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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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ihrer Verbreitung zugleich der südlichste Punkt Europas, die Spitze
von Gibraltar. So bewohnen die Beutelthiere nur Australien und
das südliche Amerika, während die Kloakenthiere gänzlich auf Austra-
lien eingeschränkt sind. Die Zahnlosen finden sich nur in den Tro-
pengegenden der drei Continente: Amerika, Afrika und Asien, ebenso
die Riesengattungen der Dickhäuter: Elephant, Flußpferd, Nashorn
und Tapir. Fledermäuse, Raubthiere, Insektenfresser, Nager, Dick-
häuter, Einhufer und Wiederkäuer sind über die ganze Erde verbrei-
tet, wenn auch allgemein in der Art, daß die Zahl der Arten und
Familien von Norden gegen Süden hin bedeutend zunimmt. Die
Walthiere und Robben allein machen von dieser Regel eine Ausnahme,
indem sie in jeder Beziehung, was Zahl der Arten und Individuen,
so wie deren Größe betrifft, nach den Polargegenden des Nordens wie
des Südens hin zunehmen.

Die fossilen Säugethiere, deren man jetzt etwa sechshundert Arten
kennt, treten zuerst in dem Jura mit einigen kleinen Gattungen auf,
welche offenbar den Beutelthieren angehören. Trotz des großen Reich-
thums der jurassischen Gebilde an Versteinerungen, hat man bis jetzt
doch nur seltene Bruchstücke dieser ersten Säugethiere aufgefunden,
was zu der Annahme berechtigt, daß dieselben in der That eine sehr
vereinzelte Erscheinung waren. In der Kreide wurde noch keine Spur
von Säugethierresten entdeckt, während in der Tertiärzeit plötzlich eine
Menge von Formen auftreten, die um so mehr von den jetzt lebenden
Arten verschieden, je älter die Schichten sind, welchen die Reste ange-
hören. Die Dickhäuter sind es namentlich, welche in den älteren
Tertiärschichten mit einer großen Anzahl eigenthümlicher Formen auf-
treten, so daß die Gesammtzahl der ausgestorbenen Gattungen und
Arten sogar die der jetzt lebenden übertrifft, ein Verhältniß, welches
außerdem nur noch bei den zahnlosen Säugethieren vorkommt, deren
riesenmäßige Formen, die jetzt ganz von der Erde verschwunden sind,
in der letzten Epoche der Tertiärzeit Südamerika bevölkerten. Sonst
zeigt fast jede Epoche der Tertiärzeit einen eigenthümlichen Charakter;
die ältere, wie bemerkt, durch die vorwiegende Ausbildung der Dick-
häuter, die mittlere durch das Auftreten der Wiederkäuer, welche von
da an im beständigen Zunehmen begriffen sind, die jüngere Tertiär-
periode und das Diluvium durch die massenhafte Ausbildung der
Raubthiere, welche auch zugleich zum Theile riesenförmige Größe er-
reichen. Viele Säugethiere sind indeß ebenso, wie der Mensch, ihrer
Gattung und Familie nach nur Angehörige der jetzigen Epoche und

ihrer Verbreitung zugleich der ſüdlichſte Punkt Europas, die Spitze
von Gibraltar. So bewohnen die Beutelthiere nur Auſtralien und
das ſüdliche Amerika, während die Kloakenthiere gänzlich auf Auſtra-
lien eingeſchränkt ſind. Die Zahnloſen finden ſich nur in den Tro-
pengegenden der drei Continente: Amerika, Afrika und Aſien, ebenſo
die Rieſengattungen der Dickhäuter: Elephant, Flußpferd, Nashorn
und Tapir. Fledermäuſe, Raubthiere, Inſektenfreſſer, Nager, Dick-
häuter, Einhufer und Wiederkäuer ſind über die ganze Erde verbrei-
tet, wenn auch allgemein in der Art, daß die Zahl der Arten und
Familien von Norden gegen Süden hin bedeutend zunimmt. Die
Walthiere und Robben allein machen von dieſer Regel eine Ausnahme,
indem ſie in jeder Beziehung, was Zahl der Arten und Individuen,
ſo wie deren Größe betrifft, nach den Polargegenden des Nordens wie
des Südens hin zunehmen.

Die foſſilen Säugethiere, deren man jetzt etwa ſechshundert Arten
kennt, treten zuerſt in dem Jura mit einigen kleinen Gattungen auf,
welche offenbar den Beutelthieren angehören. Trotz des großen Reich-
thums der juraſſiſchen Gebilde an Verſteinerungen, hat man bis jetzt
doch nur ſeltene Bruchſtücke dieſer erſten Säugethiere aufgefunden,
was zu der Annahme berechtigt, daß dieſelben in der That eine ſehr
vereinzelte Erſcheinung waren. In der Kreide wurde noch keine Spur
von Säugethierreſten entdeckt, während in der Tertiärzeit plötzlich eine
Menge von Formen auftreten, die um ſo mehr von den jetzt lebenden
Arten verſchieden, je älter die Schichten ſind, welchen die Reſte ange-
hören. Die Dickhäuter ſind es namentlich, welche in den älteren
Tertiärſchichten mit einer großen Anzahl eigenthümlicher Formen auf-
treten, ſo daß die Geſammtzahl der ausgeſtorbenen Gattungen und
Arten ſogar die der jetzt lebenden übertrifft, ein Verhältniß, welches
außerdem nur noch bei den zahnloſen Säugethieren vorkommt, deren
rieſenmäßige Formen, die jetzt ganz von der Erde verſchwunden ſind,
in der letzten Epoche der Tertiärzeit Südamerika bevölkerten. Sonſt
zeigt faſt jede Epoche der Tertiärzeit einen eigenthümlichen Charakter;
die ältere, wie bemerkt, durch die vorwiegende Ausbildung der Dick-
häuter, die mittlere durch das Auftreten der Wiederkäuer, welche von
da an im beſtändigen Zunehmen begriffen ſind, die jüngere Tertiär-
periode und das Diluvium durch die maſſenhafte Ausbildung der
Raubthiere, welche auch zugleich zum Theile rieſenförmige Größe er-
reichen. Viele Säugethiere ſind indeß ebenſo, wie der Menſch, ihrer
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[428/0434] ihrer Verbreitung zugleich der ſüdlichſte Punkt Europas, die Spitze von Gibraltar. So bewohnen die Beutelthiere nur Auſtralien und das ſüdliche Amerika, während die Kloakenthiere gänzlich auf Auſtra- lien eingeſchränkt ſind. Die Zahnloſen finden ſich nur in den Tro- pengegenden der drei Continente: Amerika, Afrika und Aſien, ebenſo die Rieſengattungen der Dickhäuter: Elephant, Flußpferd, Nashorn und Tapir. Fledermäuſe, Raubthiere, Inſektenfreſſer, Nager, Dick- häuter, Einhufer und Wiederkäuer ſind über die ganze Erde verbrei- tet, wenn auch allgemein in der Art, daß die Zahl der Arten und Familien von Norden gegen Süden hin bedeutend zunimmt. Die Walthiere und Robben allein machen von dieſer Regel eine Ausnahme, indem ſie in jeder Beziehung, was Zahl der Arten und Individuen, ſo wie deren Größe betrifft, nach den Polargegenden des Nordens wie des Südens hin zunehmen. Die foſſilen Säugethiere, deren man jetzt etwa ſechshundert Arten kennt, treten zuerſt in dem Jura mit einigen kleinen Gattungen auf, welche offenbar den Beutelthieren angehören. Trotz des großen Reich- thums der juraſſiſchen Gebilde an Verſteinerungen, hat man bis jetzt doch nur ſeltene Bruchſtücke dieſer erſten Säugethiere aufgefunden, was zu der Annahme berechtigt, daß dieſelben in der That eine ſehr vereinzelte Erſcheinung waren. In der Kreide wurde noch keine Spur von Säugethierreſten entdeckt, während in der Tertiärzeit plötzlich eine Menge von Formen auftreten, die um ſo mehr von den jetzt lebenden Arten verſchieden, je älter die Schichten ſind, welchen die Reſte ange- hören. Die Dickhäuter ſind es namentlich, welche in den älteren Tertiärſchichten mit einer großen Anzahl eigenthümlicher Formen auf- treten, ſo daß die Geſammtzahl der ausgeſtorbenen Gattungen und Arten ſogar die der jetzt lebenden übertrifft, ein Verhältniß, welches außerdem nur noch bei den zahnloſen Säugethieren vorkommt, deren rieſenmäßige Formen, die jetzt ganz von der Erde verſchwunden ſind, in der letzten Epoche der Tertiärzeit Südamerika bevölkerten. Sonſt zeigt faſt jede Epoche der Tertiärzeit einen eigenthümlichen Charakter; die ältere, wie bemerkt, durch die vorwiegende Ausbildung der Dick- häuter, die mittlere durch das Auftreten der Wiederkäuer, welche von da an im beſtändigen Zunehmen begriffen ſind, die jüngere Tertiär- periode und das Diluvium durch die maſſenhafte Ausbildung der Raubthiere, welche auch zugleich zum Theile rieſenförmige Größe er- reichen. Viele Säugethiere ſind indeß ebenſo, wie der Menſch, ihrer Gattung und Familie nach nur Angehörige der jetzigen Epoche und

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/434>, abgerufen am 22.11.2024.