Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851.Insekt unter der Sonne, als ein solches wandelndes Blatt! Während es scheinbar in frommen Gedanken versunken sitzt und die gefalteten Hände erhebt, späht es mit mordgierigen Blicken nach allen Seiten umher, ob sich ihm etwa eine Beute nähert. Wehe der armen Fliege oder Heuschrecke, welche in sein Bereich kommt. Langsam hebt der Beter den Kopf und die Hände; er berechnet den Raum, der ihn von dem arglosen Insekte trennt, er späht umher, ob nicht zufällig ein Zeuge seiner Unthat in der Nähe sich finde; ein Sprung, ein Hieb mit der sensenförmigen Klaue - das arme Thier ist gepackt und mit den Zähnen des zusammengeklappten Fußes festgehalten. Nun wird es zerhauen, zerschnitten, aufgezehrt. Kaum ist das Mahl vollendet, die Fühlhörner, die Kiefer und die Klauenfüße geputzt, so setzt sich das hinterlistige Thier auf's Neue in betender Stellung hin und erbaut die Vorübergehenden durch seinen Anblick. Nichts kann ihre Geduld im Lauern auf die Beute ermüden. Stundenlang sitzen sie so im Grase mit erhobener Brust und gefalteten Armen, und drehen den Kopf nach allen Seiten, zu spähen, wohin der Käfer, die Mücke, die Heuschrecke kriecht, welche sie sich ausersehen haben. Nähert sich das Thier nicht, so schleichen sie langsam wie eine Katze heran. Bei jeder Bewegung des erkorenen Opfers halten sie an und erscheinen, in ihrer Unbeweglichkeit, wie ein Grashalm oder ein Blatt. Wendet das Thier den Blick ab, so schleichen sie vorwärts und erhaschen es endlich im Sprunge. Oft auch verfolgen sie ihre Beute durch die Luft im Fluge, hacken sich mit ihren Fangklauen in den Leib des fliehenden Thieres ein und fressen ihm Stücke aus dem Hinterleibe, während es noch ängstlich zu entfliehen sucht. Sie tödten nicht das Thier, um es nachher Insekt unter der Sonne, als ein solches wandelndes Blatt! Während es scheinbar in frommen Gedanken versunken sitzt und die gefalteten Hände erhebt, späht es mit mordgierigen Blicken nach allen Seiten umher, ob sich ihm etwa eine Beute nähert. Wehe der armen Fliege oder Heuschrecke, welche in sein Bereich kommt. Langsam hebt der Beter den Kopf und die Hände; er berechnet den Raum, der ihn von dem arglosen Insekte trennt, er späht umher, ob nicht zufällig ein Zeuge seiner Unthat in der Nähe sich finde; ein Sprung, ein Hieb mit der sensenförmigen Klaue – das arme Thier ist gepackt und mit den Zähnen des zusammengeklappten Fußes festgehalten. Nun wird es zerhauen, zerschnitten, aufgezehrt. Kaum ist das Mahl vollendet, die Fühlhörner, die Kiefer und die Klauenfüße geputzt, so setzt sich das hinterlistige Thier auf’s Neue in betender Stellung hin und erbaut die Vorübergehenden durch seinen Anblick. Nichts kann ihre Geduld im Lauern auf die Beute ermüden. Stundenlang sitzen sie so im Grase mit erhobener Brust und gefalteten Armen, und drehen den Kopf nach allen Seiten, zu spähen, wohin der Käfer, die Mücke, die Heuschrecke kriecht, welche sie sich ausersehen haben. Nähert sich das Thier nicht, so schleichen sie langsam wie eine Katze heran. Bei jeder Bewegung des erkorenen Opfers halten sie an und erscheinen, in ihrer Unbeweglichkeit, wie ein Grashalm oder ein Blatt. Wendet das Thier den Blick ab, so schleichen sie vorwärts und erhaschen es endlich im Sprunge. Oft auch verfolgen sie ihre Beute durch die Luft im Fluge, hacken sich mit ihren Fangklauen in den Leib des fliehenden Thieres ein und fressen ihm Stücke aus dem Hinterleibe, während es noch ängstlich zu entfliehen sucht. Sie tödten nicht das Thier, um es nachher <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0171" n="143"/> Insekt unter der Sonne, als ein solches wandelndes Blatt! Während es scheinbar in frommen Gedanken versunken sitzt und die gefalteten Hände erhebt, späht es mit mordgierigen Blicken nach allen Seiten umher, ob sich ihm etwa eine Beute nähert. Wehe der armen Fliege oder Heuschrecke, welche in sein Bereich kommt. Langsam hebt der Beter den Kopf und die Hände; er berechnet den Raum, der ihn von dem arglosen Insekte trennt, er späht umher, ob nicht zufällig ein Zeuge seiner Unthat in der Nähe sich finde; ein Sprung, ein Hieb mit der sensenförmigen Klaue – das arme Thier ist gepackt und mit den Zähnen des zusammengeklappten Fußes festgehalten. Nun wird es zerhauen, zerschnitten, aufgezehrt. Kaum ist das Mahl vollendet, die Fühlhörner, die Kiefer und die Klauenfüße geputzt, so setzt sich das hinterlistige Thier auf’s Neue in betender Stellung hin und erbaut die Vorübergehenden durch seinen Anblick.</p> <p>Nichts kann ihre Geduld im Lauern auf die Beute ermüden. Stundenlang sitzen sie so im Grase mit erhobener Brust und gefalteten Armen, und drehen den Kopf nach allen Seiten, zu spähen, wohin der Käfer, die Mücke, die Heuschrecke kriecht, welche sie sich ausersehen haben. Nähert sich das Thier nicht, so schleichen sie langsam wie eine Katze heran. Bei jeder Bewegung des erkorenen Opfers halten sie an und erscheinen, in ihrer Unbeweglichkeit, wie ein Grashalm oder ein Blatt. Wendet das Thier den Blick ab, so schleichen sie vorwärts und erhaschen es endlich im Sprunge. Oft auch verfolgen sie ihre Beute durch die Luft im Fluge, hacken sich mit ihren Fangklauen in den Leib des fliehenden Thieres ein und fressen ihm Stücke aus dem Hinterleibe, während es noch ängstlich zu entfliehen sucht. Sie tödten nicht das Thier, um es nachher </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [143/0171]
Insekt unter der Sonne, als ein solches wandelndes Blatt! Während es scheinbar in frommen Gedanken versunken sitzt und die gefalteten Hände erhebt, späht es mit mordgierigen Blicken nach allen Seiten umher, ob sich ihm etwa eine Beute nähert. Wehe der armen Fliege oder Heuschrecke, welche in sein Bereich kommt. Langsam hebt der Beter den Kopf und die Hände; er berechnet den Raum, der ihn von dem arglosen Insekte trennt, er späht umher, ob nicht zufällig ein Zeuge seiner Unthat in der Nähe sich finde; ein Sprung, ein Hieb mit der sensenförmigen Klaue – das arme Thier ist gepackt und mit den Zähnen des zusammengeklappten Fußes festgehalten. Nun wird es zerhauen, zerschnitten, aufgezehrt. Kaum ist das Mahl vollendet, die Fühlhörner, die Kiefer und die Klauenfüße geputzt, so setzt sich das hinterlistige Thier auf’s Neue in betender Stellung hin und erbaut die Vorübergehenden durch seinen Anblick.
Nichts kann ihre Geduld im Lauern auf die Beute ermüden. Stundenlang sitzen sie so im Grase mit erhobener Brust und gefalteten Armen, und drehen den Kopf nach allen Seiten, zu spähen, wohin der Käfer, die Mücke, die Heuschrecke kriecht, welche sie sich ausersehen haben. Nähert sich das Thier nicht, so schleichen sie langsam wie eine Katze heran. Bei jeder Bewegung des erkorenen Opfers halten sie an und erscheinen, in ihrer Unbeweglichkeit, wie ein Grashalm oder ein Blatt. Wendet das Thier den Blick ab, so schleichen sie vorwärts und erhaschen es endlich im Sprunge. Oft auch verfolgen sie ihre Beute durch die Luft im Fluge, hacken sich mit ihren Fangklauen in den Leib des fliehenden Thieres ein und fressen ihm Stücke aus dem Hinterleibe, während es noch ängstlich zu entfliehen sucht. Sie tödten nicht das Thier, um es nachher
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