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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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Dille (Myxa) genannt. Die Gegend zwischen dem Auge und der
Schnabelwurzel heißt die Zügelgegend und die hintere Wangengegend,
wo sich bei dem Säugethier die äußere Ohröffnung finden würde,
die Ohrgegend. Die Form der Schnäbel und ihr Verhältniß zum
Körper ist sehr verschieden. Die einfachste Gestalt ist diejenige eines
Kegels oder einer Pyramide mit mehr oder minder scharfer Firste,
die zuweilen etwas weniges nach vorn gebogen ist. Von der Länge
des Storchschnabels bis zu dem kurzen Kegelschnabel eines Kernbeißers
und der Dünne eines Kolibrischnabels finden sich alle möglichen Ueber-
gänge dieser Kegelgestalt in zahlreichstem Wechsel der Form. Durch
stärkere Biegung der Firste, Zuspitzung des vorderen Hakens am
Oberschnabel und Schärfung der Seitentheile geht diese Schnabelform
allmälig in den Raubschnabel über, der bei den ächten Falken und
Eulen den Gipfel seiner Ausbildung erreicht. Zuweilen findet sich
an diesen Raubschnäbeln noch eine seitliche, vorspringende, scharfe
Ecke, die man dann mit dem Namen eines Zahnes belegt. In ande-
ren Fällen plattet sich der Kegelschnabel mehr ab, seine Seitentheile
verbreitern sich, die Kante der Firste verschwindet oft gänzlich und
es werden so jene Formen hergestellt, die von den Gänsen und Löf-
felreihern bekannt sind. Sehr häufig dient auch der Schnabel zur
Unterstützung des Kletterns wie bei den Papageien und während hier
der Oberschnabel sehr stark gebogen wird, so daß das Ganze etwa
die Form einer Kneipscheere hat, wie man sie in der Gärtnerei braucht,
wird zugleich seine Substanz poröser und leichter; eine Bildung, die
bei den Nashornvögeln ihr höchstes Ziel erreicht, bei welchen die un-
geheueren Schnäbel aus großzelliger Knochenmasse bestehen, die zum
Theil sogar luftführend ist. Einige Vögel, wie die Tauben und die
Sturmvögel zeichnen sich noch durch eine besondere Bildung des
Schnabels aus, der zusammengesetzt erscheint, indem die Nasenlöcher
von besonderen Knorpelschuppen überwölbt sind, die auf den Ober-
schnabel aufgesetzt und mit demselben verschmolzen sind.

Die Wirbelsäule der Vögel läßt stets die verschiedenen Ab-
theilungen in Hals-, Rücken-, Lenden-, Kreuz- und Schwanzwirbel
erkennen. Der Hals hat gewöhnlich eilf bis zwölf, selten neun, zu-
weilen aber auch über zwanzig Wirbel, welche alle sehr beweglich,
vorn ausgehöhlt und hinten gewölbt sind. Die Querfortsätze der
Halswirbel sind sehr stark und an ihrer Wurzel durch ein Loch durch-
bohrt, in der Weise, daß alle diese Löcher in ihrer Aufeinanderfolge
einen Kanal bilden, durch welchen die hinteren Hirnarterien und der

Dille (Myxa) genannt. Die Gegend zwiſchen dem Auge und der
Schnabelwurzel heißt die Zügelgegend und die hintere Wangengegend,
wo ſich bei dem Säugethier die äußere Ohröffnung finden würde,
die Ohrgegend. Die Form der Schnäbel und ihr Verhältniß zum
Körper iſt ſehr verſchieden. Die einfachſte Geſtalt iſt diejenige eines
Kegels oder einer Pyramide mit mehr oder minder ſcharfer Firſte,
die zuweilen etwas weniges nach vorn gebogen iſt. Von der Länge
des Storchſchnabels bis zu dem kurzen Kegelſchnabel eines Kernbeißers
und der Dünne eines Kolibriſchnabels finden ſich alle möglichen Ueber-
gänge dieſer Kegelgeſtalt in zahlreichſtem Wechſel der Form. Durch
ſtärkere Biegung der Firſte, Zuſpitzung des vorderen Hakens am
Oberſchnabel und Schärfung der Seitentheile geht dieſe Schnabelform
allmälig in den Raubſchnabel über, der bei den ächten Falken und
Eulen den Gipfel ſeiner Ausbildung erreicht. Zuweilen findet ſich
an dieſen Raubſchnäbeln noch eine ſeitliche, vorſpringende, ſcharfe
Ecke, die man dann mit dem Namen eines Zahnes belegt. In ande-
ren Fällen plattet ſich der Kegelſchnabel mehr ab, ſeine Seitentheile
verbreitern ſich, die Kante der Firſte verſchwindet oft gänzlich und
es werden ſo jene Formen hergeſtellt, die von den Gänſen und Löf-
felreihern bekannt ſind. Sehr häufig dient auch der Schnabel zur
Unterſtützung des Kletterns wie bei den Papageien und während hier
der Oberſchnabel ſehr ſtark gebogen wird, ſo daß das Ganze etwa
die Form einer Kneipſcheere hat, wie man ſie in der Gärtnerei braucht,
wird zugleich ſeine Subſtanz poröſer und leichter; eine Bildung, die
bei den Nashornvögeln ihr höchſtes Ziel erreicht, bei welchen die un-
geheueren Schnäbel aus großzelliger Knochenmaſſe beſtehen, die zum
Theil ſogar luftführend iſt. Einige Vögel, wie die Tauben und die
Sturmvögel zeichnen ſich noch durch eine beſondere Bildung des
Schnabels aus, der zuſammengeſetzt erſcheint, indem die Naſenlöcher
von beſonderen Knorpelſchuppen überwölbt ſind, die auf den Ober-
ſchnabel aufgeſetzt und mit demſelben verſchmolzen ſind.

Die Wirbelſäule der Vögel läßt ſtets die verſchiedenen Ab-
theilungen in Hals-, Rücken-, Lenden-, Kreuz- und Schwanzwirbel
erkennen. Der Hals hat gewöhnlich eilf bis zwölf, ſelten neun, zu-
weilen aber auch über zwanzig Wirbel, welche alle ſehr beweglich,
vorn ausgehöhlt und hinten gewölbt ſind. Die Querfortſätze der
Halswirbel ſind ſehr ſtark und an ihrer Wurzel durch ein Loch durch-
bohrt, in der Weiſe, daß alle dieſe Löcher in ihrer Aufeinanderfolge
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[301/0307] Dille (Myxa) genannt. Die Gegend zwiſchen dem Auge und der Schnabelwurzel heißt die Zügelgegend und die hintere Wangengegend, wo ſich bei dem Säugethier die äußere Ohröffnung finden würde, die Ohrgegend. Die Form der Schnäbel und ihr Verhältniß zum Körper iſt ſehr verſchieden. Die einfachſte Geſtalt iſt diejenige eines Kegels oder einer Pyramide mit mehr oder minder ſcharfer Firſte, die zuweilen etwas weniges nach vorn gebogen iſt. Von der Länge des Storchſchnabels bis zu dem kurzen Kegelſchnabel eines Kernbeißers und der Dünne eines Kolibriſchnabels finden ſich alle möglichen Ueber- gänge dieſer Kegelgeſtalt in zahlreichſtem Wechſel der Form. Durch ſtärkere Biegung der Firſte, Zuſpitzung des vorderen Hakens am Oberſchnabel und Schärfung der Seitentheile geht dieſe Schnabelform allmälig in den Raubſchnabel über, der bei den ächten Falken und Eulen den Gipfel ſeiner Ausbildung erreicht. Zuweilen findet ſich an dieſen Raubſchnäbeln noch eine ſeitliche, vorſpringende, ſcharfe Ecke, die man dann mit dem Namen eines Zahnes belegt. In ande- ren Fällen plattet ſich der Kegelſchnabel mehr ab, ſeine Seitentheile verbreitern ſich, die Kante der Firſte verſchwindet oft gänzlich und es werden ſo jene Formen hergeſtellt, die von den Gänſen und Löf- felreihern bekannt ſind. Sehr häufig dient auch der Schnabel zur Unterſtützung des Kletterns wie bei den Papageien und während hier der Oberſchnabel ſehr ſtark gebogen wird, ſo daß das Ganze etwa die Form einer Kneipſcheere hat, wie man ſie in der Gärtnerei braucht, wird zugleich ſeine Subſtanz poröſer und leichter; eine Bildung, die bei den Nashornvögeln ihr höchſtes Ziel erreicht, bei welchen die un- geheueren Schnäbel aus großzelliger Knochenmaſſe beſtehen, die zum Theil ſogar luftführend iſt. Einige Vögel, wie die Tauben und die Sturmvögel zeichnen ſich noch durch eine beſondere Bildung des Schnabels aus, der zuſammengeſetzt erſcheint, indem die Naſenlöcher von beſonderen Knorpelſchuppen überwölbt ſind, die auf den Ober- ſchnabel aufgeſetzt und mit demſelben verſchmolzen ſind. Die Wirbelſäule der Vögel läßt ſtets die verſchiedenen Ab- theilungen in Hals-, Rücken-, Lenden-, Kreuz- und Schwanzwirbel erkennen. Der Hals hat gewöhnlich eilf bis zwölf, ſelten neun, zu- weilen aber auch über zwanzig Wirbel, welche alle ſehr beweglich, vorn ausgehöhlt und hinten gewölbt ſind. Die Querfortſätze der Halswirbel ſind ſehr ſtark und an ihrer Wurzel durch ein Loch durch- bohrt, in der Weiſe, daß alle dieſe Löcher in ihrer Aufeinanderfolge einen Kanal bilden, durch welchen die hinteren Hirnarterien und der

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/307>, abgerufen am 17.06.2024.