während sie im Fange der Insekten sehr gewandt und sicher sind. Während ihres Schlafes bei Tage und während des langen Winter- schlafes, dem die Arten der gemäßigten Zone unterworfen sind, hängen sich die Thiere an den freien Hakenkrallen ihrer Hinterfüße mit dem Kopfe nach unten auf und hüllen sich größtentheils in ihre Flughaut ein; meistens wählen sie zu dem Winterschlafe Baumhöhlen, Felsritzen, Mauerlöcher und vorzugsweise gern alte Kamine, in denen sie sich in großen Schaaren versammlen. Das saugende Junge wird von dem Weibchen an der Brust mit herumgetragen. Wir unterscheiden folgende Familien:
[Abbildung]
Fig. 1446.
Fig. 1446. Die kleine Fledermaus (Vespertilio pipistrellus). kriechend.
[Abbildung]
Fig. 1447.
Fig. 1447. Dieselbe
Die Familie der eigentlichen Fledermäuse(Vespertilionida) zeigt die Charaktere der Ordnung im höchsten Grade entwickelt. Das Ge- biß ist vollständig dasjenige der insektenfressenden Thiere, mehrere kleine meiselartige Schneidezähne, oft dicht gedrängt, zwischen stark vorstehenden, hakenartig gekrümmten Eckzähnen, kegelförmige, meist dicht gedrängte oder schneidende Lückenzähne und spitz höckerige, mit diesen Spitzen in einander greifende Backzähne setzen das Gebiß des weiten Rachens zusammen, mittelst dessen die Fledermaus ihre Beute im Fluge fängt. Die vier Finger der Hand, welche die Flughaut spannen, sind durchaus nagellos, auch der Zeigefinger, welcher bei den fliegenden Hunden meist eine Kralle trägt. Einige südliche Arten (Nycteris) können die lose anliegende Haut wie einen Ballen durch zwei kleine in den Backen angebrachte Oeffnungen aufblasen. Bei den meisten Gattungen sind die Ohren ungeheuer groß, wenig be- haart, mit seltsamen Winkeln und Vorsprüngen versehen, die äußere Nase oft mit höchst sonderbaren blattartigen Vorsprüngen und Haut- verlängerungen ausgerüstet, welche alle der Sitz eines äußerst feinen Tastsinnes sind, der besonders das schwache Gesicht ersetzt. Geblendete
während ſie im Fange der Inſekten ſehr gewandt und ſicher ſind. Während ihres Schlafes bei Tage und während des langen Winter- ſchlafes, dem die Arten der gemäßigten Zone unterworfen ſind, hängen ſich die Thiere an den freien Hakenkrallen ihrer Hinterfüße mit dem Kopfe nach unten auf und hüllen ſich größtentheils in ihre Flughaut ein; meiſtens wählen ſie zu dem Winterſchlafe Baumhöhlen, Felsritzen, Mauerlöcher und vorzugsweiſe gern alte Kamine, in denen ſie ſich in großen Schaaren verſammlen. Das ſaugende Junge wird von dem Weibchen an der Bruſt mit herumgetragen. Wir unterſcheiden folgende Familien:
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Fig. 1446.
Fig. 1446. Die kleine Fledermaus (Vespertilio pipistrellus). kriechend.
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Fig. 1447.
Fig. 1447. Dieſelbe
Die Familie der eigentlichen Fledermäuſe(Vespertilionida) zeigt die Charaktere der Ordnung im höchſten Grade entwickelt. Das Ge- biß iſt vollſtändig dasjenige der inſektenfreſſenden Thiere, mehrere kleine meiſelartige Schneidezähne, oft dicht gedrängt, zwiſchen ſtark vorſtehenden, hakenartig gekrümmten Eckzähnen, kegelförmige, meiſt dicht gedrängte oder ſchneidende Lückenzähne und ſpitz höckerige, mit dieſen Spitzen in einander greifende Backzähne ſetzen das Gebiß des weiten Rachens zuſammen, mittelſt deſſen die Fledermaus ihre Beute im Fluge fängt. Die vier Finger der Hand, welche die Flughaut ſpannen, ſind durchaus nagellos, auch der Zeigefinger, welcher bei den fliegenden Hunden meiſt eine Kralle trägt. Einige ſüdliche Arten (Nycteris) können die loſe anliegende Haut wie einen Ballen durch zwei kleine in den Backen angebrachte Oeffnungen aufblaſen. Bei den meiſten Gattungen ſind die Ohren ungeheuer groß, wenig be- haart, mit ſeltſamen Winkeln und Vorſprüngen verſehen, die äußere Naſe oft mit höchſt ſonderbaren blattartigen Vorſprüngen und Haut- verlängerungen ausgerüſtet, welche alle der Sitz eines äußerſt feinen Taſtſinnes ſind, der beſonders das ſchwache Geſicht erſetzt. Geblendete
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während ſie im Fange der Inſekten ſehr gewandt und ſicher ſind.
Während ihres Schlafes bei Tage und während des langen Winter-
ſchlafes, dem die Arten der gemäßigten Zone unterworfen ſind, hängen
ſich die Thiere an den freien Hakenkrallen ihrer Hinterfüße mit dem
Kopfe nach unten auf und hüllen ſich größtentheils in ihre Flughaut
ein; meiſtens wählen ſie zu dem Winterſchlafe Baumhöhlen, Felsritzen,
Mauerlöcher und vorzugsweiſe gern alte Kamine, in denen ſie ſich
in großen Schaaren verſammlen. Das ſaugende Junge wird von
dem Weibchen an der Bruſt mit herumgetragen. Wir unterſcheiden
folgende Familien:
[Abbildung Fig. 1446.
Fig. 1446. Die kleine Fledermaus (Vespertilio pipistrellus).
kriechend. ]
[Abbildung Fig. 1447.
Fig. 1447. Dieſelbe ]
Die Familie der eigentlichen Fledermäuſe (Vespertilionida) zeigt
die Charaktere der Ordnung im höchſten Grade entwickelt. Das Ge-
biß iſt vollſtändig dasjenige der inſektenfreſſenden Thiere, mehrere
kleine meiſelartige Schneidezähne, oft dicht gedrängt, zwiſchen ſtark
vorſtehenden, hakenartig gekrümmten Eckzähnen, kegelförmige, meiſt
dicht gedrängte oder ſchneidende Lückenzähne und ſpitz höckerige, mit
dieſen Spitzen in einander greifende Backzähne ſetzen das Gebiß des
weiten Rachens zuſammen, mittelſt deſſen die Fledermaus ihre Beute
im Fluge fängt. Die vier Finger der Hand, welche die Flughaut
ſpannen, ſind durchaus nagellos, auch der Zeigefinger, welcher bei
den fliegenden Hunden meiſt eine Kralle trägt. Einige ſüdliche Arten
(Nycteris) können die loſe anliegende Haut wie einen Ballen durch
zwei kleine in den Backen angebrachte Oeffnungen aufblaſen. Bei
den meiſten Gattungen ſind die Ohren ungeheuer groß, wenig be-
haart, mit ſeltſamen Winkeln und Vorſprüngen verſehen, die äußere
Naſe oft mit höchſt ſonderbaren blattartigen Vorſprüngen und Haut-
verlängerungen ausgerüſtet, welche alle der Sitz eines äußerſt feinen
Taſtſinnes ſind, der beſonders das ſchwache Geſicht erſetzt. Geblendete
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 508. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/514>, abgerufen am 24.11.2024.
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