Kapseln für die specifischen Sinnesorgane zeigt. Der ursprüngliche Schädel, der von dieser Knorpelkapsel hergestellt wird, ist stets ein ungetheiltes Ganzes, das sich in dieser Form auch bei vielen Knorpel- fischen erhält. Bei denjenigen Thieren, wo ein knöcherner Schädel vorkommt, entwickeln sich die Knochen desselben nur zum kleinsten Theile durch unmittelbare Verknöcherung des knorpeligen Urschädels -- weit aus die meisten Schädelknochen entstehen aus Deckplatten, die sich von allen Seiten her an die Knorpelkapsel anlegen, und ohne vorher in den knorpeligen Zustand überzugehen, sich unmittelbar aus häuti- gen Theilen hervorbilden. Unter dem Einflusse der Ausbildung dieser Deckplatten verschwindet allmählig der nicht verknöcherte Theil der primitiven Knorpelkapsel gänzlich, so daß bei den höheren Typen keine Spur mehr davon vorhanden ist, während freilich bei den meisten Fischen und Amphibien ein mehr oder minder bedeutender Rest dieses knorpeligen Urschädels das ganze Leben hindurch bleibt. Es würde zu weit führen, wollten wir hier auf die Verhältnisse zwischen der knorpeligen Grundlage und den darauf oder darin entwickelten Kno- chen näher eingehen, zumal da diese bei den verschiedenen Klassen mancherlei Verschiedenheiten darbieten. Gleiches müssen wir von den- jenigen Knochengebilden sagen, welche entweder dem Gesichte oder den Eingeweiden angehören, da bei allen diesen je nach den Klassen eine bedeutende Verschiedenheit herrscht, so daß sie erst bei diesen ge- nauer abgehandelt werden können. Die Entwickelung der Extremi- täten, der vorderen wie der hinteren, geht überall nach demselben Typus und nach dem Gesetze der allmähligen Differenzirung vor sich. Die Tragegürtel, Schultern und Becken erscheinen zuerst, dann das Endglied, Hand oder Fuß, ursprünglich als einförmiger Stummel, indem sich erst nach und nach die Zehen ausbilden und ganz zuletzt vollständig trennen, zwischen Endglied und Gürtel schieben sich dann die verschiedenen Mittelglieder je nach ihrer Entwickelung ein.
Als eigenthümliche Bildung der höheren Wirbelthiere, welche den niederen gänzlich fehlt, zeigen sich, wie schon bemerkt, zwei Hüllen, von denen die eine eine Fortsetzung der äußersten Lage der Oberhaut bildet, während die andere aus den späteren dem Urinsysteme angehö- rigen Bildungen hervorgeht. In der That bildet sich die Schafhaut oder das Amnios in der Weise, daß die äußere Zellenlage der Haut sich an die Innenfläche der Eihaut anlegt und in dem ganzen Umkreise des Dot- ters mit derselben verwächst, da aber, wo der Embryonalkörper sich befindet, sich allmählig abzieht, zusammenwächst und gänzlich abschnürt, so daß ein vollkommen geschlossener Sack um den Embryo herum ge-
Kapſeln für die ſpecifiſchen Sinnesorgane zeigt. Der urſprüngliche Schädel, der von dieſer Knorpelkapſel hergeſtellt wird, iſt ſtets ein ungetheiltes Ganzes, das ſich in dieſer Form auch bei vielen Knorpel- fiſchen erhält. Bei denjenigen Thieren, wo ein knöcherner Schädel vorkommt, entwickeln ſich die Knochen deſſelben nur zum kleinſten Theile durch unmittelbare Verknöcherung des knorpeligen Urſchädels — weit aus die meiſten Schädelknochen entſtehen aus Deckplatten, die ſich von allen Seiten her an die Knorpelkapſel anlegen, und ohne vorher in den knorpeligen Zuſtand überzugehen, ſich unmittelbar aus häuti- gen Theilen hervorbilden. Unter dem Einfluſſe der Ausbildung dieſer Deckplatten verſchwindet allmählig der nicht verknöcherte Theil der primitiven Knorpelkapſel gänzlich, ſo daß bei den höheren Typen keine Spur mehr davon vorhanden iſt, während freilich bei den meiſten Fiſchen und Amphibien ein mehr oder minder bedeutender Reſt dieſes knorpeligen Urſchädels das ganze Leben hindurch bleibt. Es würde zu weit führen, wollten wir hier auf die Verhältniſſe zwiſchen der knorpeligen Grundlage und den darauf oder darin entwickelten Kno- chen näher eingehen, zumal da dieſe bei den verſchiedenen Klaſſen mancherlei Verſchiedenheiten darbieten. Gleiches müſſen wir von den- jenigen Knochengebilden ſagen, welche entweder dem Geſichte oder den Eingeweiden angehören, da bei allen dieſen je nach den Klaſſen eine bedeutende Verſchiedenheit herrſcht, ſo daß ſie erſt bei dieſen ge- nauer abgehandelt werden können. Die Entwickelung der Extremi- täten, der vorderen wie der hinteren, geht überall nach demſelben Typus und nach dem Geſetze der allmähligen Differenzirung vor ſich. Die Tragegürtel, Schultern und Becken erſcheinen zuerſt, dann das Endglied, Hand oder Fuß, urſprünglich als einförmiger Stummel, indem ſich erſt nach und nach die Zehen ausbilden und ganz zuletzt vollſtändig trennen, zwiſchen Endglied und Gürtel ſchieben ſich dann die verſchiedenen Mittelglieder je nach ihrer Entwickelung ein.
Als eigenthümliche Bildung der höheren Wirbelthiere, welche den niederen gänzlich fehlt, zeigen ſich, wie ſchon bemerkt, zwei Hüllen, von denen die eine eine Fortſetzung der äußerſten Lage der Oberhaut bildet, während die andere aus den ſpäteren dem Urinſyſteme angehö- rigen Bildungen hervorgeht. In der That bildet ſich die Schafhaut oder das Amnios in der Weiſe, daß die äußere Zellenlage der Haut ſich an die Innenfläche der Eihaut anlegt und in dem ganzen Umkreiſe des Dot- ters mit derſelben verwächſt, da aber, wo der Embryonalkörper ſich befindet, ſich allmählig abzieht, zuſammenwächſt und gänzlich abſchnürt, ſo daß ein vollkommen geſchloſſener Sack um den Embryo herum ge-
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Kapſeln für die ſpecifiſchen Sinnesorgane zeigt. Der urſprüngliche
Schädel, der von dieſer Knorpelkapſel hergeſtellt wird, iſt ſtets ein
ungetheiltes Ganzes, das ſich in dieſer Form auch bei vielen Knorpel-
fiſchen erhält. Bei denjenigen Thieren, wo ein knöcherner Schädel
vorkommt, entwickeln ſich die Knochen deſſelben nur zum kleinſten
Theile durch unmittelbare Verknöcherung des knorpeligen Urſchädels —
weit aus die meiſten Schädelknochen entſtehen aus Deckplatten, die ſich
von allen Seiten her an die Knorpelkapſel anlegen, und ohne vorher
in den knorpeligen Zuſtand überzugehen, ſich unmittelbar aus häuti-
gen Theilen hervorbilden. Unter dem Einfluſſe der Ausbildung dieſer
Deckplatten verſchwindet allmählig der nicht verknöcherte Theil der
primitiven Knorpelkapſel gänzlich, ſo daß bei den höheren Typen keine
Spur mehr davon vorhanden iſt, während freilich bei den meiſten
Fiſchen und Amphibien ein mehr oder minder bedeutender Reſt dieſes
knorpeligen Urſchädels das ganze Leben hindurch bleibt. Es würde
zu weit führen, wollten wir hier auf die Verhältniſſe zwiſchen der
knorpeligen Grundlage und den darauf oder darin entwickelten Kno-
chen näher eingehen, zumal da dieſe bei den verſchiedenen Klaſſen
mancherlei Verſchiedenheiten darbieten. Gleiches müſſen wir von den-
jenigen Knochengebilden ſagen, welche entweder dem Geſichte oder
den Eingeweiden angehören, da bei allen dieſen je nach den Klaſſen
eine bedeutende Verſchiedenheit herrſcht, ſo daß ſie erſt bei dieſen ge-
nauer abgehandelt werden können. Die Entwickelung der Extremi-
täten, der vorderen wie der hinteren, geht überall nach demſelben
Typus und nach dem Geſetze der allmähligen Differenzirung vor ſich.
Die Tragegürtel, Schultern und Becken erſcheinen zuerſt, dann das
Endglied, Hand oder Fuß, urſprünglich als einförmiger Stummel,
indem ſich erſt nach und nach die Zehen ausbilden und ganz zuletzt
vollſtändig trennen, zwiſchen Endglied und Gürtel ſchieben ſich dann
die verſchiedenen Mittelglieder je nach ihrer Entwickelung ein.
Als eigenthümliche Bildung der höheren Wirbelthiere, welche den
niederen gänzlich fehlt, zeigen ſich, wie ſchon bemerkt, zwei Hüllen,
von denen die eine eine Fortſetzung der äußerſten Lage der Oberhaut
bildet, während die andere aus den ſpäteren dem Urinſyſteme angehö-
rigen Bildungen hervorgeht. In der That bildet ſich die Schafhaut oder das
Amnios in der Weiſe, daß die äußere Zellenlage der Haut ſich an die
Innenfläche der Eihaut anlegt und in dem ganzen Umkreiſe des Dot-
ters mit derſelben verwächſt, da aber, wo der Embryonalkörper ſich
befindet, ſich allmählig abzieht, zuſammenwächſt und gänzlich abſchnürt,
ſo daß ein vollkommen geſchloſſener Sack um den Embryo herum ge-
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/27>, abgerufen am 03.12.2024.
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