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Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874.

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Völkerschaften, die fast nichts Anderes für heilig und göttlich erachten, als dergleichen äusserliche Gegenstände, Organismen und allerlei oft mit roher Kunst geformte Dinge von plumper Gestalt. Ein solches Objekt der Anbetung heisst ein Fetisch, der ganze Dienst selbst Fetischismus. Eine eigentliche Vielgötterei lässt sich darunter nicht verstehen, da auf dieser Stufe der Erkenntniss an die Festsetzung eines bestimmten Gottes oder an mehrere Götter noch nicht gedacht wurde, sondern blos an etwas Uebermenschliches, vor welchem man Schauer empfand, Scheu, Angst, Ehrfurcht. In diesen Regungen der Seele möchten wir, ohne Zweifel mit Recht, das früheste Aufdämmern der Ahnung sehen, dass es ausserhalb der Menschen gleichsam etwas Unendliches gebe, das sich dem endlichen Geist als unbegreiflich aufdringe. Also würde im besten Sinne die Fetischverehrung den allerersten Anlauf zu einer Religion bezeichnen. Freilich verbirgt sich dahinter auch der gleichzeitige Ursprung des Glaubens an Zauberei, Hexerei und Geisterseherei; was sehr entschuldbar und durchaus nicht auffällig ist. Denn die Menschengeschöpfe jener weit entlegenen Vorzeit waren mit der Natur noch so wenig vertraut, dass es ihnen in den meisten Fällen, zuerst wohl überall, an einer jeglichen Erklärung dessen gebrechen musste, was in ihren Augen wunderbar schien, eigentlich aber gesetzlich und ganz einfach zugegangen war. An das Kindesalter ihrer Bildung dürfen wir keine sonderlichen Anforderungen stellen, noch weniger wäre die Meinung derer begründet, welche ohne Bedenken den kalten Ausspruch wagten: die heutigen Völkerschaften und wildlebenden Horden, die jenem Glauben an die Fetische bis auf diese Stunde ergeben sind, bewiesen damit ihre gänzliche Unfähigkeit zur Kultur. Das hiesse diesen armen Barbaren schweres Unrecht thun. Sie verdienen kein härteres Urtheil, als dass wir sagen, sie seien auf den frühesten Anfängen der Menschenbildung zurückgeblieben, wahrend es sogar zweifelhaft erscheine, ob das Klima der Region, worin sie leben, hier die Hitze, dort der Frost, ihnen je gestatten werde über ihre geistig tiefen Zustände hinauszugelangen. Das können wir vom allgemeinen Standpunkt der Menschheit aus bedauern. Dagegen nicht bedauernswerth ist es, sondern bitter und niederschlagend, wenn wir wahrnehmen, dass selbst innerhalb der gesellschaftlichen Kreise, die einen achtungswerthen Grad der Civilisation errungen zu haben sich brüsten, noch immer eine Masse Personen vorhanden sind, die sich die Existenz übernatürlicher Einwirkungen nicht ausreden lassen, an Geistererscheinungen glauben, an Geheimnisse der Zauberei und an die Schreckgestalten von Gespenstern. Keine Belehrung fruchtet bei dieser Gattung von Menschen, im tiefsten Innern taucht der alte Wahn immer wieder auf und pflanzt sich, wie wir unten sehen werden, von Generation zu Generation fort. Denn die ihnen gebotene Aufklärung erachten sie entweder nicht für stichhaltig, oder sie kommen bei jedem neuen Anlass, gegen ihre bessere Ueberzeugung und mit Kopfschütteln, auf ihre alte Befangenheit zurück. Das geschieht bald harmlos und ohne Schaden, bald zum Nachtheil jener geistigen Entwicklung, deren Zielpunkte fort und fort angestrebt werden müssen, damit man den Feinden des Menschengeschlechts, den Finsterlingen, endlich das Mittel raube, die menschliche Schwäche zu benutzen, die Unwissenheit zu verewigen und das geistige Leben auf der Erde zu ersticken.

Diejenigen Völker, die so glücklich waren, zur Kultur sich aufzurichten, warfen den armseligen Fetischdienst ab. Die Weise ihres Daseins gestaltete sich tröstlicher, ihre Augen lernten schärfer sehen, und es gelang ihnen, durch aufmerksamere Beobachtung der um sie her ausgebreiteten Natur einen höheren Begriff dessen, was göttlich sein möge, zu fassen. Man fing an, ein Wesen zu suchen, von welchem Alles ausgehe und regiert werde. Wir müssen dieses Suchen der Menschen das

Völkerschaften, die fast nichts Anderes für heilig und göttlich erachten, als dergleichen äusserliche Gegenstände, Organismen und allerlei oft mit roher Kunst geformte Dinge von plumper Gestalt. Ein solches Objekt der Anbetung heisst ein Fetisch, der ganze Dienst selbst Fetischismus. Eine eigentliche Vielgötterei lässt sich darunter nicht verstehen, da auf dieser Stufe der Erkenntniss an die Festsetzung eines bestimmten Gottes oder an mehrere Götter noch nicht gedacht wurde, sondern blos an etwas Uebermenschliches, vor welchem man Schauer empfand, Scheu, Angst, Ehrfurcht. In diesen Regungen der Seele möchten wir, ohne Zweifel mit Recht, das früheste Aufdämmern der Ahnung sehen, dass es ausserhalb der Menschen gleichsam etwas Unendliches gebe, das sich dem endlichen Geist als unbegreiflich aufdringe. Also würde im besten Sinne die Fetischverehrung den allerersten Anlauf zu einer Religion bezeichnen. Freilich verbirgt sich dahinter auch der gleichzeitige Ursprung des Glaubens an Zauberei, Hexerei und Geisterseherei; was sehr entschuldbar und durchaus nicht auffällig ist. Denn die Menschengeschöpfe jener weit entlegenen Vorzeit waren mit der Natur noch so wenig vertraut, dass es ihnen in den meisten Fällen, zuerst wohl überall, an einer jeglichen Erklärung dessen gebrechen musste, was in ihren Augen wunderbar schien, eigentlich aber gesetzlich und ganz einfach zugegangen war. An das Kindesalter ihrer Bildung dürfen wir keine sonderlichen Anforderungen stellen, noch weniger wäre die Meinung derer begründet, welche ohne Bedenken den kalten Ausspruch wagten: die heutigen Völkerschaften und wildlebenden Horden, die jenem Glauben an die Fetische bis auf diese Stunde ergeben sind, bewiesen damit ihre gänzliche Unfähigkeit zur Kultur. Das hiesse diesen armen Barbaren schweres Unrecht thun. Sie verdienen kein härteres Urtheil, als dass wir sagen, sie seien auf den frühesten Anfängen der Menschenbildung zurückgeblieben, wahrend es sogar zweifelhaft erscheine, ob das Klima der Region, worin sie leben, hier die Hitze, dort der Frost, ihnen je gestatten werde über ihre geistig tiefen Zustände hinauszugelangen. Das können wir vom allgemeinen Standpunkt der Menschheit aus bedauern. Dagegen nicht bedauernswerth ist es, sondern bitter und niederschlagend, wenn wir wahrnehmen, dass selbst innerhalb der gesellschaftlichen Kreise, die einen achtungswerthen Grad der Civilisation errungen zu haben sich brüsten, noch immer eine Masse Personen vorhanden sind, die sich die Existenz übernatürlicher Einwirkungen nicht ausreden lassen, an Geistererscheinungen glauben, an Geheimnisse der Zauberei und an die Schreckgestalten von Gespenstern. Keine Belehrung fruchtet bei dieser Gattung von Menschen, im tiefsten Innern taucht der alte Wahn immer wieder auf und pflanzt sich, wie wir unten sehen werden, von Generation zu Generation fort. Denn die ihnen gebotene Aufklärung erachten sie entweder nicht für stichhaltig, oder sie kommen bei jedem neuen Anlass, gegen ihre bessere Ueberzeugung und mit Kopfschütteln, auf ihre alte Befangenheit zurück. Das geschieht bald harmlos und ohne Schaden, bald zum Nachtheil jener geistigen Entwicklung, deren Zielpunkte fort und fort angestrebt werden müssen, damit man den Feinden des Menschengeschlechts, den Finsterlingen, endlich das Mittel raube, die menschliche Schwäche zu benutzen, die Unwissenheit zu verewigen und das geistige Leben auf der Erde zu ersticken.

Diejenigen Völker, die so glücklich waren, zur Kultur sich aufzurichten, warfen den armseligen Fetischdienst ab. Die Weise ihres Daseins gestaltete sich tröstlicher, ihre Augen lernten schärfer sehen, und es gelang ihnen, durch aufmerksamere Beobachtung der um sie her ausgebreiteten Natur einen höheren Begriff dessen, was göttlich sein möge, zu fassen. Man fing an, ein Wesen zu suchen, von welchem Alles ausgehe und regiert werde. Wir müssen dieses Suchen der Menschen das

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[XXIII/0023] Völkerschaften, die fast nichts Anderes für heilig und göttlich erachten, als dergleichen äusserliche Gegenstände, Organismen und allerlei oft mit roher Kunst geformte Dinge von plumper Gestalt. Ein solches Objekt der Anbetung heisst ein Fetisch, der ganze Dienst selbst Fetischismus. Eine eigentliche Vielgötterei lässt sich darunter nicht verstehen, da auf dieser Stufe der Erkenntniss an die Festsetzung eines bestimmten Gottes oder an mehrere Götter noch nicht gedacht wurde, sondern blos an etwas Uebermenschliches, vor welchem man Schauer empfand, Scheu, Angst, Ehrfurcht. In diesen Regungen der Seele möchten wir, ohne Zweifel mit Recht, das früheste Aufdämmern der Ahnung sehen, dass es ausserhalb der Menschen gleichsam etwas Unendliches gebe, das sich dem endlichen Geist als unbegreiflich aufdringe. Also würde im besten Sinne die Fetischverehrung den allerersten Anlauf zu einer Religion bezeichnen. Freilich verbirgt sich dahinter auch der gleichzeitige Ursprung des Glaubens an Zauberei, Hexerei und Geisterseherei; was sehr entschuldbar und durchaus nicht auffällig ist. Denn die Menschengeschöpfe jener weit entlegenen Vorzeit waren mit der Natur noch so wenig vertraut, dass es ihnen in den meisten Fällen, zuerst wohl überall, an einer jeglichen Erklärung dessen gebrechen musste, was in ihren Augen wunderbar schien, eigentlich aber gesetzlich und ganz einfach zugegangen war. An das Kindesalter ihrer Bildung dürfen wir keine sonderlichen Anforderungen stellen, noch weniger wäre die Meinung derer begründet, welche ohne Bedenken den kalten Ausspruch wagten: die heutigen Völkerschaften und wildlebenden Horden, die jenem Glauben an die Fetische bis auf diese Stunde ergeben sind, bewiesen damit ihre gänzliche Unfähigkeit zur Kultur. Das hiesse diesen armen Barbaren schweres Unrecht thun. Sie verdienen kein härteres Urtheil, als dass wir sagen, sie seien auf den frühesten Anfängen der Menschenbildung zurückgeblieben, wahrend es sogar zweifelhaft erscheine, ob das Klima der Region, worin sie leben, hier die Hitze, dort der Frost, ihnen je gestatten werde über ihre geistig tiefen Zustände hinauszugelangen. Das können wir vom allgemeinen Standpunkt der Menschheit aus bedauern. Dagegen nicht bedauernswerth ist es, sondern bitter und niederschlagend, wenn wir wahrnehmen, dass selbst innerhalb der gesellschaftlichen Kreise, die einen achtungswerthen Grad der Civilisation errungen zu haben sich brüsten, noch immer eine Masse Personen vorhanden sind, die sich die Existenz übernatürlicher Einwirkungen nicht ausreden lassen, an Geistererscheinungen glauben, an Geheimnisse der Zauberei und an die Schreckgestalten von Gespenstern. Keine Belehrung fruchtet bei dieser Gattung von Menschen, im tiefsten Innern taucht der alte Wahn immer wieder auf und pflanzt sich, wie wir unten sehen werden, von Generation zu Generation fort. Denn die ihnen gebotene Aufklärung erachten sie entweder nicht für stichhaltig, oder sie kommen bei jedem neuen Anlass, gegen ihre bessere Ueberzeugung und mit Kopfschütteln, auf ihre alte Befangenheit zurück. Das geschieht bald harmlos und ohne Schaden, bald zum Nachtheil jener geistigen Entwicklung, deren Zielpunkte fort und fort angestrebt werden müssen, damit man den Feinden des Menschengeschlechts, den Finsterlingen, endlich das Mittel raube, die menschliche Schwäche zu benutzen, die Unwissenheit zu verewigen und das geistige Leben auf der Erde zu ersticken. Diejenigen Völker, die so glücklich waren, zur Kultur sich aufzurichten, warfen den armseligen Fetischdienst ab. Die Weise ihres Daseins gestaltete sich tröstlicher, ihre Augen lernten schärfer sehen, und es gelang ihnen, durch aufmerksamere Beobachtung der um sie her ausgebreiteten Natur einen höheren Begriff dessen, was göttlich sein möge, zu fassen. Man fing an, ein Wesen zu suchen, von welchem Alles ausgehe und regiert werde. Wir müssen dieses Suchen der Menschen das

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Zitationshilfe: Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874, S. XXIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vollmer_mythologie_1874/23>, abgerufen am 23.11.2024.