibes
ausfüllen. In der Anordnung der Stämme kann man zwei weſent-
liche Modificationen unterſcheiden. Gewöhnlich laufen zu beiden Sei-
ten des Bauchmarkes zwei große, weite Stämme hin, in welche die
von den Stigmen herkommenden queren Luftſtämme einmünden und
von welchen aus die Luftröhren an die verſchiedenen Organe des
Körpers ſtrahlen; — bei der anderen, weniger häufig vorkommenden
Form veräſteln ſich die aus dem Stigma hervortretenden Luftröhren
unmittelbar an die Körperorgane, jedoch nicht ohne ſeitliche Verbin-
dungsſtämme zu einander zu ſchicken. Die Rollen von Blut und Luft
verhalten ſich demnach bei den Inſekten durchaus anders, wie bei
den luftathmenden Wirbelthieren. Hier vertheilt ſich das Blut durch
Gefäße an alle Organe des Körpers; die Luft tritt in einem beſon-
deren, beſchränkten Organe hinzu, und wird durch den Blutſtrom in
alle Theile des Körpers geführt. Bei den Inſekten hingegen umſpült
das Blut frei alle Organe des Körpers, und die Luft wird mittelſt
eigener Gefäße durch die Blutflüſſigkeit hindurch zu den Organen
geführt.

Mit Ausnahme der Blattläuſe, bei welchen während des Som-
mers eine geſchlechtsloſe Zeugung durch eigene Ammenindividuen vor-
kommt, die ohne vorgängige Befruchtung lebendige Junge gebären,
gibt es bei den Inſekten nur Männchen und Weibchen, die zur
Erzeugung von Nachkommenſchaft ſich begatten müſſen. Bei einigen
in Geſellſchaften lebenden Inſekten kommen freilich ſogenannte Ge-
ſchlechtsloſe
vor, die aber ſtets nur verkümmerte Weibchen ſind,
deren Eierſtöcke und Begattungswerkzeuge auf derjenigen Stufe der
Entwicklung ſtehen geblieben ſind, welche ſie in dem Larvenzuſtande
hatten. Bei den weiblichen Inſekten finden ſich ſtets zwei aus Röh-
ren zuſammengeſetzte Eierſtöcke, die mittelſt kurzer Eileiter in die
Scheide einmünden. Die Eierſtocksröhren zeigen äußerſt mannigfal-
tige Verhältniſſe hinſichtlich ihrer Länge, Zahl und Gruppirung, und
die Eier bilden ſich bei den meiſten Inſekten in ſehr eigenthümlicher
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[540/0546] Membran übrigbleibt. Bei vielen Inſekten veräſteln ſich die Luftröhren mit ſtets dünner werdenden Zweigen allmählig, indem ſie zahlreiche Verbindungen unter einander eingehen. Bei anderen dagegen erwei- tern ſie ſich oft zu vielfachen Luftblaſen, die namentlich bei den durch raſchen und kräftigen Flug ausgezeichneten Thieren oft eine ungemeine Größe erreichen, und manchmal einen großen Theil des Hinterleibes ausfüllen. In der Anordnung der Stämme kann man zwei weſent- liche Modificationen unterſcheiden. Gewöhnlich laufen zu beiden Sei- ten des Bauchmarkes zwei große, weite Stämme hin, in welche die von den Stigmen herkommenden queren Luftſtämme einmünden und von welchen aus die Luftröhren an die verſchiedenen Organe des Körpers ſtrahlen; — bei der anderen, weniger häufig vorkommenden Form veräſteln ſich die aus dem Stigma hervortretenden Luftröhren unmittelbar an die Körperorgane, jedoch nicht ohne ſeitliche Verbin- dungsſtämme zu einander zu ſchicken. Die Rollen von Blut und Luft verhalten ſich demnach bei den Inſekten durchaus anders, wie bei den luftathmenden Wirbelthieren. Hier vertheilt ſich das Blut durch Gefäße an alle Organe des Körpers; die Luft tritt in einem beſon- deren, beſchränkten Organe hinzu, und wird durch den Blutſtrom in alle Theile des Körpers geführt. Bei den Inſekten hingegen umſpült das Blut frei alle Organe des Körpers, und die Luft wird mittelſt eigener Gefäße durch die Blutflüſſigkeit hindurch zu den Organen geführt. Mit Ausnahme der Blattläuſe, bei welchen während des Som- mers eine geſchlechtsloſe Zeugung durch eigene Ammenindividuen vor- kommt, die ohne vorgängige Befruchtung lebendige Junge gebären, gibt es bei den Inſekten nur Männchen und Weibchen, die zur Erzeugung von Nachkommenſchaft ſich begatten müſſen. Bei einigen in Geſellſchaften lebenden Inſekten kommen freilich ſogenannte Ge- ſchlechtsloſe vor, die aber ſtets nur verkümmerte Weibchen ſind, deren Eierſtöcke und Begattungswerkzeuge auf derjenigen Stufe der Entwicklung ſtehen geblieben ſind, welche ſie in dem Larvenzuſtande hatten. Bei den weiblichen Inſekten finden ſich ſtets zwei aus Röh- ren zuſammengeſetzte Eierſtöcke, die mittelſt kurzer Eileiter in die Scheide einmünden. Die Eierſtocksröhren zeigen äußerſt mannigfal- tige Verhältniſſe hinſichtlich ihrer Länge, Zahl und Gruppirung, und die Eier bilden ſich bei den meiſten Inſekten in ſehr eigenthümlicher Weiſe. Die Keimbläschen ſind zuerſt vorhanden und umgeben ſich dann mit Dottermaſſe, ſo daß man deutlich die Keimbläschen mit

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 540. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/546>, abgerufen am 23.12.2024.