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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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und liegt tief unten an der Seite des Kopfes meist unmittelbar über
dem Winkel der Mundspalte. Sehr ausgezeichnet ist die Bildung der
Nase, welche ganz die Bedeutung eines Geruchsorganes verloren hat
und nur noch Luftweg ist, womit der gänzliche Mangel eines Riech-
nerven zusammenhängt. Das einfache oder doppelte Nasenloch steht
oben auf der Fläche des Kopfes und führt senkrecht hinab in die meist
zellig verzweigten Nasengänge, die sich senkrecht nach dem Nachen zu
fortsetzen. Das Gaumensegel ist fast horizontal gestellt und umfaßt
nach hinten zu die auf der Spitze eines vorragenden Kegels ange-
brachte Stimmritze so genau, daß der Luftweg gänzlich von der Ra-
chenhöhle und dem Schlunde abgeschieden werden kann. Die mit
Wasserdampf geschwängerte Luft, die von Zeit zu Zeit nach langen
Intervallen mit großem Geräusche ausgestoßen wird, bildet in der
kälteren Luft einen Dunststrahl, der wie ein Springbrunnen aus die-
sen senkrecht gestellten Spritzlöchern hervorbricht. Außer diesem regel-
mäßigen Spiele des Athmens, zu welchem Zwecke die Walthiere an
die Oberfläche des Wassers emporsteigen, sollen viele derselben auch
zum Spiele Wasser einschlucken und es im Strahle durch die Nasen-
löcher hervortreiben. Die Haut der Walthiere ist vollkommen haar-
los, die Specklage verhältnißmäßig sehr dick; sie haben nur zwei
Zitzen, welche in Hautfalten verborgen unmittelbar neben dem After
weit nach hinten liegen, und werfen gewöhnlich nur ein einziges
Junges, welches von der Mutter mit großer Zärtlichkeit geschützt
wird. Auch die Bildung der Verdauungsorgane ist eigenthümlich;
weiche Lippen, welche sonst fast allen Säugethieren mit Ausnahme der
Schnabelthiere zukommen, fehlen den eigentlichen Walthieren durchaus,
der Schlund ist meistens nur eng, der Magen dagegen aus mehreren
Abtheilungen zusammengesetzt, die oft wieder in untergeordnete Höh-
len zerfallen, so daß kaum bei den Wiederkäuern eine zusammengesetz-
tere Magenbildung gefunden werden dürfte. Wir theilen die eigent-
lichen Wale in folgende Familien:

In der Familie der Walfische (Balaenida) hat der Kopf eine
unverhältnißmäßige Größe und der Rachen eine außerordentliche Weite,
während der Schlund nur sehr eng ist, so daß die Thiere, welche
selbst eine Länge von 80 Fuß erreichen, nur von kleinen Seethieren
und zwar besonders von Walfischschnecken und höchstens von Fischen
von der Größe der Häringe sich nähren. Die Oberkinnlade paßt
bei geschlossenem Maule in die Unterkinnlade hinein, deren Hälften

und liegt tief unten an der Seite des Kopfes meiſt unmittelbar über
dem Winkel der Mundſpalte. Sehr ausgezeichnet iſt die Bildung der
Naſe, welche ganz die Bedeutung eines Geruchsorganes verloren hat
und nur noch Luftweg iſt, womit der gänzliche Mangel eines Riech-
nerven zuſammenhängt. Das einfache oder doppelte Naſenloch ſteht
oben auf der Fläche des Kopfes und führt ſenkrecht hinab in die meiſt
zellig verzweigten Naſengänge, die ſich ſenkrecht nach dem Nachen zu
fortſetzen. Das Gaumenſegel iſt faſt horizontal geſtellt und umfaßt
nach hinten zu die auf der Spitze eines vorragenden Kegels ange-
brachte Stimmritze ſo genau, daß der Luftweg gänzlich von der Ra-
chenhöhle und dem Schlunde abgeſchieden werden kann. Die mit
Waſſerdampf geſchwängerte Luft, die von Zeit zu Zeit nach langen
Intervallen mit großem Geräuſche ausgeſtoßen wird, bildet in der
kälteren Luft einen Dunſtſtrahl, der wie ein Springbrunnen aus die-
ſen ſenkrecht geſtellten Spritzlöchern hervorbricht. Außer dieſem regel-
mäßigen Spiele des Athmens, zu welchem Zwecke die Walthiere an
die Oberfläche des Waſſers emporſteigen, ſollen viele derſelben auch
zum Spiele Waſſer einſchlucken und es im Strahle durch die Naſen-
löcher hervortreiben. Die Haut der Walthiere iſt vollkommen haar-
los, die Specklage verhältnißmäßig ſehr dick; ſie haben nur zwei
Zitzen, welche in Hautfalten verborgen unmittelbar neben dem After
weit nach hinten liegen, und werfen gewöhnlich nur ein einziges
Junges, welches von der Mutter mit großer Zärtlichkeit geſchützt
wird. Auch die Bildung der Verdauungsorgane iſt eigenthümlich;
weiche Lippen, welche ſonſt faſt allen Säugethieren mit Ausnahme der
Schnabelthiere zukommen, fehlen den eigentlichen Walthieren durchaus,
der Schlund iſt meiſtens nur eng, der Magen dagegen aus mehreren
Abtheilungen zuſammengeſetzt, die oft wieder in untergeordnete Höh-
len zerfallen, ſo daß kaum bei den Wiederkäuern eine zuſammengeſetz-
tere Magenbildung gefunden werden dürfte. Wir theilen die eigent-
lichen Wale in folgende Familien:

In der Familie der Walfiſche (Balaenida) hat der Kopf eine
unverhältnißmäßige Größe und der Rachen eine außerordentliche Weite,
während der Schlund nur ſehr eng iſt, ſo daß die Thiere, welche
ſelbſt eine Länge von 80 Fuß erreichen, nur von kleinen Seethieren
und zwar beſonders von Walfiſchſchnecken und höchſtens von Fiſchen
von der Größe der Häringe ſich nähren. Die Oberkinnlade paßt
bei geſchloſſenem Maule in die Unterkinnlade hinein, deren Hälften

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[448/0454] und liegt tief unten an der Seite des Kopfes meiſt unmittelbar über dem Winkel der Mundſpalte. Sehr ausgezeichnet iſt die Bildung der Naſe, welche ganz die Bedeutung eines Geruchsorganes verloren hat und nur noch Luftweg iſt, womit der gänzliche Mangel eines Riech- nerven zuſammenhängt. Das einfache oder doppelte Naſenloch ſteht oben auf der Fläche des Kopfes und führt ſenkrecht hinab in die meiſt zellig verzweigten Naſengänge, die ſich ſenkrecht nach dem Nachen zu fortſetzen. Das Gaumenſegel iſt faſt horizontal geſtellt und umfaßt nach hinten zu die auf der Spitze eines vorragenden Kegels ange- brachte Stimmritze ſo genau, daß der Luftweg gänzlich von der Ra- chenhöhle und dem Schlunde abgeſchieden werden kann. Die mit Waſſerdampf geſchwängerte Luft, die von Zeit zu Zeit nach langen Intervallen mit großem Geräuſche ausgeſtoßen wird, bildet in der kälteren Luft einen Dunſtſtrahl, der wie ein Springbrunnen aus die- ſen ſenkrecht geſtellten Spritzlöchern hervorbricht. Außer dieſem regel- mäßigen Spiele des Athmens, zu welchem Zwecke die Walthiere an die Oberfläche des Waſſers emporſteigen, ſollen viele derſelben auch zum Spiele Waſſer einſchlucken und es im Strahle durch die Naſen- löcher hervortreiben. Die Haut der Walthiere iſt vollkommen haar- los, die Specklage verhältnißmäßig ſehr dick; ſie haben nur zwei Zitzen, welche in Hautfalten verborgen unmittelbar neben dem After weit nach hinten liegen, und werfen gewöhnlich nur ein einziges Junges, welches von der Mutter mit großer Zärtlichkeit geſchützt wird. Auch die Bildung der Verdauungsorgane iſt eigenthümlich; weiche Lippen, welche ſonſt faſt allen Säugethieren mit Ausnahme der Schnabelthiere zukommen, fehlen den eigentlichen Walthieren durchaus, der Schlund iſt meiſtens nur eng, der Magen dagegen aus mehreren Abtheilungen zuſammengeſetzt, die oft wieder in untergeordnete Höh- len zerfallen, ſo daß kaum bei den Wiederkäuern eine zuſammengeſetz- tere Magenbildung gefunden werden dürfte. Wir theilen die eigent- lichen Wale in folgende Familien: In der Familie der Walfiſche (Balaenida) hat der Kopf eine unverhältnißmäßige Größe und der Rachen eine außerordentliche Weite, während der Schlund nur ſehr eng iſt, ſo daß die Thiere, welche ſelbſt eine Länge von 80 Fuß erreichen, nur von kleinen Seethieren und zwar beſonders von Walfiſchſchnecken und höchſtens von Fiſchen von der Größe der Häringe ſich nähren. Die Oberkinnlade paßt bei geſchloſſenem Maule in die Unterkinnlade hinein, deren Hälften

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/454>, abgerufen am 22.11.2024.