Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Kaffee hat der Menschheit den legitimen Staatsschlaf geraubt und sie in die beunruhigenden Traumphantasieen gestürzt, in welchen sie sich schlaflos umherwälzt. Die bürgerlich sittsame, schwer bewegliche, knollig gestaltende Kartoffel hält einzig noch diesem zerstörenden orientalischen Gesellschaftsgift das Gleichgewicht. Die Kartoffelkrankheit war das Signal zu den europäischen Revolutionen. Der Kaffee überwand die Kartoffel in ihrer krankhaften Schwäche. Sie war faul, theilnahmlos geworden. Die beste Thätigkeit für den Treubund wäre Anfeuerung des Kartoffelbaues, wirksamer für die Ausbreitung seiner Grundsätze und die Anerkennung seiner Mitglieder, als königliche Händedrücke bei militärischen Staatsfeierlichkeiten und offiziellen Enthüllungen. Die Monarchie weiß das - sie wird bald ganz Deutschland so weit finanziell ruinirt haben, daß alle Unterthanen nur noch Kartoffeln zum Ersatz ihrer Körperatome verwenden können. Die Natur kommt zu Hülfe. Auf Java ist die Kaffeeernte mißrathen, und die Pflanzungen auf Jahre hinaus ruinirt. Kein Zweifel, daß die Reaktion längere Zeit hindurch siegen wird. Die Exilirten können ruhig nach Amerika gehen - bis der Kaffe wieder gerathen ist.

Die Gesetze, nach welchen die Welt regiert wird, sind geheimnißvoll. Die mechanischen Gesetze sind leider! nur zu sehr bekannt - die Oeffentlichkeit indeß konnte sogar der Weltordnung nicht schädlich werden. Als Laplace seine mecanique celeste dem Kaiser Napoleon überreicht hatte, fragte ihn dieser, warum er in dem Buche nicht von Gott spreche. "Sire," antwortete Laplace, "ich hatte diese Hypothese nicht nöthig!" Man schaudert bei dem Gedanken, daß Laplace seinen Scharfsinn auf Erforschung der Gesetze

Der Kaffee hat der Menschheit den legitimen Staatsschlaf geraubt und sie in die beunruhigenden Traumphantasieen gestürzt, in welchen sie sich schlaflos umherwälzt. Die bürgerlich sittsame, schwer bewegliche, knollig gestaltende Kartoffel hält einzig noch diesem zerstörenden orientalischen Gesellschaftsgift das Gleichgewicht. Die Kartoffelkrankheit war das Signal zu den europäischen Revolutionen. Der Kaffee überwand die Kartoffel in ihrer krankhaften Schwäche. Sie war faul, theilnahmlos geworden. Die beste Thätigkeit für den Treubund wäre Anfeuerung des Kartoffelbaues, wirksamer für die Ausbreitung seiner Grundsätze und die Anerkennung seiner Mitglieder, als königliche Händedrücke bei militärischen Staatsfeierlichkeiten und offiziellen Enthüllungen. Die Monarchie weiß das – sie wird bald ganz Deutschland so weit finanziell ruinirt haben, daß alle Unterthanen nur noch Kartoffeln zum Ersatz ihrer Körperatome verwenden können. Die Natur kommt zu Hülfe. Auf Java ist die Kaffeeernte mißrathen, und die Pflanzungen auf Jahre hinaus ruinirt. Kein Zweifel, daß die Reaktion längere Zeit hindurch siegen wird. Die Exilirten können ruhig nach Amerika gehen – bis der Kaffe wieder gerathen ist.

Die Gesetze, nach welchen die Welt regiert wird, sind geheimnißvoll. Die mechanischen Gesetze sind leider! nur zu sehr bekannt – die Oeffentlichkeit indeß konnte sogar der Weltordnung nicht schädlich werden. Als Laplace seine mécanique celéste dem Kaiser Napoleon überreicht hatte, fragte ihn dieser, warum er in dem Buche nicht von Gott spreche. „Sire,“ antwortete Laplace, „ich hatte diese Hypothese nicht nöthig!“ Man schaudert bei dem Gedanken, daß Laplace seinen Scharfsinn auf Erforschung der Gesetze

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0032" n="6"/>
Der Kaffee hat der Menschheit den legitimen Staatsschlaf geraubt und sie in die beunruhigenden Traumphantasieen gestürzt, in welchen sie sich schlaflos umherwälzt. Die bürgerlich sittsame, schwer bewegliche, knollig gestaltende Kartoffel hält einzig noch diesem zerstörenden orientalischen Gesellschaftsgift das Gleichgewicht. Die Kartoffelkrankheit war das Signal zu den europäischen Revolutionen. Der Kaffee überwand die Kartoffel in ihrer krankhaften Schwäche. Sie war faul, theilnahmlos geworden. Die beste Thätigkeit für den Treubund wäre Anfeuerung des Kartoffelbaues, wirksamer für die Ausbreitung seiner Grundsätze und die Anerkennung seiner Mitglieder, als königliche Händedrücke bei militärischen Staatsfeierlichkeiten und offiziellen Enthüllungen. Die Monarchie weiß das &#x2013; sie wird bald ganz Deutschland so weit finanziell ruinirt haben, daß alle Unterthanen nur noch Kartoffeln zum Ersatz ihrer Körperatome verwenden können. Die Natur kommt zu Hülfe. Auf Java ist die Kaffeeernte mißrathen, und die Pflanzungen auf Jahre hinaus ruinirt. Kein Zweifel, daß die Reaktion längere Zeit hindurch siegen wird. Die Exilirten können ruhig nach Amerika gehen &#x2013; bis der Kaffe wieder gerathen ist.</p>
        <p>Die Gesetze, nach welchen die Welt regiert wird, sind geheimnißvoll. Die mechanischen Gesetze sind leider! nur zu sehr bekannt &#x2013; die Oeffentlichkeit indeß konnte sogar der Weltordnung nicht schädlich werden. Als Laplace seine <hi rendition="#aq">mécanique celéste</hi> dem Kaiser Napoleon überreicht hatte, fragte ihn dieser, warum er in dem Buche nicht von Gott spreche. &#x201E;Sire,&#x201C; antwortete Laplace, &#x201E;ich hatte diese Hypothese nicht nöthig!&#x201C; Man schaudert bei dem Gedanken, daß Laplace seinen Scharfsinn auf Erforschung der Gesetze
</p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[6/0032] Der Kaffee hat der Menschheit den legitimen Staatsschlaf geraubt und sie in die beunruhigenden Traumphantasieen gestürzt, in welchen sie sich schlaflos umherwälzt. Die bürgerlich sittsame, schwer bewegliche, knollig gestaltende Kartoffel hält einzig noch diesem zerstörenden orientalischen Gesellschaftsgift das Gleichgewicht. Die Kartoffelkrankheit war das Signal zu den europäischen Revolutionen. Der Kaffee überwand die Kartoffel in ihrer krankhaften Schwäche. Sie war faul, theilnahmlos geworden. Die beste Thätigkeit für den Treubund wäre Anfeuerung des Kartoffelbaues, wirksamer für die Ausbreitung seiner Grundsätze und die Anerkennung seiner Mitglieder, als königliche Händedrücke bei militärischen Staatsfeierlichkeiten und offiziellen Enthüllungen. Die Monarchie weiß das – sie wird bald ganz Deutschland so weit finanziell ruinirt haben, daß alle Unterthanen nur noch Kartoffeln zum Ersatz ihrer Körperatome verwenden können. Die Natur kommt zu Hülfe. Auf Java ist die Kaffeeernte mißrathen, und die Pflanzungen auf Jahre hinaus ruinirt. Kein Zweifel, daß die Reaktion längere Zeit hindurch siegen wird. Die Exilirten können ruhig nach Amerika gehen – bis der Kaffe wieder gerathen ist. Die Gesetze, nach welchen die Welt regiert wird, sind geheimnißvoll. Die mechanischen Gesetze sind leider! nur zu sehr bekannt – die Oeffentlichkeit indeß konnte sogar der Weltordnung nicht schädlich werden. Als Laplace seine mécanique celéste dem Kaiser Napoleon überreicht hatte, fragte ihn dieser, warum er in dem Buche nicht von Gott spreche. „Sire,“ antwortete Laplace, „ich hatte diese Hypothese nicht nöthig!“ Man schaudert bei dem Gedanken, daß Laplace seinen Scharfsinn auf Erforschung der Gesetze

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universität Michigan: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche „—“ werden als normale Gedankenstriche „–“ wiedergegeben.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/32
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/32>, abgerufen am 03.12.2024.