Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.Das reife Eichen der Säugethiere, das in seltenen Fällen [Abbildung]
Fig. 1327. eine Größe von 1/12 Linie erreicht,Reifes Eierstocks-Ei des Kaninchens. zeichnet sich durch einige besondere Eigenthümlichkeiten aus. Gewöhn- lich hat es einen ziemlich festen, hellen, mit punktförmigen Körper- chen dicht erfüllten Dotter, in wel- chem das wasserhelle runde Keim- bläschen eingebettet liegt, welches einen gekörnten, gewöhnlich schwach gelblichen Keimfleck zeigt. Das Keim- bläschen erhält sich, so lange das Eichen in dem Eierstock verweilt, verschwindet dann aber gänzlich, so daß bei dem im Eileiter befindlichen Eie keine Spur mehr davon zu sehen ist. Der Dotter ist von einer sehr dicken, strukturlosen hellen Dotterhaut umgeben, welcher bei der Ansicht durch das Mikroskop den Dotter wie ein heller Ring umgibt und die deßhalb auch zona pel- lucida genannt wurde. Die Dicke und Festigkeit dieser Dotterhaut unterscheidet das Säugethierei hauptsächlich von den Eiern aller übri- gen Klassen. Das so gebildete Eichen schwimmt in der eiweißartigen Flüssigkeit, welche den Eisack oder das Graf'sche Bläschen erfüllt und wird hier ringsum von einer Schicht an einander hängender Zellen umgeben, die bei der Durchbrechung des Eierstockes zum größ- ten Theile abgestreift werden, früher aber für besonders wichtig gal- ten und deßhalb den Namen der Keimscheibe (Discus proligerus) er- hielten. Die ganze innere Wandung des Eisackes ist mit eben solchen Zellen austapezirt und enthält außerdem zahlreiche Blutgefäße, in welchen zur Zeit der Reife des Eies ein stärkerer Andrang stattfindet. Das Graf'sche Bläschen schwillt nun mehr und mehr an; die Ab- sonderung im Inneren vermehrt sich; die äußeren Häute des Eisackes verdünnen sich ausnehmend und endlich bildet sich ein Loch auf der Spitze des Eisackes, durch welches das Eichen in den Eileiter ent- schlüpft. Die entzündliche Aufregung des Eisackes dauert aber auch nach dieser Ausstoßung noch eine Zeit lang fort. Die Ausschwitzung in seinem Inneren nimmt zu und es bildet sich endlich eine Narbe, welche man mit dem Namen des gelben Körpers (corpus luteum) bezeichnet und deren Existenz man früher als untrügliches Merkmal stattgehabter Empfängniß ansah. Jetzt hat man freilich nachgewiesen, daß bei jeder Brunst und bei dem menschlichen Weibe bei jeder Men- Das reife Eichen der Säugethiere, das in ſeltenen Fällen [Abbildung]
Fig. 1327. eine Größe von 1/12 Linie erreicht,Reifes Eierſtocks-Ei des Kaninchens. zeichnet ſich durch einige beſondere Eigenthümlichkeiten aus. Gewöhn- lich hat es einen ziemlich feſten, hellen, mit punktförmigen Körper- chen dicht erfüllten Dotter, in wel- chem das waſſerhelle runde Keim- bläschen eingebettet liegt, welches einen gekörnten, gewöhnlich ſchwach gelblichen Keimfleck zeigt. Das Keim- bläschen erhält ſich, ſo lange das Eichen in dem Eierſtock verweilt, verſchwindet dann aber gänzlich, ſo daß bei dem im Eileiter befindlichen Eie keine Spur mehr davon zu ſehen iſt. Der Dotter iſt von einer ſehr dicken, ſtrukturloſen hellen Dotterhaut umgeben, welcher bei der Anſicht durch das Mikroſkop den Dotter wie ein heller Ring umgibt und die deßhalb auch zona pel- lucida genannt wurde. Die Dicke und Feſtigkeit dieſer Dotterhaut unterſcheidet das Säugethierei hauptſächlich von den Eiern aller übri- gen Klaſſen. Das ſo gebildete Eichen ſchwimmt in der eiweißartigen Flüſſigkeit, welche den Eiſack oder das Graf’ſche Bläschen erfüllt und wird hier ringsum von einer Schicht an einander hängender Zellen umgeben, die bei der Durchbrechung des Eierſtockes zum größ- ten Theile abgeſtreift werden, früher aber für beſonders wichtig gal- ten und deßhalb den Namen der Keimſcheibe (Discus proligerus) er- hielten. Die ganze innere Wandung des Eiſackes iſt mit eben ſolchen Zellen austapezirt und enthält außerdem zahlreiche Blutgefäße, in welchen zur Zeit der Reife des Eies ein ſtärkerer Andrang ſtattfindet. Das Graf’ſche Bläschen ſchwillt nun mehr und mehr an; die Ab- ſonderung im Inneren vermehrt ſich; die äußeren Häute des Eiſackes verdünnen ſich ausnehmend und endlich bildet ſich ein Loch auf der Spitze des Eiſackes, durch welches das Eichen in den Eileiter ent- ſchlüpft. Die entzündliche Aufregung des Eiſackes dauert aber auch nach dieſer Ausſtoßung noch eine Zeit lang fort. Die Ausſchwitzung in ſeinem Inneren nimmt zu und es bildet ſich endlich eine Narbe, welche man mit dem Namen des gelben Körpers (corpus luteum) bezeichnet und deren Exiſtenz man früher als untrügliches Merkmal ſtattgehabter Empfängniß anſah. Jetzt hat man freilich nachgewieſen, daß bei jeder Brunſt und bei dem menſchlichen Weibe bei jeder Men- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0421" n="415"/> <p>Das <hi rendition="#g">reife Eichen</hi> der Säugethiere, das in ſeltenen Fällen<lb/><figure><head>Fig. 1327.</head><lb/><p>Reifes Eierſtocks-Ei des Kaninchens.<lb/><hi rendition="#aq">a</hi> Dotterhaut <hi rendition="#aq">(Zona pellucida). b</hi><lb/> Dotter. <hi rendition="#aq">c</hi> Keimbläschen. <hi rendition="#aq">d</hi> Keimfleck.</p></figure><lb/> eine Größe von 1/12 Linie erreicht,<lb/> zeichnet ſich durch einige beſondere<lb/> Eigenthümlichkeiten aus. 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Das reife Eichen der Säugethiere, das in ſeltenen Fällen
[Abbildung Fig. 1327.
Reifes Eierſtocks-Ei des Kaninchens.
a Dotterhaut (Zona pellucida). b
Dotter. c Keimbläschen. d Keimfleck.]
eine Größe von 1/12 Linie erreicht,
zeichnet ſich durch einige beſondere
Eigenthümlichkeiten aus. Gewöhn-
lich hat es einen ziemlich feſten,
hellen, mit punktförmigen Körper-
chen dicht erfüllten Dotter, in wel-
chem das waſſerhelle runde Keim-
bläschen eingebettet liegt, welches
einen gekörnten, gewöhnlich ſchwach
gelblichen Keimfleck zeigt. Das Keim-
bläschen erhält ſich, ſo lange das
Eichen in dem Eierſtock verweilt,
verſchwindet dann aber gänzlich, ſo
daß bei dem im Eileiter befindlichen Eie keine Spur mehr davon zu
ſehen iſt. Der Dotter iſt von einer ſehr dicken, ſtrukturloſen hellen
Dotterhaut umgeben, welcher bei der Anſicht durch das Mikroſkop den
Dotter wie ein heller Ring umgibt und die deßhalb auch zona pel-
lucida genannt wurde. Die Dicke und Feſtigkeit dieſer Dotterhaut
unterſcheidet das Säugethierei hauptſächlich von den Eiern aller übri-
gen Klaſſen. Das ſo gebildete Eichen ſchwimmt in der eiweißartigen
Flüſſigkeit, welche den Eiſack oder das Graf’ſche Bläschen erfüllt
und wird hier ringsum von einer Schicht an einander hängender
Zellen umgeben, die bei der Durchbrechung des Eierſtockes zum größ-
ten Theile abgeſtreift werden, früher aber für beſonders wichtig gal-
ten und deßhalb den Namen der Keimſcheibe (Discus proligerus) er-
hielten. Die ganze innere Wandung des Eiſackes iſt mit eben ſolchen
Zellen austapezirt und enthält außerdem zahlreiche Blutgefäße, in
welchen zur Zeit der Reife des Eies ein ſtärkerer Andrang ſtattfindet.
Das Graf’ſche Bläschen ſchwillt nun mehr und mehr an; die Ab-
ſonderung im Inneren vermehrt ſich; die äußeren Häute des Eiſackes
verdünnen ſich ausnehmend und endlich bildet ſich ein Loch auf der
Spitze des Eiſackes, durch welches das Eichen in den Eileiter ent-
ſchlüpft. Die entzündliche Aufregung des Eiſackes dauert aber auch
nach dieſer Ausſtoßung noch eine Zeit lang fort. Die Ausſchwitzung
in ſeinem Inneren nimmt zu und es bildet ſich endlich eine Narbe,
welche man mit dem Namen des gelben Körpers (corpus luteum)
bezeichnet und deren Exiſtenz man früher als untrügliches Merkmal
ſtattgehabter Empfängniß anſah. Jetzt hat man freilich nachgewieſen,
daß bei jeder Brunſt und bei dem menſchlichen Weibe bei jeder Men-
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