Schon in dem fünften Briefe wurden einige der Erscheinungen erwähnt, welche die wissenschaftliche Zoologie bestimmen müssen, lebende und untergegangene Thiere zusammenzufassen, um aus diesen beiden Elementen ein Gesammtbild des Thierlebens zu entwerfen, wie es sich nach allen Richtungen hin von seinen Anfängen an entfaltete. Dort wurden auch in Kürze die verschiedenen Gesteinformationen angeführt, welche Reste von Thierwesen einschließen und einige allgemeine Re- sultate aus der Betrachtung derselben gezogen. Bei den verschiedenen Klassen und Ordnungen haben wir uns stets bemüht die Erscheinungs- zeit derselben, so wie die Entwicklung des Typus durch die verschie- denen geologischen Epochen hindurch anzuführen. Man vergesse aber nicht, daß hier keine Gewißheit erhalten werden kann. Es wird und muß dieser Nachweis stets ein unvollständiger sein, da nur diejenigen Organe des Thierleibes der Zerstörung durch die vielfachen Erdrevo- lutionen entgehen konnten, welche eine gewisse Festigkeit besitzen und es ganze Klassen von Thieren gibt, denen alle Organe solcher Art gänzlich abgehen. Namentlich findet dieses, wie wir gesehen haben, auch bei denjenigen Formen statt, welche die niedrigsten Typen einer Klasse darstellen, ein Umstand, durch welchen uns in der Entwicklungs- geschichte der Thierwelt gerade diese so wichtigen Anfangstypen durch- aus abgehen. Es kann wohl keinem Zweifel unterworfen werden, daß die Meere der Urwelt von einer ungemeinen Anzahl gallertartiger Wesen wimmelten, deren Spuren uns jetzt gänzlich verloren gegangen sind und es ist zum Beispiel weit mehr Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß eine Menge von Typen, ähnlich dem Lanzettfischchen, die älteren Ganoiden begleiteten, als aus dem Nichtvorhandensein solcher Reste das Gegentheil einer solchen Annahme erschlossen werden könnte. Wenn es sich deßhalb um Erforschung des Entwicklungsganges der Thier-
Vierzehnter Brief. Geſchichte der Chierwelt.
Schon in dem fünften Briefe wurden einige der Erſcheinungen erwähnt, welche die wiſſenſchaftliche Zoologie beſtimmen müſſen, lebende und untergegangene Thiere zuſammenzufaſſen, um aus dieſen beiden Elementen ein Geſammtbild des Thierlebens zu entwerfen, wie es ſich nach allen Richtungen hin von ſeinen Anfängen an entfaltete. Dort wurden auch in Kürze die verſchiedenen Geſteinformationen angeführt, welche Reſte von Thierweſen einſchließen und einige allgemeine Re- ſultate aus der Betrachtung derſelben gezogen. Bei den verſchiedenen Klaſſen und Ordnungen haben wir uns ſtets bemüht die Erſcheinungs- zeit derſelben, ſo wie die Entwicklung des Typus durch die verſchie- denen geologiſchen Epochen hindurch anzuführen. Man vergeſſe aber nicht, daß hier keine Gewißheit erhalten werden kann. Es wird und muß dieſer Nachweis ſtets ein unvollſtändiger ſein, da nur diejenigen Organe des Thierleibes der Zerſtörung durch die vielfachen Erdrevo- lutionen entgehen konnten, welche eine gewiſſe Feſtigkeit beſitzen und es ganze Klaſſen von Thieren gibt, denen alle Organe ſolcher Art gänzlich abgehen. Namentlich findet dieſes, wie wir geſehen haben, auch bei denjenigen Formen ſtatt, welche die niedrigſten Typen einer Klaſſe darſtellen, ein Umſtand, durch welchen uns in der Entwicklungs- geſchichte der Thierwelt gerade dieſe ſo wichtigen Anfangstypen durch- aus abgehen. Es kann wohl keinem Zweifel unterworfen werden, daß die Meere der Urwelt von einer ungemeinen Anzahl gallertartiger Weſen wimmelten, deren Spuren uns jetzt gänzlich verloren gegangen ſind und es iſt zum Beiſpiel weit mehr Wahrſcheinlichkeit vorhanden, daß eine Menge von Typen, ähnlich dem Lanzettfiſchchen, die älteren Ganoiden begleiteten, als aus dem Nichtvorhandenſein ſolcher Reſte das Gegentheil einer ſolchen Annahme erſchloſſen werden könnte. Wenn es ſich deßhalb um Erforſchung des Entwicklungsganges der Thier-
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Vierzehnter Brief.
Geſchichte der Chierwelt.
Schon in dem fünften Briefe wurden einige der Erſcheinungen
erwähnt, welche die wiſſenſchaftliche Zoologie beſtimmen müſſen, lebende
und untergegangene Thiere zuſammenzufaſſen, um aus dieſen beiden
Elementen ein Geſammtbild des Thierlebens zu entwerfen, wie es ſich
nach allen Richtungen hin von ſeinen Anfängen an entfaltete. Dort
wurden auch in Kürze die verſchiedenen Geſteinformationen angeführt,
welche Reſte von Thierweſen einſchließen und einige allgemeine Re-
ſultate aus der Betrachtung derſelben gezogen. Bei den verſchiedenen
Klaſſen und Ordnungen haben wir uns ſtets bemüht die Erſcheinungs-
zeit derſelben, ſo wie die Entwicklung des Typus durch die verſchie-
denen geologiſchen Epochen hindurch anzuführen. Man vergeſſe aber
nicht, daß hier keine Gewißheit erhalten werden kann. Es wird und
muß dieſer Nachweis ſtets ein unvollſtändiger ſein, da nur diejenigen
Organe des Thierleibes der Zerſtörung durch die vielfachen Erdrevo-
lutionen entgehen konnten, welche eine gewiſſe Feſtigkeit beſitzen und
es ganze Klaſſen von Thieren gibt, denen alle Organe ſolcher Art
gänzlich abgehen. Namentlich findet dieſes, wie wir geſehen haben,
auch bei denjenigen Formen ſtatt, welche die niedrigſten Typen einer
Klaſſe darſtellen, ein Umſtand, durch welchen uns in der Entwicklungs-
geſchichte der Thierwelt gerade dieſe ſo wichtigen Anfangstypen durch-
aus abgehen. Es kann wohl keinem Zweifel unterworfen werden,
daß die Meere der Urwelt von einer ungemeinen Anzahl gallertartiger
Weſen wimmelten, deren Spuren uns jetzt gänzlich verloren gegangen
ſind und es iſt zum Beiſpiel weit mehr Wahrſcheinlichkeit vorhanden,
daß eine Menge von Typen, ähnlich dem Lanzettfiſchchen, die älteren
Ganoiden begleiteten, als aus dem Nichtvorhandenſein ſolcher Reſte
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 591. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/597>, abgerufen am 22.11.2024.
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