wickeln. Nach den Drohnenzellen erst bauen die Arbeiter einige we- nige Zellen, höchstens sechs bis zehn, von der Form einer Flasche oder einer langgestreckten Birne, die irgendwo an die Waben angeklebt werden, senkrecht mit der Oeffnung nach unten schauen, und zur Er- ziehung von Königinnen bestimmt sind. Eine einzige solche Zelle ent- hält etwa soviel Wachs, als hundert Arbeiterzellen. Die Königin legt zuletzt in jede dieser Zellen ein weibliches Ei und stirbt dann. Die Eier entwickeln sich mit verschiedener Schnelligkeit. Die ganze Entwicklungszeit von dem Legen des Eies an bis zum Ausschlüpfen der vollkommnen Biene beträgt für eine Königin sechszehn Tage, für eine Arbeiterin zwanzig Tage, für eine Drohne vier und zwanzig Tage. Während der Larvenzeit werden die fußlosen weichen Würm- chen von den Arbeiterinnen sehr sorgsam gefüttert, und die Zelle, so- bald sie sich verpuppen, mit einem Wachsdeckel geschlossen. Die erste der auskriechenden Königinnen tödtet sogleich nach ihrer Geburt die noch in der Zelle eingeschlossenen weiblichen Puppen und bleibt fortan an der Spitze der Gesellschaft; -- schlüpfen mehrere Weibchen zugleich aus, so kämpfen sie so lange unter einander, bis eine überbleibt; ist aber unglücklicher Weise die alte Königin so lange am Leben geblie- ben, bis die jungen Königinnen ausschlüpfen, so werden diese letzteren von ihr ohne Gnade umgebracht, ohne daß die Arbeiter sich wider- setzen. Da die alte Königin aber dann unfähig ist, ferner noch Eier zu legen, so zerstreut sich die Gesellschaft entweder bei ihrem Tode, oder aber die Arbeiter bilden sich dadurch eine neue Königin, daß sie eine Arbeiterlarve, die noch nicht drei Tage alt ist, in eine königliche Zelle bringen und mit königlichem Futter nähren; -- in diesem Falle entwickeln sich die Geschlechtstheile, während dieselben bei dem gewöhn- lichen Arbeiterfutter rudimentär bleiben. Die junge Königin verläßt bald nach ihrer Geburt in Begleitung der Drohnen den Stock, be- gattet sich, wie dieß die meisten Hautflügler thun, hoch oben in der Luft, kehrt dann in den Stock zurück und legt nun Eier in derselben Reihenfolge, zuerst Arbeitereier, dann Drohneneier, zuletzt Eier für Königinnen. Die Puppen der letzten werden aber zur Zeit des Aus- schlüpfens von den Arbeitern beschützt, und die Königin von ihrer Tödtung zurückgehalten. Sobald sie dieß bemerkt, verläßt sie mit den älteren Arbeitern den Stock, und bildet einen neuen Schwarm, indem sie während des ganzes Jahres nur Arbeitereier legt, bis zum näch- sten Frühjahre, wo derselbe Kreislauf der Erscheinungen beginnt, den wir bisher beschrieben. Während des Winters hören die Arbeiten in
wickeln. Nach den Drohnenzellen erſt bauen die Arbeiter einige we- nige Zellen, höchſtens ſechs bis zehn, von der Form einer Flaſche oder einer langgeſtreckten Birne, die irgendwo an die Waben angeklebt werden, ſenkrecht mit der Oeffnung nach unten ſchauen, und zur Er- ziehung von Königinnen beſtimmt ſind. Eine einzige ſolche Zelle ent- hält etwa ſoviel Wachs, als hundert Arbeiterzellen. Die Königin legt zuletzt in jede dieſer Zellen ein weibliches Ei und ſtirbt dann. Die Eier entwickeln ſich mit verſchiedener Schnelligkeit. Die ganze Entwicklungszeit von dem Legen des Eies an bis zum Ausſchlüpfen der vollkommnen Biene beträgt für eine Königin ſechszehn Tage, für eine Arbeiterin zwanzig Tage, für eine Drohne vier und zwanzig Tage. Während der Larvenzeit werden die fußloſen weichen Würm- chen von den Arbeiterinnen ſehr ſorgſam gefüttert, und die Zelle, ſo- bald ſie ſich verpuppen, mit einem Wachsdeckel geſchloſſen. Die erſte der auskriechenden Königinnen tödtet ſogleich nach ihrer Geburt die noch in der Zelle eingeſchloſſenen weiblichen Puppen und bleibt fortan an der Spitze der Geſellſchaft; — ſchlüpfen mehrere Weibchen zugleich aus, ſo kämpfen ſie ſo lange unter einander, bis eine überbleibt; iſt aber unglücklicher Weiſe die alte Königin ſo lange am Leben geblie- ben, bis die jungen Königinnen ausſchlüpfen, ſo werden dieſe letzteren von ihr ohne Gnade umgebracht, ohne daß die Arbeiter ſich wider- ſetzen. Da die alte Königin aber dann unfähig iſt, ferner noch Eier zu legen, ſo zerſtreut ſich die Geſellſchaft entweder bei ihrem Tode, oder aber die Arbeiter bilden ſich dadurch eine neue Königin, daß ſie eine Arbeiterlarve, die noch nicht drei Tage alt iſt, in eine königliche Zelle bringen und mit königlichem Futter nähren; — in dieſem Falle entwickeln ſich die Geſchlechtstheile, während dieſelben bei dem gewöhn- lichen Arbeiterfutter rudimentär bleiben. Die junge Königin verläßt bald nach ihrer Geburt in Begleitung der Drohnen den Stock, be- gattet ſich, wie dieß die meiſten Hautflügler thun, hoch oben in der Luft, kehrt dann in den Stock zurück und legt nun Eier in derſelben Reihenfolge, zuerſt Arbeitereier, dann Drohneneier, zuletzt Eier für Königinnen. Die Puppen der letzten werden aber zur Zeit des Aus- ſchlüpfens von den Arbeitern beſchützt, und die Königin von ihrer Tödtung zurückgehalten. Sobald ſie dieß bemerkt, verläßt ſie mit den älteren Arbeitern den Stock, und bildet einen neuen Schwarm, indem ſie während des ganzes Jahres nur Arbeitereier legt, bis zum näch- ſten Frühjahre, wo derſelbe Kreislauf der Erſcheinungen beginnt, den wir bisher beſchrieben. Während des Winters hören die Arbeiten in
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wickeln. Nach den Drohnenzellen erſt bauen die Arbeiter einige we-
nige Zellen, höchſtens ſechs bis zehn, von der Form einer Flaſche oder
einer langgeſtreckten Birne, die irgendwo an die Waben angeklebt
werden, ſenkrecht mit der Oeffnung nach unten ſchauen, und zur Er-
ziehung von Königinnen beſtimmt ſind. Eine einzige ſolche Zelle ent-
hält etwa ſoviel Wachs, als hundert Arbeiterzellen. Die Königin
legt zuletzt in jede dieſer Zellen ein weibliches Ei und ſtirbt dann.
Die Eier entwickeln ſich mit verſchiedener Schnelligkeit. Die ganze
Entwicklungszeit von dem Legen des Eies an bis zum Ausſchlüpfen
der vollkommnen Biene beträgt für eine Königin ſechszehn Tage, für
eine Arbeiterin zwanzig Tage, für eine Drohne vier und zwanzig
Tage. Während der Larvenzeit werden die fußloſen weichen Würm-
chen von den Arbeiterinnen ſehr ſorgſam gefüttert, und die Zelle, ſo-
bald ſie ſich verpuppen, mit einem Wachsdeckel geſchloſſen. Die erſte
der auskriechenden Königinnen tödtet ſogleich nach ihrer Geburt die
noch in der Zelle eingeſchloſſenen weiblichen Puppen und bleibt fortan
an der Spitze der Geſellſchaft; — ſchlüpfen mehrere Weibchen zugleich
aus, ſo kämpfen ſie ſo lange unter einander, bis eine überbleibt; iſt
aber unglücklicher Weiſe die alte Königin ſo lange am Leben geblie-
ben, bis die jungen Königinnen ausſchlüpfen, ſo werden dieſe letzteren
von ihr ohne Gnade umgebracht, ohne daß die Arbeiter ſich wider-
ſetzen. Da die alte Königin aber dann unfähig iſt, ferner noch Eier
zu legen, ſo zerſtreut ſich die Geſellſchaft entweder bei ihrem Tode,
oder aber die Arbeiter bilden ſich dadurch eine neue Königin, daß ſie
eine Arbeiterlarve, die noch nicht drei Tage alt iſt, in eine königliche
Zelle bringen und mit königlichem Futter nähren; — in dieſem Falle
entwickeln ſich die Geſchlechtstheile, während dieſelben bei dem gewöhn-
lichen Arbeiterfutter rudimentär bleiben. Die junge Königin verläßt
bald nach ihrer Geburt in Begleitung der Drohnen den Stock, be-
gattet ſich, wie dieß die meiſten Hautflügler thun, hoch oben in der
Luft, kehrt dann in den Stock zurück und legt nun Eier in derſelben
Reihenfolge, zuerſt Arbeitereier, dann Drohneneier, zuletzt Eier für
Königinnen. Die Puppen der letzten werden aber zur Zeit des Aus-
ſchlüpfens von den Arbeitern beſchützt, und die Königin von ihrer
Tödtung zurückgehalten. Sobald ſie dieß bemerkt, verläßt ſie mit den
älteren Arbeitern den Stock, und bildet einen neuen Schwarm, indem
ſie während des ganzes Jahres nur Arbeitereier legt, bis zum näch-
ſten Frühjahre, wo derſelbe Kreislauf der Erſcheinungen beginnt, den
wir bisher beſchrieben. Während des Winters hören die Arbeiten in
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 684. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/690>, abgerufen am 23.12.2024.
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