Die Unterschiede, welche sich in der Entwickelung der Haien und Rochen finden, beruhen vorzüglich darauf, daß bei den meisten derselben keine Eier gelegt, sondern lebendige Jungen geboren werden, welche sich innerhalb einer besonderen Erweiterung des Eileiters, die man als Gebärmutter bezeichnen kann, entwickeln. Bei den Seekatzen, so wie bei denjenigen Haien (Scyllium) und Rochen, welche Eier legen, sind diese von einer sehr dicken hornigen Schale eingehüllt, die gewöhnlich viereckig und abgeplattet ist und seitliche Spalten hat, durch welche das Meerwasser in das Innere des Eies eindringen kann. Die ganze Entwickelung des Embryos geht in diesen Eiern erst vor sich, nachdem sie gelegt sind. Bei den lebendig gebärenden Haien fin- den sich zwei verschiedene Gruppen, nach der Bildung des Eies; bei den Einen, wozu namentlich die Hunds- und Menschenhaien gehören (Galeus; Carcharias), besitzt das Ei eine äußerst feine, hornige, durch- scheinende, strukturlose Schale, welche abgeplattet ist und eine lange Hülse bildet, die wohl sieben bis achtmal so groß als der Dotter ist. In der Mitte dieser am Rande gefalteten Eihülse liegt der längliche Dotter, von Eiweiß umgeben, das sich nach der einen Seite band- artig fortsetzt. Dieß Eiweiß zieht außerordentlich viel Flüssigkeit während der Embryonalentwickelung an sich, so daß das Ei bedeutend an Größe und Gewicht zunimmt. Die feine Eischalenhaut erhält sich während der ganzen Entwickelungszeit, während dieselbe bei den Haien ohne Afterflosse und Nickhaut (Mustelus etc.) sehr früh verschwindet und der Embryo ganz nackt in dem Uterus liegt. Eine zweite Eigen- thümlichkeit der Embryonen der Quermäuler besteht in einem gewöhn- lich birnförmigen äußeren Dottersack, der durch einen langen Stiel gerade zwischen den beiden Brustflossen in den Leib übergeht und dort in den Darmkanal einmündet. Bei den meisten Haien und Rochen erweitert sich der Dottergang im Inneren der Bauchhöhle noch zu einem zweiten inneren Dottersacke, welcher indeß einigen Gattungen zu fehlen scheint. Der Stiel des Dottersackes enthält außer dem in den Darm mündenden Dottergange noch eine Arterie und eine Vene, welche die Blutcirkulation auf dem Dotter vermitteln. Bei einer Art der Gattung Mustelus hat man merkwürdigerweise entdeckt, daß auf dem Dottersacke Zotten entstehen, welche in entgegenkommende Zotten der Eileiterwandung eingreifen und Schlingen der Dottergefäße ent- halten, so daß hier ein förmlicher Mutterkuchen, eine Dotterplacenta hergestellt wird, durch welche der Fötus in derselben Weise an die Wand der Gebärmutter geheftet wird, wie der Embryo der Säuge- thiere. Es ist diese Bildung einer Dotterplacenta um so auffallender,
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Die Unterſchiede, welche ſich in der Entwickelung der Haien und Rochen finden, beruhen vorzüglich darauf, daß bei den meiſten derſelben keine Eier gelegt, ſondern lebendige Jungen geboren werden, welche ſich innerhalb einer beſonderen Erweiterung des Eileiters, die man als Gebärmutter bezeichnen kann, entwickeln. Bei den Seekatzen, ſo wie bei denjenigen Haien (Scyllium) und Rochen, welche Eier legen, ſind dieſe von einer ſehr dicken hornigen Schale eingehüllt, die gewöhnlich viereckig und abgeplattet iſt und ſeitliche Spalten hat, durch welche das Meerwaſſer in das Innere des Eies eindringen kann. Die ganze Entwickelung des Embryos geht in dieſen Eiern erſt vor ſich, nachdem ſie gelegt ſind. Bei den lebendig gebärenden Haien fin- den ſich zwei verſchiedene Gruppen, nach der Bildung des Eies; bei den Einen, wozu namentlich die Hunds- und Menſchenhaien gehören (Galeus; Carcharias), beſitzt das Ei eine äußerſt feine, hornige, durch- ſcheinende, ſtrukturloſe Schale, welche abgeplattet iſt und eine lange Hülſe bildet, die wohl ſieben bis achtmal ſo groß als der Dotter iſt. In der Mitte dieſer am Rande gefalteten Eihülſe liegt der längliche Dotter, von Eiweiß umgeben, das ſich nach der einen Seite band- artig fortſetzt. Dieß Eiweiß zieht außerordentlich viel Flüſſigkeit während der Embryonalentwickelung an ſich, ſo daß das Ei bedeutend an Größe und Gewicht zunimmt. Die feine Eiſchalenhaut erhält ſich während der ganzen Entwickelungszeit, während dieſelbe bei den Haien ohne Afterfloſſe und Nickhaut (Mustelus etc.) ſehr früh verſchwindet und der Embryo ganz nackt in dem Uterus liegt. Eine zweite Eigen- thümlichkeit der Embryonen der Quermäuler beſteht in einem gewöhn- lich birnförmigen äußeren Dotterſack, der durch einen langen Stiel gerade zwiſchen den beiden Bruſtfloſſen in den Leib übergeht und dort in den Darmkanal einmündet. Bei den meiſten Haien und Rochen erweitert ſich der Dottergang im Inneren der Bauchhöhle noch zu einem zweiten inneren Dotterſacke, welcher indeß einigen Gattungen zu fehlen ſcheint. Der Stiel des Dotterſackes enthält außer dem in den Darm mündenden Dottergange noch eine Arterie und eine Vene, welche die Blutcirkulation auf dem Dotter vermitteln. Bei einer Art der Gattung Mustelus hat man merkwürdigerweiſe entdeckt, daß auf dem Dotterſacke Zotten entſtehen, welche in entgegenkommende Zotten der Eileiterwandung eingreifen und Schlingen der Dottergefäße ent- halten, ſo daß hier ein förmlicher Mutterkuchen, eine Dotterplacenta hergeſtellt wird, durch welche der Fötus in derſelben Weiſe an die Wand der Gebärmutter geheftet wird, wie der Embryo der Säuge- thiere. Es iſt dieſe Bildung einer Dotterplacenta um ſo auffallender,
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Die Unterſchiede, welche ſich in der Entwickelung der Haien
und Rochen finden, beruhen vorzüglich darauf, daß bei den meiſten
derſelben keine Eier gelegt, ſondern lebendige Jungen geboren werden,
welche ſich innerhalb einer beſonderen Erweiterung des Eileiters, die
man als Gebärmutter bezeichnen kann, entwickeln. Bei den Seekatzen,
ſo wie bei denjenigen Haien (Scyllium) und Rochen, welche Eier
legen, ſind dieſe von einer ſehr dicken hornigen Schale eingehüllt, die
gewöhnlich viereckig und abgeplattet iſt und ſeitliche Spalten hat, durch
welche das Meerwaſſer in das Innere des Eies eindringen kann.
Die ganze Entwickelung des Embryos geht in dieſen Eiern erſt vor
ſich, nachdem ſie gelegt ſind. Bei den lebendig gebärenden Haien fin-
den ſich zwei verſchiedene Gruppen, nach der Bildung des Eies; bei
den Einen, wozu namentlich die Hunds- und Menſchenhaien gehören
(Galeus; Carcharias), beſitzt das Ei eine äußerſt feine, hornige, durch-
ſcheinende, ſtrukturloſe Schale, welche abgeplattet iſt und eine lange
Hülſe bildet, die wohl ſieben bis achtmal ſo groß als der Dotter iſt.
In der Mitte dieſer am Rande gefalteten Eihülſe liegt der längliche
Dotter, von Eiweiß umgeben, das ſich nach der einen Seite band-
artig fortſetzt. Dieß Eiweiß zieht außerordentlich viel Flüſſigkeit
während der Embryonalentwickelung an ſich, ſo daß das Ei bedeutend
an Größe und Gewicht zunimmt. Die feine Eiſchalenhaut erhält ſich
während der ganzen Entwickelungszeit, während dieſelbe bei den Haien
ohne Afterfloſſe und Nickhaut (Mustelus etc.) ſehr früh verſchwindet
und der Embryo ganz nackt in dem Uterus liegt. Eine zweite Eigen-
thümlichkeit der Embryonen der Quermäuler beſteht in einem gewöhn-
lich birnförmigen äußeren Dotterſack, der durch einen langen Stiel
gerade zwiſchen den beiden Bruſtfloſſen in den Leib übergeht und dort
in den Darmkanal einmündet. Bei den meiſten Haien und Rochen
erweitert ſich der Dottergang im Inneren der Bauchhöhle noch zu
einem zweiten inneren Dotterſacke, welcher indeß einigen Gattungen
zu fehlen ſcheint. Der Stiel des Dotterſackes enthält außer dem in
den Darm mündenden Dottergange noch eine Arterie und eine Vene,
welche die Blutcirkulation auf dem Dotter vermitteln. Bei einer Art
der Gattung Mustelus hat man merkwürdigerweiſe entdeckt, daß auf
dem Dotterſacke Zotten entſtehen, welche in entgegenkommende Zotten
der Eileiterwandung eingreifen und Schlingen der Dottergefäße ent-
halten, ſo daß hier ein förmlicher Mutterkuchen, eine Dotterplacenta
hergeſtellt wird, durch welche der Fötus in derſelben Weiſe an die
Wand der Gebärmutter geheftet wird, wie der Embryo der Säuge-
thiere. Es iſt dieſe Bildung einer Dotterplacenta um ſo auffallender,
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/105>, abgerufen am 27.11.2024.
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