Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

In keinem Thierstaate existirt eine geschriebene Constitution - überall haben sich die Gesetze unter zweckmäßiger Vertheilung der Nahrung im Laufe der Zeiten, wie in England, herangebildet, und trotzen allen Stürmen der Zeit. Wann wird jene glückliche Epoche eintreten, wo man das Menschengeschlecht, statt mit papiernen Gesetzen, mit substantieller Nahrung regieren wird?

Nicht alle Thiere leben unter staatlichen Formen vereinigt. Streng geschlossene Gesellschaften stehen oft anarchisch umherschweifenden Individuen entgegen. Stets aber haben Thiere derselben Art auch dieselbe Staatsform, dieselbe logische Gedankenfolge in der Verwirklichung ihrer socialen Ideen - wie leicht ersichtlich, aus dem einfachen

Seefische, in genügender Quantität absorbirt, in seine Circulation übergegangen und seinem erschlafften Körper assimilirt, als Herr Rießer wieder drall wurde und aus der Tiefe seines Magens aufs Neue revolutionäre Dünste aufstiegen. Bald hatten sich diese so sehr verdickt und das Gehirn eingenommen, daß der Edle Anfangs sich weigerte, nach Erfurt zu gehen. Die Uebersendung einer Pastete von Hornau bestimmte den Entschluß. In Erfurt trat er auf, wie im Vorparlamente, kühn, radikal, begeistert, revolutionär. Die Festungskost schwächte etwas die Wirkung der Hamburger Nahrung in ihrer Nachhaltigkeit - das Experiment dauerte leider, trotz der verzweifelten Kunstvorstellungen des preußischen Cagliostro's, nicht lange genug, um aufs Neue zu jenen Resultaten von Frankfurt zu führen - aber der eingeschlagene Weg ließ sich schon deutlich erkennen. Herr Rießer wurde von der Festungskost erlöst und dem Hamburger Rindfleische wiedergegeben - seit einem Jahre genießt er es wieder - täglich und reichlich - und aufs Neue glänzt er als mächtiger Stern an dem schwach gefärbten Himmel deutscher Opposition, feurige Strahlen schießend gegen diejenigen, welche die Einheit und Größe des Vaterlandes durch rettende Thaten verretteten. O Göttin der Freiheit! Erhalte uns dieß Objekt wissenschaftlicher Beobachtungen noch lange bei wechselnder Nahrung, damit die Theorie eines deiner Jünger nicht an ihm zu Schanden werde!     Späterer Zusatz.

In keinem Thierstaate existirt eine geschriebene Constitution – überall haben sich die Gesetze unter zweckmäßiger Vertheilung der Nahrung im Laufe der Zeiten, wie in England, herangebildet, und trotzen allen Stürmen der Zeit. Wann wird jene glückliche Epoche eintreten, wo man das Menschengeschlecht, statt mit papiernen Gesetzen, mit substantieller Nahrung regieren wird?

Nicht alle Thiere leben unter staatlichen Formen vereinigt. Streng geschlossene Gesellschaften stehen oft anarchisch umherschweifenden Individuen entgegen. Stets aber haben Thiere derselben Art auch dieselbe Staatsform, dieselbe logische Gedankenfolge in der Verwirklichung ihrer socialen Ideen – wie leicht ersichtlich, aus dem einfachen

Seefische, in genügender Quantität absorbirt, in seine Circulation übergegangen und seinem erschlafften Körper assimilirt, als Herr Rießer wieder drall wurde und aus der Tiefe seines Magens aufs Neue revolutionäre Dünste aufstiegen. Bald hatten sich diese so sehr verdickt und das Gehirn eingenommen, daß der Edle Anfangs sich weigerte, nach Erfurt zu gehen. Die Uebersendung einer Pastete von Hornau bestimmte den Entschluß. In Erfurt trat er auf, wie im Vorparlamente, kühn, radikal, begeistert, revolutionär. Die Festungskost schwächte etwas die Wirkung der Hamburger Nahrung in ihrer Nachhaltigkeit – das Experiment dauerte leider, trotz der verzweifelten Kunstvorstellungen des preußischen Cagliostro’s, nicht lange genug, um aufs Neue zu jenen Resultaten von Frankfurt zu führen – aber der eingeschlagene Weg ließ sich schon deutlich erkennen. Herr Rießer wurde von der Festungskost erlöst und dem Hamburger Rindfleische wiedergegeben – seit einem Jahre genießt er es wieder – täglich und reichlich – und aufs Neue glänzt er als mächtiger Stern an dem schwach gefärbten Himmel deutscher Opposition, feurige Strahlen schießend gegen diejenigen, welche die Einheit und Größe des Vaterlandes durch rettende Thaten verretteten. O Göttin der Freiheit! Erhalte uns dieß Objekt wissenschaftlicher Beobachtungen noch lange bei wechselnder Nahrung, damit die Theorie eines deiner Jünger nicht an ihm zu Schanden werde!     Späterer Zusatz.
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0052" n="26"/>
In keinem Thierstaate existirt eine geschriebene Constitution &#x2013; überall haben sich die Gesetze unter zweckmäßiger Vertheilung der Nahrung im Laufe der Zeiten, wie in England, herangebildet, und trotzen allen Stürmen der Zeit. Wann wird jene glückliche Epoche eintreten, wo man das Menschengeschlecht, statt mit papiernen Gesetzen, mit substantieller Nahrung regieren wird?</p>
        <p>Nicht alle Thiere leben unter staatlichen Formen vereinigt. Streng geschlossene Gesellschaften stehen oft anarchisch umherschweifenden Individuen entgegen. Stets aber haben Thiere derselben Art auch dieselbe Staatsform, dieselbe logische Gedankenfolge in der Verwirklichung ihrer socialen Ideen &#x2013; wie leicht ersichtlich, aus dem einfachen<note place="foot">Seefische, in genügender Quantität absorbirt, in seine Circulation übergegangen und seinem erschlafften Körper assimilirt, als Herr Rießer wieder drall wurde und aus der Tiefe seines Magens aufs Neue revolutionäre Dünste aufstiegen. Bald hatten sich diese so sehr verdickt und das Gehirn eingenommen, daß der Edle Anfangs sich weigerte, nach Erfurt zu gehen. Die Uebersendung einer Pastete von Hornau bestimmte den Entschluß. In Erfurt trat er auf, wie im Vorparlamente, kühn, radikal, begeistert, revolutionär. Die Festungskost schwächte etwas die Wirkung der Hamburger Nahrung in ihrer Nachhaltigkeit &#x2013; das Experiment dauerte leider, trotz der verzweifelten Kunstvorstellungen des preußischen Cagliostro&#x2019;s, nicht lange genug, um aufs Neue zu jenen Resultaten von Frankfurt zu führen &#x2013; aber der eingeschlagene Weg ließ sich schon deutlich erkennen. Herr Rießer wurde von der Festungskost erlöst und dem Hamburger Rindfleische wiedergegeben &#x2013; seit einem Jahre genießt er es wieder &#x2013; täglich und reichlich &#x2013; und aufs Neue glänzt er als mächtiger Stern an dem schwach gefärbten Himmel deutscher Opposition, feurige Strahlen schießend gegen diejenigen, welche die Einheit und Größe des Vaterlandes durch rettende Thaten verretteten. O Göttin der Freiheit! Erhalte uns dieß Objekt wissenschaftlicher Beobachtungen noch lange bei wechselnder Nahrung, damit die Theorie eines deiner Jünger nicht an ihm zu Schanden werde! <space dim="horizontal"/> Späterer Zusatz.</note>
</p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[26/0052] In keinem Thierstaate existirt eine geschriebene Constitution – überall haben sich die Gesetze unter zweckmäßiger Vertheilung der Nahrung im Laufe der Zeiten, wie in England, herangebildet, und trotzen allen Stürmen der Zeit. Wann wird jene glückliche Epoche eintreten, wo man das Menschengeschlecht, statt mit papiernen Gesetzen, mit substantieller Nahrung regieren wird? Nicht alle Thiere leben unter staatlichen Formen vereinigt. Streng geschlossene Gesellschaften stehen oft anarchisch umherschweifenden Individuen entgegen. Stets aber haben Thiere derselben Art auch dieselbe Staatsform, dieselbe logische Gedankenfolge in der Verwirklichung ihrer socialen Ideen – wie leicht ersichtlich, aus dem einfachen Seefische, in genügender Quantität absorbirt, in seine Circulation übergegangen und seinem erschlafften Körper assimilirt, als Herr Rießer wieder drall wurde und aus der Tiefe seines Magens aufs Neue revolutionäre Dünste aufstiegen. Bald hatten sich diese so sehr verdickt und das Gehirn eingenommen, daß der Edle Anfangs sich weigerte, nach Erfurt zu gehen. Die Uebersendung einer Pastete von Hornau bestimmte den Entschluß. In Erfurt trat er auf, wie im Vorparlamente, kühn, radikal, begeistert, revolutionär. Die Festungskost schwächte etwas die Wirkung der Hamburger Nahrung in ihrer Nachhaltigkeit – das Experiment dauerte leider, trotz der verzweifelten Kunstvorstellungen des preußischen Cagliostro’s, nicht lange genug, um aufs Neue zu jenen Resultaten von Frankfurt zu führen – aber der eingeschlagene Weg ließ sich schon deutlich erkennen. Herr Rießer wurde von der Festungskost erlöst und dem Hamburger Rindfleische wiedergegeben – seit einem Jahre genießt er es wieder – täglich und reichlich – und aufs Neue glänzt er als mächtiger Stern an dem schwach gefärbten Himmel deutscher Opposition, feurige Strahlen schießend gegen diejenigen, welche die Einheit und Größe des Vaterlandes durch rettende Thaten verretteten. O Göttin der Freiheit! Erhalte uns dieß Objekt wissenschaftlicher Beobachtungen noch lange bei wechselnder Nahrung, damit die Theorie eines deiner Jünger nicht an ihm zu Schanden werde! Späterer Zusatz.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universität Michigan: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche „—“ werden als normale Gedankenstriche „–“ wiedergegeben.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/52
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/52>, abgerufen am 27.11.2024.