Bei den meisten Wirbelthieren kommen sämmtliche Sinnesor- gane in mehr oder minder vollständiger Ausbildung vor. Am weitesten verbreitet ist das Ohr, indem man bis jetzt nur ein einziges Wirbelthier und zwar das niedrigste von allen kennt, welchem das Ohr fehlte, während das Auge öfter gänzlich mangelt und auch die Nase, wenn zwar nicht fehlt, so doch ihrer Bestimmung als Sinnes- organ zuweilen entrückt ist und nur einen Luftweg für die Athmung bildet. Hinsichtlich der inneren Ausbildung lassen sich bei allen Sin- nesorganen, die stets nur paarweise vorhanden sind, mancherlei Stu- fen nachweisen. So bildet die Nase bei den auf Wasserathmung angewiesenen Wirbelthieren einen geschlossenen Blindsack, während sie bei den Luftathmern stets in den Gaumen geöffnet erscheint und somit auch bei geschlossenem Maule einen Luftweg für die Lungen herstellt; -- während bei mangelnder Ausbildung des Geruches sie sich nur als einfache Röhre oder Blindsack zeigt, entwickelt sie bei höherer Ausbil- dung dieses Sinnes vielfache Nebenhöhlen und gewundene Räume, auf deren auskleidender Schleimhaut der Riechnerv sich ausbreitet. Das Auge ist zwar überall mit Muskeln versehen, die aber bei den niederen Typen nur eine äußerst geringe Beweglichkeit zeigen, während zugleich die Schutzapparate und namentlich die Lider gänzlich fehlen oder nur mangelhaft entwickelt sind; erst bei den höchsten Formen findet sich eine solche Stellung der Augen, daß dieselben gleichzeitig auf einen Punkt gerichtet werden können, so wie jene innere Ausbil- dung, die namentlich der Regenbogenhaut eine sehr große Empfindlich- keit und ein lebhaftes Anpassungsvermögen an die verschiedenen Licht- grade zukommen läßt. Noch mehr als bei den übrigen Sinnesorga- nen fällt die allmälige Ausbildung des Ohres auf, indem dasselbe Anfangs nur aus dem Labyrinthsäckchen und einigen halbzirkelförmigen Kanälen besteht und tief im Inneren des Schädels verborgen, von Knochen und Knorpeln eingeschlossen und von Muskeln und Haut überdeckt, liegt. Erst nach und nach gesellt sich eine Schnecke zu dem inneren Ohre, sowie ein mittleres Ohr, aus der Paukenhöhle und den dazu gehörigen Theilen bestehend. Dieses mittlere Ohr tritt nach und nach an die Oberfläche der Schädels heran und bei den höchsten Typen endlich entwickelt sich ein äußeres Ohr, ein Schalltrichter, über die Fläche des Schädels erhaben und oft äußerst beweglich, bestimmt, die Schallwellen zu dem Trommelfelle hinzuleiten.
Die Verdauungsorgane sind überall bei den Wirbelthieren nach demselben Typus gebaut, die Mundöffnung stets an dem vorde- ren Theile des Körpers, meist etwas auf der Bauchfläche angebracht
Bei den meiſten Wirbelthieren kommen ſämmtliche Sinnesor- gane in mehr oder minder vollſtändiger Ausbildung vor. Am weiteſten verbreitet iſt das Ohr, indem man bis jetzt nur ein einziges Wirbelthier und zwar das niedrigſte von allen kennt, welchem das Ohr fehlte, während das Auge öfter gänzlich mangelt und auch die Naſe, wenn zwar nicht fehlt, ſo doch ihrer Beſtimmung als Sinnes- organ zuweilen entrückt iſt und nur einen Luftweg für die Athmung bildet. Hinſichtlich der inneren Ausbildung laſſen ſich bei allen Sin- nesorganen, die ſtets nur paarweiſe vorhanden ſind, mancherlei Stu- fen nachweiſen. So bildet die Naſe bei den auf Waſſerathmung angewieſenen Wirbelthieren einen geſchloſſenen Blindſack, während ſie bei den Luftathmern ſtets in den Gaumen geöffnet erſcheint und ſomit auch bei geſchloſſenem Maule einen Luftweg für die Lungen herſtellt; — während bei mangelnder Ausbildung des Geruches ſie ſich nur als einfache Röhre oder Blindſack zeigt, entwickelt ſie bei höherer Ausbil- dung dieſes Sinnes vielfache Nebenhöhlen und gewundene Räume, auf deren auskleidender Schleimhaut der Riechnerv ſich ausbreitet. Das Auge iſt zwar überall mit Muskeln verſehen, die aber bei den niederen Typen nur eine äußerſt geringe Beweglichkeit zeigen, während zugleich die Schutzapparate und namentlich die Lider gänzlich fehlen oder nur mangelhaft entwickelt ſind; erſt bei den höchſten Formen findet ſich eine ſolche Stellung der Augen, daß dieſelben gleichzeitig auf einen Punkt gerichtet werden können, ſo wie jene innere Ausbil- dung, die namentlich der Regenbogenhaut eine ſehr große Empfindlich- keit und ein lebhaftes Anpaſſungsvermögen an die verſchiedenen Licht- grade zukommen läßt. Noch mehr als bei den übrigen Sinnesorga- nen fällt die allmälige Ausbildung des Ohres auf, indem daſſelbe Anfangs nur aus dem Labyrinthſäckchen und einigen halbzirkelförmigen Kanälen beſteht und tief im Inneren des Schädels verborgen, von Knochen und Knorpeln eingeſchloſſen und von Muskeln und Haut überdeckt, liegt. Erſt nach und nach geſellt ſich eine Schnecke zu dem inneren Ohre, ſowie ein mittleres Ohr, aus der Paukenhöhle und den dazu gehörigen Theilen beſtehend. Dieſes mittlere Ohr tritt nach und nach an die Oberfläche der Schädels heran und bei den höchſten Typen endlich entwickelt ſich ein äußeres Ohr, ein Schalltrichter, über die Fläche des Schädels erhaben und oft äußerſt beweglich, beſtimmt, die Schallwellen zu dem Trommelfelle hinzuleiten.
Die Verdauungsorgane ſind überall bei den Wirbelthieren nach demſelben Typus gebaut, die Mundöffnung ſtets an dem vorde- ren Theile des Körpers, meiſt etwas auf der Bauchfläche angebracht
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Bei den meiſten Wirbelthieren kommen ſämmtliche Sinnesor-
gane in mehr oder minder vollſtändiger Ausbildung vor. Am
weiteſten verbreitet iſt das Ohr, indem man bis jetzt nur ein einziges
Wirbelthier und zwar das niedrigſte von allen kennt, welchem das
Ohr fehlte, während das Auge öfter gänzlich mangelt und auch die
Naſe, wenn zwar nicht fehlt, ſo doch ihrer Beſtimmung als Sinnes-
organ zuweilen entrückt iſt und nur einen Luftweg für die Athmung
bildet. Hinſichtlich der inneren Ausbildung laſſen ſich bei allen Sin-
nesorganen, die ſtets nur paarweiſe vorhanden ſind, mancherlei Stu-
fen nachweiſen. So bildet die Naſe bei den auf Waſſerathmung
angewieſenen Wirbelthieren einen geſchloſſenen Blindſack, während ſie
bei den Luftathmern ſtets in den Gaumen geöffnet erſcheint und ſomit
auch bei geſchloſſenem Maule einen Luftweg für die Lungen herſtellt; —
während bei mangelnder Ausbildung des Geruches ſie ſich nur als
einfache Röhre oder Blindſack zeigt, entwickelt ſie bei höherer Ausbil-
dung dieſes Sinnes vielfache Nebenhöhlen und gewundene Räume,
auf deren auskleidender Schleimhaut der Riechnerv ſich ausbreitet.
Das Auge iſt zwar überall mit Muskeln verſehen, die aber bei den
niederen Typen nur eine äußerſt geringe Beweglichkeit zeigen, während
zugleich die Schutzapparate und namentlich die Lider gänzlich fehlen
oder nur mangelhaft entwickelt ſind; erſt bei den höchſten Formen
findet ſich eine ſolche Stellung der Augen, daß dieſelben gleichzeitig
auf einen Punkt gerichtet werden können, ſo wie jene innere Ausbil-
dung, die namentlich der Regenbogenhaut eine ſehr große Empfindlich-
keit und ein lebhaftes Anpaſſungsvermögen an die verſchiedenen Licht-
grade zukommen läßt. Noch mehr als bei den übrigen Sinnesorga-
nen fällt die allmälige Ausbildung des Ohres auf, indem daſſelbe
Anfangs nur aus dem Labyrinthſäckchen und einigen halbzirkelförmigen
Kanälen beſteht und tief im Inneren des Schädels verborgen, von
Knochen und Knorpeln eingeſchloſſen und von Muskeln und Haut
überdeckt, liegt. Erſt nach und nach geſellt ſich eine Schnecke zu dem
inneren Ohre, ſowie ein mittleres Ohr, aus der Paukenhöhle und
den dazu gehörigen Theilen beſtehend. Dieſes mittlere Ohr tritt nach
und nach an die Oberfläche der Schädels heran und bei den höchſten
Typen endlich entwickelt ſich ein äußeres Ohr, ein Schalltrichter, über
die Fläche des Schädels erhaben und oft äußerſt beweglich, beſtimmt,
die Schallwellen zu dem Trommelfelle hinzuleiten.
Die Verdauungsorgane ſind überall bei den Wirbelthieren
nach demſelben Typus gebaut, die Mundöffnung ſtets an dem vorde-
ren Theile des Körpers, meiſt etwas auf der Bauchfläche angebracht
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/16>, abgerufen am 23.11.2024.
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