Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

Es gibt ein Geschlecht dieser Thiere, das stets in schwarzem Rocke und schwarzen Kleidern einhergeht, und das man Kakerlaken oder Schaben nennt. Das Volk sagt auch Schwaben ohne Zweifel in Anerkennung jenes vortrefflichen Stiftes in Tübingen, welches diese Schwarzröcke in Fülle und ausgezeichneter Ausbildung erzeugt. Die Russen nennen sie sogar Preußen (Prussiaki) - vielleicht in antizipirender Anerkennung des Verdienstes, das Hengstenberg, Krummacher, Stahl und Gerlach sich um die Herstellung des Reiches Gottes in den Sandebenen der Mark erworben haben. Wohlgenährt, fett, breit, glänzend auf ihrer ganzen Oberfläche, sind diese Kakerlaken mit feinen, zarten Fühlhörnern ausgerüstet, mit welchen sie überall umhertasten, bevor sie sich aus ihren Schlupfwinkeln hervorwagen. Sie haben Flügel, aber sie brauchen sie nur selten; meist legen sie sie zierlich zusammen und verbergen darunter die häßlichen Krallenfüße, welche ihnen die Natur zum Wahrzeichen gegeben hat. Anfangs nur an wenigen Punkten und in geringer Zahl vorhanden, haben sie sich nach und nach fast über die ganze Erde ausgebreitet. Die Form und der Schnitt ihres Kleides ist freilich, je nach ihren Aufenthaltsorten, verändert worden; sie tragen bald längere, bald kürzere Flügeldecken, bald breite, hutartige Verlängerungen auf dem Kopfe, bald zipfelartige Spitzen; aber bei allem verschiedenen Kostüm ist ihr Wesen an allen Orten dasselbe geblieben. Ueberall sind es dieselben schwarzen, unheimlichen Gesellen, mit ihrem wohlgenährten Aeußern und ihrer lichtscheuen Natur.

Tages über bergen sie sich in ihren Schlupfwinkeln, wo sie einzeln oder gesellig des Augenblicks harren, der andere Wesen in Schlummer wiegt. Sie fliehen die frischen

Es gibt ein Geschlecht dieser Thiere, das stets in schwarzem Rocke und schwarzen Kleidern einhergeht, und das man Kakerlaken oder Schaben nennt. Das Volk sagt auch Schwaben ohne Zweifel in Anerkennung jenes vortrefflichen Stiftes in Tübingen, welches diese Schwarzröcke in Fülle und ausgezeichneter Ausbildung erzeugt. Die Russen nennen sie sogar Preußen (Prussiaki) – vielleicht in antizipirender Anerkennung des Verdienstes, das Hengstenberg, Krummacher, Stahl und Gerlach sich um die Herstellung des Reiches Gottes in den Sandebenen der Mark erworben haben. Wohlgenährt, fett, breit, glänzend auf ihrer ganzen Oberfläche, sind diese Kakerlaken mit feinen, zarten Fühlhörnern ausgerüstet, mit welchen sie überall umhertasten, bevor sie sich aus ihren Schlupfwinkeln hervorwagen. Sie haben Flügel, aber sie brauchen sie nur selten; meist legen sie sie zierlich zusammen und verbergen darunter die häßlichen Krallenfüße, welche ihnen die Natur zum Wahrzeichen gegeben hat. Anfangs nur an wenigen Punkten und in geringer Zahl vorhanden, haben sie sich nach und nach fast über die ganze Erde ausgebreitet. Die Form und der Schnitt ihres Kleides ist freilich, je nach ihren Aufenthaltsorten, verändert worden; sie tragen bald längere, bald kürzere Flügeldecken, bald breite, hutartige Verlängerungen auf dem Kopfe, bald zipfelartige Spitzen; aber bei allem verschiedenen Kostüm ist ihr Wesen an allen Orten dasselbe geblieben. Ueberall sind es dieselben schwarzen, unheimlichen Gesellen, mit ihrem wohlgenährten Aeußern und ihrer lichtscheuen Natur.

Tages über bergen sie sich in ihren Schlupfwinkeln, wo sie einzeln oder gesellig des Augenblicks harren, der andere Wesen in Schlummer wiegt. Sie fliehen die frischen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0156" n="128"/>
          <p>Es gibt ein Geschlecht dieser Thiere, das stets in schwarzem Rocke und schwarzen Kleidern einhergeht, und das man <hi rendition="#g">Kakerlaken</hi> oder <hi rendition="#g">Schaben</hi> nennt. Das Volk sagt auch <hi rendition="#g">Schwaben</hi> ohne Zweifel in Anerkennung jenes vortrefflichen Stiftes in Tübingen, welches diese Schwarzröcke in Fülle und ausgezeichneter Ausbildung erzeugt. Die Russen nennen sie sogar Preußen (<hi rendition="#aq">Prussiaki</hi>) &#x2013; vielleicht in antizipirender Anerkennung des Verdienstes, das Hengstenberg, Krummacher, Stahl und Gerlach sich um die Herstellung des Reiches Gottes in den Sandebenen der Mark erworben haben. Wohlgenährt, fett, breit, glänzend auf ihrer ganzen Oberfläche, sind diese Kakerlaken mit feinen, zarten Fühlhörnern ausgerüstet, mit welchen sie überall umhertasten, bevor sie sich aus ihren Schlupfwinkeln hervorwagen. Sie haben Flügel, aber sie brauchen sie nur selten; meist legen sie sie zierlich zusammen und verbergen darunter die häßlichen Krallenfüße, welche ihnen die Natur zum Wahrzeichen gegeben hat. Anfangs nur an wenigen Punkten und in geringer Zahl vorhanden, haben sie sich nach und nach fast über die ganze Erde ausgebreitet. Die Form und der Schnitt ihres Kleides ist freilich, je nach ihren Aufenthaltsorten, verändert worden; sie tragen bald längere, bald kürzere Flügeldecken, bald breite, hutartige Verlängerungen auf dem Kopfe, bald zipfelartige Spitzen; aber bei allem verschiedenen Kostüm ist ihr Wesen an allen Orten dasselbe geblieben. Ueberall sind es dieselben schwarzen, unheimlichen Gesellen, mit ihrem wohlgenährten Aeußern und ihrer lichtscheuen Natur.</p>
          <p>Tages über bergen sie sich in ihren Schlupfwinkeln, wo sie einzeln oder gesellig des Augenblicks harren, der andere Wesen in Schlummer wiegt. Sie fliehen die frischen
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0156] Es gibt ein Geschlecht dieser Thiere, das stets in schwarzem Rocke und schwarzen Kleidern einhergeht, und das man Kakerlaken oder Schaben nennt. Das Volk sagt auch Schwaben ohne Zweifel in Anerkennung jenes vortrefflichen Stiftes in Tübingen, welches diese Schwarzröcke in Fülle und ausgezeichneter Ausbildung erzeugt. Die Russen nennen sie sogar Preußen (Prussiaki) – vielleicht in antizipirender Anerkennung des Verdienstes, das Hengstenberg, Krummacher, Stahl und Gerlach sich um die Herstellung des Reiches Gottes in den Sandebenen der Mark erworben haben. Wohlgenährt, fett, breit, glänzend auf ihrer ganzen Oberfläche, sind diese Kakerlaken mit feinen, zarten Fühlhörnern ausgerüstet, mit welchen sie überall umhertasten, bevor sie sich aus ihren Schlupfwinkeln hervorwagen. Sie haben Flügel, aber sie brauchen sie nur selten; meist legen sie sie zierlich zusammen und verbergen darunter die häßlichen Krallenfüße, welche ihnen die Natur zum Wahrzeichen gegeben hat. Anfangs nur an wenigen Punkten und in geringer Zahl vorhanden, haben sie sich nach und nach fast über die ganze Erde ausgebreitet. Die Form und der Schnitt ihres Kleides ist freilich, je nach ihren Aufenthaltsorten, verändert worden; sie tragen bald längere, bald kürzere Flügeldecken, bald breite, hutartige Verlängerungen auf dem Kopfe, bald zipfelartige Spitzen; aber bei allem verschiedenen Kostüm ist ihr Wesen an allen Orten dasselbe geblieben. Ueberall sind es dieselben schwarzen, unheimlichen Gesellen, mit ihrem wohlgenährten Aeußern und ihrer lichtscheuen Natur. Tages über bergen sie sich in ihren Schlupfwinkeln, wo sie einzeln oder gesellig des Augenblicks harren, der andere Wesen in Schlummer wiegt. Sie fliehen die frischen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universität Michigan: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche „—“ werden als normale Gedankenstriche „–“ wiedergegeben.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/156
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/156>, abgerufen am 27.11.2024.