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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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Harnleiter, zeigen insofern eine merkwürdige Evolution, als sie sich
anfangs vollkommen selbständig bis zu ihrem äußeren Ende hinter
dem After erhalten, dann in das Endstück des Darmes auf der hin-
teren Fläche einmünden, nach und nach aber auf die vordere Fläche
desselben überwandern und sich endlich ganz von dem Darme lostren-
nen und eine besondere Mündung nach außen erhalten, die sich vor
der Afteröffnung befindet und mit den Geschlechtswegen in nächster
Beziehung steht.

Was nun die Zeugung und Fortpflanzung der Wirbel-
thiere betrifft, so muß vor allem darauf aufmerksam gemacht werden,
daß in diesem ganzen Kreise niemals irgend eine Spur von Knospen-
zeugung oder Ammenbildung auftritt, sondern jegliche Fortpflanzung
stets nur durch den Gegensatz der beiden Geschlechter bedingt wird.
Auch normale Zwitterbildung existirt in diesem Kreise nicht; stets sind
die Geschlechtsorgane auf verschiedenen Individuen angebracht; ja selbst
die Beispiele von Zwitterbildung, die man bei abnorm entwickelten
Individuen gefunden haben wollte, reduziren sich alle auf Hemmungs-
bildungen, bei welchen die unausgebildeten Geschlechtstheile Zwischen-
formen zwischen männlichem und weiblichem Typus darstellten. Mei-
stens unterscheiden sich Männchen und Weibchen durch mehr oder
minder auffallende Charaktere; wenn indessen auch in der Körpergröße
sich zuweilen Mißverhältnisse nach der einen oder andern Seite hin
finden, so werden dieselben doch niemals so bedeutend, wie bei vielen
wirbellosen Thieren, bei welchen wir zuweilen ganz verkümmerte
Männchen antrafen. Auch die keimbereitenden Geschlechtstheile liegen
ursprünglich, wie die Nieren, unmittelbar neben der Wirbelsäule über
den übrigen Eingeweiden, senken sich aber bei den höheren Typen
mehr nach vorn und unten. Zuweilen finden sich nur die keimberei-
tenden Organe, Eierstöcke und Hoden, vor, während jede Spur von
ausführenden Kanälen fehlt und die Produkte einfach durch Platzen
der Kapseln, in welchen sie sich befinden, in die Bauchhöhle gerathen
und von da weitergeführt werden. Bei den meisten Wirbelthieren
indeß setzen sich die Hodenkanäle, die Bildungsstätten der Samenthier-
chen, indem sie sich mehr und mehr sammeln, in den sogenannten
Nebenhoden und von da aus in die Samenleiter fort, welche
meistens gegen das Ende ihres Verlaufes mit blinddarmähn-
lichen Samenblasen und anderen Nebendrüsen ausgestattet sind. Die
Samenleiter selbst öffnen sich bald in die sogenannte Cloake, d. h. in
das Endstück des Darmes, welches zugleich die Mündungen der Ge-
schlechts- und Harnorgane aufnimmt, oder sie münden selbständig oder

Harnleiter, zeigen inſofern eine merkwürdige Evolution, als ſie ſich
anfangs vollkommen ſelbſtändig bis zu ihrem äußeren Ende hinter
dem After erhalten, dann in das Endſtück des Darmes auf der hin-
teren Fläche einmünden, nach und nach aber auf die vordere Fläche
deſſelben überwandern und ſich endlich ganz von dem Darme lostren-
nen und eine beſondere Mündung nach außen erhalten, die ſich vor
der Afteröffnung befindet und mit den Geſchlechtswegen in nächſter
Beziehung ſteht.

Was nun die Zeugung und Fortpflanzung der Wirbel-
thiere betrifft, ſo muß vor allem darauf aufmerkſam gemacht werden,
daß in dieſem ganzen Kreiſe niemals irgend eine Spur von Knoſpen-
zeugung oder Ammenbildung auftritt, ſondern jegliche Fortpflanzung
ſtets nur durch den Gegenſatz der beiden Geſchlechter bedingt wird.
Auch normale Zwitterbildung exiſtirt in dieſem Kreiſe nicht; ſtets ſind
die Geſchlechtsorgane auf verſchiedenen Individuen angebracht; ja ſelbſt
die Beiſpiele von Zwitterbildung, die man bei abnorm entwickelten
Individuen gefunden haben wollte, reduziren ſich alle auf Hemmungs-
bildungen, bei welchen die unausgebildeten Geſchlechtstheile Zwiſchen-
formen zwiſchen männlichem und weiblichem Typus darſtellten. Mei-
ſtens unterſcheiden ſich Männchen und Weibchen durch mehr oder
minder auffallende Charaktere; wenn indeſſen auch in der Körpergröße
ſich zuweilen Mißverhältniſſe nach der einen oder andern Seite hin
finden, ſo werden dieſelben doch niemals ſo bedeutend, wie bei vielen
wirbelloſen Thieren, bei welchen wir zuweilen ganz verkümmerte
Männchen antrafen. Auch die keimbereitenden Geſchlechtstheile liegen
urſprünglich, wie die Nieren, unmittelbar neben der Wirbelſäule über
den übrigen Eingeweiden, ſenken ſich aber bei den höheren Typen
mehr nach vorn und unten. Zuweilen finden ſich nur die keimberei-
tenden Organe, Eierſtöcke und Hoden, vor, während jede Spur von
ausführenden Kanälen fehlt und die Produkte einfach durch Platzen
der Kapſeln, in welchen ſie ſich befinden, in die Bauchhöhle gerathen
und von da weitergeführt werden. Bei den meiſten Wirbelthieren
indeß ſetzen ſich die Hodenkanäle, die Bildungsſtätten der Samenthier-
chen, indem ſie ſich mehr und mehr ſammeln, in den ſogenannten
Nebenhoden und von da aus in die Samenleiter fort, welche
meiſtens gegen das Ende ihres Verlaufes mit blinddarmähn-
lichen Samenblaſen und anderen Nebendrüſen ausgeſtattet ſind. Die
Samenleiter ſelbſt öffnen ſich bald in die ſogenannte Cloake, d. h. in
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[15/0021] Harnleiter, zeigen inſofern eine merkwürdige Evolution, als ſie ſich anfangs vollkommen ſelbſtändig bis zu ihrem äußeren Ende hinter dem After erhalten, dann in das Endſtück des Darmes auf der hin- teren Fläche einmünden, nach und nach aber auf die vordere Fläche deſſelben überwandern und ſich endlich ganz von dem Darme lostren- nen und eine beſondere Mündung nach außen erhalten, die ſich vor der Afteröffnung befindet und mit den Geſchlechtswegen in nächſter Beziehung ſteht. Was nun die Zeugung und Fortpflanzung der Wirbel- thiere betrifft, ſo muß vor allem darauf aufmerkſam gemacht werden, daß in dieſem ganzen Kreiſe niemals irgend eine Spur von Knoſpen- zeugung oder Ammenbildung auftritt, ſondern jegliche Fortpflanzung ſtets nur durch den Gegenſatz der beiden Geſchlechter bedingt wird. Auch normale Zwitterbildung exiſtirt in dieſem Kreiſe nicht; ſtets ſind die Geſchlechtsorgane auf verſchiedenen Individuen angebracht; ja ſelbſt die Beiſpiele von Zwitterbildung, die man bei abnorm entwickelten Individuen gefunden haben wollte, reduziren ſich alle auf Hemmungs- bildungen, bei welchen die unausgebildeten Geſchlechtstheile Zwiſchen- formen zwiſchen männlichem und weiblichem Typus darſtellten. Mei- ſtens unterſcheiden ſich Männchen und Weibchen durch mehr oder minder auffallende Charaktere; wenn indeſſen auch in der Körpergröße ſich zuweilen Mißverhältniſſe nach der einen oder andern Seite hin finden, ſo werden dieſelben doch niemals ſo bedeutend, wie bei vielen wirbelloſen Thieren, bei welchen wir zuweilen ganz verkümmerte Männchen antrafen. Auch die keimbereitenden Geſchlechtstheile liegen urſprünglich, wie die Nieren, unmittelbar neben der Wirbelſäule über den übrigen Eingeweiden, ſenken ſich aber bei den höheren Typen mehr nach vorn und unten. Zuweilen finden ſich nur die keimberei- tenden Organe, Eierſtöcke und Hoden, vor, während jede Spur von ausführenden Kanälen fehlt und die Produkte einfach durch Platzen der Kapſeln, in welchen ſie ſich befinden, in die Bauchhöhle gerathen und von da weitergeführt werden. Bei den meiſten Wirbelthieren indeß ſetzen ſich die Hodenkanäle, die Bildungsſtätten der Samenthier- chen, indem ſie ſich mehr und mehr ſammeln, in den ſogenannten Nebenhoden und von da aus in die Samenleiter fort, welche meiſtens gegen das Ende ihres Verlaufes mit blinddarmähn- lichen Samenblaſen und anderen Nebendrüſen ausgeſtattet ſind. Die Samenleiter ſelbſt öffnen ſich bald in die ſogenannte Cloake, d. h. in das Endſtück des Darmes, welches zugleich die Mündungen der Ge- ſchlechts- und Harnorgane aufnimmt, oder ſie münden ſelbſtändig oder

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/21>, abgerufen am 03.12.2024.