einzige Bewegung aber, welche zu ihrer Erweiterung möglich ist, ist die auch bei den meisten übrigen Thieren vorkommende des Unterkie- fers in senkrechter Richtung. Die Bezahnung der Kieferknochen ist bei den Eidechsen im Durchschnitte bei weitem nicht so vollständig, als bei den Schlangen; gewöhnlich finden sich nur zwei Reihen gleich- mäßiger Zähne, eine im Oberkiefer, eine andere im Unterkiefer, selten trägt der Gaumenbogen Zähne und wenn diese vorhanden, so bilden sie niemals einen vollständigen inneren Bogen, sondern nur zwei kleine, seitliche Gruppen an dem hinteren Gaumengewölbe; dagegen ist die Form, die Befestigung und die Erneuerung der Zähne bei den Eidechsen weit mannigfaltiger, als bei den Schlangen. Gewöhnlich freilich sind die Zähne mehr oder minder kegelförmig, spitz, hakig nach hinten gebogen, oft aber sind die Kronen mehr oder minder schneidend, faltig gestreift, der über dem Zahnfleische herausstehende Zahntheil abgesetzt und in anderer Weise geformt, zuweilen selbst kommen mehr- spitzige, flache, messer- oder sägeartige Zähne vor. Hinsichtlich der Befestigung finden sich zwei wesentliche Unterschiede. Niemals trifft man wahrhafte Alveolen und Zähne, welche in denselben eingekeilt stecken, dagegen bildet sich oft in beiden Kieferreihen eine zusammen- hängende Zahnrinne aus, die nach außen hin von einem Knochen- blatte geschützt wird, so daß der Kiefer an seinem oberen Rande aus- gekehlt erscheint; in dieser Rinne nun liegen die Zähne in der Weise, daß sie mit der hohlen Wurzel auf dem Grunde der Rinne aufsitzen, wo sich zuweilen noch besondere knöcherne Sockel für sie zeigen, und daß sie mit ihrem Außenrande an dem Knochenblatte angewachsen sind, welches die äußere Wand der Zahnrinne bildet. Man hat die Eid- echsen, welche diese Zahnbildung zeigen, mit dem Namen der Seiten- zähner (Pleurodontia) belegt. Bei anderen Gattungen zeigt der Kiefer keine solche Zahnrinne und die im Zahnfleische sich bildenden Zähne wachsen unmittelbar auf seinen freien Rand auf, oft in solcher Weise, daß man nur mit Mühe die Gränze zwischen dem Zahne und dem Knochen entdecken kann, und es aussieht, als wenn der Kiefer selbst an seinem Rande sägenartig ausgeschnitten und emaillirt wäre. Die solche aufgewachsene Zähne tragenden Eidechsen hat man auch unter dem gemeinsamen Namen der Acrodonten bezeichnet. Die genaueren Verhältnisse der Zähne erscheinen besonders wichtig für die Bestim- mung der zahlreichen fossilen Gattungen, von denen man oft nur ein- zelne Kieferfragmente kennt.
Für die Bestimmung der lebenden Gattungen hat die Bildung der Zunge eine ganz besondere Bedeutung. Bei den einen ist dieses
einzige Bewegung aber, welche zu ihrer Erweiterung möglich iſt, iſt die auch bei den meiſten übrigen Thieren vorkommende des Unterkie- fers in ſenkrechter Richtung. Die Bezahnung der Kieferknochen iſt bei den Eidechſen im Durchſchnitte bei weitem nicht ſo vollſtändig, als bei den Schlangen; gewöhnlich finden ſich nur zwei Reihen gleich- mäßiger Zähne, eine im Oberkiefer, eine andere im Unterkiefer, ſelten trägt der Gaumenbogen Zähne und wenn dieſe vorhanden, ſo bilden ſie niemals einen vollſtändigen inneren Bogen, ſondern nur zwei kleine, ſeitliche Gruppen an dem hinteren Gaumengewölbe; dagegen iſt die Form, die Befeſtigung und die Erneuerung der Zähne bei den Eidechſen weit mannigfaltiger, als bei den Schlangen. Gewöhnlich freilich ſind die Zähne mehr oder minder kegelförmig, ſpitz, hakig nach hinten gebogen, oft aber ſind die Kronen mehr oder minder ſchneidend, faltig geſtreift, der über dem Zahnfleiſche herausſtehende Zahntheil abgeſetzt und in anderer Weiſe geformt, zuweilen ſelbſt kommen mehr- ſpitzige, flache, meſſer- oder ſägeartige Zähne vor. Hinſichtlich der Befeſtigung finden ſich zwei weſentliche Unterſchiede. Niemals trifft man wahrhafte Alveolen und Zähne, welche in denſelben eingekeilt ſtecken, dagegen bildet ſich oft in beiden Kieferreihen eine zuſammen- hängende Zahnrinne aus, die nach außen hin von einem Knochen- blatte geſchützt wird, ſo daß der Kiefer an ſeinem oberen Rande aus- gekehlt erſcheint; in dieſer Rinne nun liegen die Zähne in der Weiſe, daß ſie mit der hohlen Wurzel auf dem Grunde der Rinne aufſitzen, wo ſich zuweilen noch beſondere knöcherne Sockel für ſie zeigen, und daß ſie mit ihrem Außenrande an dem Knochenblatte angewachſen ſind, welches die äußere Wand der Zahnrinne bildet. Man hat die Eid- echſen, welche dieſe Zahnbildung zeigen, mit dem Namen der Seiten- zähner (Pleurodontia) belegt. Bei anderen Gattungen zeigt der Kiefer keine ſolche Zahnrinne und die im Zahnfleiſche ſich bildenden Zähne wachſen unmittelbar auf ſeinen freien Rand auf, oft in ſolcher Weiſe, daß man nur mit Mühe die Gränze zwiſchen dem Zahne und dem Knochen entdecken kann, und es ausſieht, als wenn der Kiefer ſelbſt an ſeinem Rande ſägenartig ausgeſchnitten und emaillirt wäre. Die ſolche aufgewachſene Zähne tragenden Eidechſen hat man auch unter dem gemeinſamen Namen der Acrodonten bezeichnet. Die genaueren Verhältniſſe der Zähne erſcheinen beſonders wichtig für die Beſtim- mung der zahlreichen foſſilen Gattungen, von denen man oft nur ein- zelne Kieferfragmente kennt.
Für die Beſtimmung der lebenden Gattungen hat die Bildung der Zunge eine ganz beſondere Bedeutung. Bei den einen iſt dieſes
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einzige Bewegung aber, welche zu ihrer Erweiterung möglich iſt, iſt
die auch bei den meiſten übrigen Thieren vorkommende des Unterkie-
fers in ſenkrechter Richtung. Die Bezahnung der Kieferknochen iſt
bei den Eidechſen im Durchſchnitte bei weitem nicht ſo vollſtändig, als
bei den Schlangen; gewöhnlich finden ſich nur zwei Reihen gleich-
mäßiger Zähne, eine im Oberkiefer, eine andere im Unterkiefer, ſelten
trägt der Gaumenbogen Zähne und wenn dieſe vorhanden, ſo bilden
ſie niemals einen vollſtändigen inneren Bogen, ſondern nur zwei
kleine, ſeitliche Gruppen an dem hinteren Gaumengewölbe; dagegen iſt
die Form, die Befeſtigung und die Erneuerung der Zähne bei den
Eidechſen weit mannigfaltiger, als bei den Schlangen. Gewöhnlich
freilich ſind die Zähne mehr oder minder kegelförmig, ſpitz, hakig nach
hinten gebogen, oft aber ſind die Kronen mehr oder minder ſchneidend,
faltig geſtreift, der über dem Zahnfleiſche herausſtehende Zahntheil
abgeſetzt und in anderer Weiſe geformt, zuweilen ſelbſt kommen mehr-
ſpitzige, flache, meſſer- oder ſägeartige Zähne vor. Hinſichtlich der
Befeſtigung finden ſich zwei weſentliche Unterſchiede. Niemals trifft
man wahrhafte Alveolen und Zähne, welche in denſelben eingekeilt
ſtecken, dagegen bildet ſich oft in beiden Kieferreihen eine zuſammen-
hängende Zahnrinne aus, die nach außen hin von einem Knochen-
blatte geſchützt wird, ſo daß der Kiefer an ſeinem oberen Rande aus-
gekehlt erſcheint; in dieſer Rinne nun liegen die Zähne in der Weiſe,
daß ſie mit der hohlen Wurzel auf dem Grunde der Rinne aufſitzen,
wo ſich zuweilen noch beſondere knöcherne Sockel für ſie zeigen, und
daß ſie mit ihrem Außenrande an dem Knochenblatte angewachſen ſind,
welches die äußere Wand der Zahnrinne bildet. Man hat die Eid-
echſen, welche dieſe Zahnbildung zeigen, mit dem Namen der Seiten-
zähner (Pleurodontia) belegt. Bei anderen Gattungen zeigt der Kiefer
keine ſolche Zahnrinne und die im Zahnfleiſche ſich bildenden Zähne
wachſen unmittelbar auf ſeinen freien Rand auf, oft in ſolcher Weiſe,
daß man nur mit Mühe die Gränze zwiſchen dem Zahne und dem
Knochen entdecken kann, und es ausſieht, als wenn der Kiefer ſelbſt
an ſeinem Rande ſägenartig ausgeſchnitten und emaillirt wäre. Die
ſolche aufgewachſene Zähne tragenden Eidechſen hat man auch unter
dem gemeinſamen Namen der Acrodonten bezeichnet. Die genaueren
Verhältniſſe der Zähne erſcheinen beſonders wichtig für die Beſtim-
mung der zahlreichen foſſilen Gattungen, von denen man oft nur ein-
zelne Kieferfragmente kennt.
Für die Beſtimmung der lebenden Gattungen hat die Bildung
der Zunge eine ganz beſondere Bedeutung. Bei den einen iſt dieſes
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/272>, abgerufen am 22.11.2024.
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