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Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874.

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dem südlichen Schweden, das er beherrschte, dem Räuber folgte, an Norwegens Küsten vorbei, bis nach den Orkneys. (S. das Weitere unter Hildur.)


Holda, auch Holla, Fig. 160 (Germ. M.), ursprünglich eine freundliche, milde Göttin der alten heidnischen Deutschen, ohne Zweifel diejenige, welche Tacitus Nerthus nennt und mit der Isis vergleicht, nach mehreren Spuren auch Eins mit der nordischen Frigg (s. d.). Der Name ist gewiss abzuleiten von dem Worte hold, Huld. Nach Einführung des Christenthums ward die Göttin zum unheimlichen Spukgeist, der indessen, der alten Idee getreu, doch weit mehr freundliche als bedrohliche Eigenschaften hat. Die dahin einschlagenden Sagen sind nirgends so verbreitet, als in Hessen und Thüringen; indessen kommt der Volksglaube an Holda (Frau Holle) vor bis in's Voigtland, über die Rhön hinaus in's nördliche Franken, in der Wetterau bis zum Westerwald, und in dem an Thüringen angrenzenden Niedersachsen. Frau Holle wird als ein himmlisches, die Erde umspannendes Wesen vorgestellt: wenn es schneit, so macht sie ihr Bett, dass die Federn fliegen. Sie liebt den Aufenthalt in Seen und Brunnen; zur Mittagszeit sieht man sie, als schöne weisse Frau, in der Fluth baden und verschwinden; Sterbliche gelangen durch einen Brunnen in ihre Wohnung. Ihr jährlicher Umzug in der Weihnachtszeit bringt dem Lande Fruchtbarkeit, aber sie fährt auch mit dem wüthenden Heer, oder führt es an; so ist sie auf unserm Bilde dargestellt. Hieran knüpft sich, dass sie statt der schönen göttlichen Gestalt das Aussehen einer hässlichen, langnasigen, grosszahnigen Alten, mit struppigen, engverworrenen Haaren, annimmt. Hingegen ist sie auch wieder Schutzgeist des Flachsbaus und der Spinnerei; fleissigen Dirnen schenkt sie Spindeln und spinnt sie bei Nacht voll, faulen zündet sie den Roken an oder besudelt ihn. - Manche Spuren weisen den Zusammenhang dieser deutschen Gottheit mit nordischem Glauben nach. Snorri Sturleson gedenkt einer Zauberin Namens Huldr, und eine im 14. Jahrh. abgefasste isländische Sage erzählt umständlich von dem Zauberweib Hulda, einer Geliebten Odins. Norwegische und dänische Volkssagen


Fig. 160.
reden von einer Berg- oder Waldfrau Hulla, die sie bald jung und schön, bald alt und finster darstellen. In blauem Kleid und weissem Schleier naht sie sich den Weideplätzen der Hirten und dem Tanz der Menschen, an dem sie Theil nimmt; ihre Gestalt wird aber durch einen Schwanz entstellt, den sie sorgsam zu verbergen sucht. Sie liebt Musik und Gesang, ihr Lied hat aber eine traurige Weise. Dieser letztere Umstand erinnert an die Elfen (s. d.).


Holden (Germ. M.), Dämonen guter und böser Art bei den alten Deutschen, wenn nicht vielleicht die Benennung "gute" H. bösen Geistern bloss aus Euphemismus beigelegt wurde; denn man findet, dass noch heut zu Tage im Göttingischen die fliegende Gicht "die gute Holde" heisst. Auch Hollenzopf, welches in einigen Gegenden statt Weichselzopf gebraucht wird, scheint auf die H. als Urheber davon hinzuweisen. Diese H. sollten aus leiblicher Vermischung der Hexen mit dem Teufel entspringen.


Holgi (Nord. M.), ein König in Norwegen, von dem Helgoland benannt sein soll; Sohn des Riesen oder Jotenkönigs, der Forejotre hiess, Bruder des Aeger oder Hler. Er hatte zwei Töchter, Thorgard und Yrpa, welche als Göttinnen verehrt wurden; die letztere hiess auch Helgabrudur. H.s Grab war mit Gold und Silber bedeckt, worauf dann erst Erde kam, daher heisst Gold und Silber bei den Dichtern "H.s Hügeldach".


Hoellenflüsse (Nord. M.). Inmitten von Helheim oder Niflheim befindet sich ein Brunnen, Hwergelmer, welcher seine Nahrung von den Geweihen des in Walhalla wohnenden Hirsches Aeikthyrner erhält, der von den Blättern des Baumes Lerad lebt; von seinem Geweih nämlich fallen beständig Tropfen herab, die sich in dem Quell, der den Mittelpunkt der Hölle einnimmt, sammeln. Aus diesem Born entspringen nun die H., welche von zweiunddreissig bis auf siebenunddreissig angegeben werden; sie heissen: Sith, With, Säkin, Eikin, Swaul, Guntraa, Fiorm, Fimbultul, Rin, Rennandi, Gipul, Gaupul, Gaumul, Geyrwimul, Thyn, Vin, Thaull, Haull, Grath, Gunthorin, Vinu, Wegswin, Thiodnuma, Nyt, Naut, Naunn, Hraunn, Slith, Hrith, Sylgr, Ilgr, Wit, Wan, Waund Straund, Leiptr und Giöll; der letztere umströmt begrenzend ganz Helheim. Ein Theil dieser Flüsse wird auch unter dem Namen Elliwager begriffen.


Hoellenjungfrauen (Nord. M.), zwei schreckliche Geschöpfe der Abgrundsnacht, Wächterinnen an dem unterirdischen Palast der grausamen Hel. Sie heissen Bigwör und Listwör, haben eisernes Blut in ihren Adern, das Zank und Krieg erregt, wo es hinkommt, und sitzen vor Hels Thüre auf immer schreienden Stühlen.


dem südlichen Schweden, das er beherrschte, dem Räuber folgte, an Norwegens Küsten vorbei, bis nach den Orkneys. (S. das Weitere unter Hildur.)


Holda, auch Holla, Fig. 160 (Germ. M.), ursprünglich eine freundliche, milde Göttin der alten heidnischen Deutschen, ohne Zweifel diejenige, welche Tacitus Nerthus nennt und mit der Isis vergleicht, nach mehreren Spuren auch Eins mit der nordischen Frigg (s. d.). Der Name ist gewiss abzuleiten von dem Worte hold, Huld. Nach Einführung des Christenthums ward die Göttin zum unheimlichen Spukgeist, der indessen, der alten Idee getreu, doch weit mehr freundliche als bedrohliche Eigenschaften hat. Die dahin einschlagenden Sagen sind nirgends so verbreitet, als in Hessen und Thüringen; indessen kommt der Volksglaube an Holda (Frau Holle) vor bis in's Voigtland, über die Rhön hinaus in's nördliche Franken, in der Wetterau bis zum Westerwald, und in dem an Thüringen angrenzenden Niedersachsen. Frau Holle wird als ein himmlisches, die Erde umspannendes Wesen vorgestellt: wenn es schneit, so macht sie ihr Bett, dass die Federn fliegen. Sie liebt den Aufenthalt in Seen und Brunnen; zur Mittagszeit sieht man sie, als schöne weisse Frau, in der Fluth baden und verschwinden; Sterbliche gelangen durch einen Brunnen in ihre Wohnung. Ihr jährlicher Umzug in der Weihnachtszeit bringt dem Lande Fruchtbarkeit, aber sie fährt auch mit dem wüthenden Heer, oder führt es an; so ist sie auf unserm Bilde dargestellt. Hieran knüpft sich, dass sie statt der schönen göttlichen Gestalt das Aussehen einer hässlichen, langnasigen, grosszahnigen Alten, mit struppigen, engverworrenen Haaren, annimmt. Hingegen ist sie auch wieder Schutzgeist des Flachsbaus und der Spinnerei; fleissigen Dirnen schenkt sie Spindeln und spinnt sie bei Nacht voll, faulen zündet sie den Roken an oder besudelt ihn. – Manche Spuren weisen den Zusammenhang dieser deutschen Gottheit mit nordischem Glauben nach. Snorri Sturleson gedenkt einer Zauberin Namens Huldr, und eine im 14. Jahrh. abgefasste isländische Sage erzählt umständlich von dem Zauberweib Hulda, einer Geliebten Odins. Norwegische und dänische Volkssagen


Fig. 160.
reden von einer Berg- oder Waldfrau Hulla, die sie bald jung und schön, bald alt und finster darstellen. In blauem Kleid und weissem Schleier naht sie sich den Weideplätzen der Hirten und dem Tanz der Menschen, an dem sie Theil nimmt; ihre Gestalt wird aber durch einen Schwanz entstellt, den sie sorgsam zu verbergen sucht. Sie liebt Musik und Gesang, ihr Lied hat aber eine traurige Weise. Dieser letztere Umstand erinnert an die Elfen (s. d.).


Holden (Germ. M.), Dämonen guter und böser Art bei den alten Deutschen, wenn nicht vielleicht die Benennung »gute« H. bösen Geistern bloss aus Euphemismus beigelegt wurde; denn man findet, dass noch heut zu Tage im Göttingischen die fliegende Gicht »die gute Holde« heisst. Auch Hollenzopf, welches in einigen Gegenden statt Weichselzopf gebraucht wird, scheint auf die H. als Urheber davon hinzuweisen. Diese H. sollten aus leiblicher Vermischung der Hexen mit dem Teufel entspringen.


Holgi (Nord. M.), ein König in Norwegen, von dem Helgoland benannt sein soll; Sohn des Riesen oder Jotenkönigs, der Forejotre hiess, Bruder des Aeger oder Hler. Er hatte zwei Töchter, Thorgard und Yrpa, welche als Göttinnen verehrt wurden; die letztere hiess auch Helgabrudur. H.s Grab war mit Gold und Silber bedeckt, worauf dann erst Erde kam, daher heisst Gold und Silber bei den Dichtern »H.s Hügeldach«.


Hoellenflüsse (Nord. M.). Inmitten von Helheim oder Niflheim befindet sich ein Brunnen, Hwergelmer, welcher seine Nahrung von den Geweihen des in Walhalla wohnenden Hirsches Aeikthyrner erhält, der von den Blättern des Baumes Lerad lebt; von seinem Geweih nämlich fallen beständig Tropfen herab, die sich in dem Quell, der den Mittelpunkt der Hölle einnimmt, sammeln. Aus diesem Born entspringen nun die H., welche von zweiunddreissig bis auf siebenunddreissig angegeben werden; sie heissen: Sith, With, Säkin, Eikin, Swaul, Guntraa, Fiorm, Fimbultul, Rin, Rennandi, Gipul, Gaupul, Gaumul, Geyrwimul, Thyn, Vin, Thaull, Haull, Grath, Gunthorin, Vinu, Wegswin, Thiodnuma, Nyt, Naut, Naunn, Hraunn, Slith, Hrith, Sylgr, Ilgr, Wit, Wan, Waund Straund, Leiptr und Giöll; der letztere umströmt begrenzend ganz Helheim. Ein Theil dieser Flüsse wird auch unter dem Namen Elliwager begriffen.


Hoellenjungfrauen (Nord. M.), zwei schreckliche Geschöpfe der Abgrundsnacht, Wächterinnen an dem unterirdischen Palast der grausamen Hel. Sie heissen Bigwör und Listwör, haben eisernes Blut in ihren Adern, das Zank und Krieg erregt, wo es hinkommt, und sitzen vor Hels Thüre auf immer schreienden Stühlen.


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[253/0323] dem südlichen Schweden, das er beherrschte, dem Räuber folgte, an Norwegens Küsten vorbei, bis nach den Orkneys. (S. das Weitere unter Hildur.) Holda, auch Holla, Fig. 160 (Germ. M.), ursprünglich eine freundliche, milde Göttin der alten heidnischen Deutschen, ohne Zweifel diejenige, welche Tacitus Nerthus nennt und mit der Isis vergleicht, nach mehreren Spuren auch Eins mit der nordischen Frigg (s. d.). Der Name ist gewiss abzuleiten von dem Worte hold, Huld. Nach Einführung des Christenthums ward die Göttin zum unheimlichen Spukgeist, der indessen, der alten Idee getreu, doch weit mehr freundliche als bedrohliche Eigenschaften hat. Die dahin einschlagenden Sagen sind nirgends so verbreitet, als in Hessen und Thüringen; indessen kommt der Volksglaube an Holda (Frau Holle) vor bis in's Voigtland, über die Rhön hinaus in's nördliche Franken, in der Wetterau bis zum Westerwald, und in dem an Thüringen angrenzenden Niedersachsen. Frau Holle wird als ein himmlisches, die Erde umspannendes Wesen vorgestellt: wenn es schneit, so macht sie ihr Bett, dass die Federn fliegen. Sie liebt den Aufenthalt in Seen und Brunnen; zur Mittagszeit sieht man sie, als schöne weisse Frau, in der Fluth baden und verschwinden; Sterbliche gelangen durch einen Brunnen in ihre Wohnung. Ihr jährlicher Umzug in der Weihnachtszeit bringt dem Lande Fruchtbarkeit, aber sie fährt auch mit dem wüthenden Heer, oder führt es an; so ist sie auf unserm Bilde dargestellt. Hieran knüpft sich, dass sie statt der schönen göttlichen Gestalt das Aussehen einer hässlichen, langnasigen, grosszahnigen Alten, mit struppigen, engverworrenen Haaren, annimmt. Hingegen ist sie auch wieder Schutzgeist des Flachsbaus und der Spinnerei; fleissigen Dirnen schenkt sie Spindeln und spinnt sie bei Nacht voll, faulen zündet sie den Roken an oder besudelt ihn. – Manche Spuren weisen den Zusammenhang dieser deutschen Gottheit mit nordischem Glauben nach. Snorri Sturleson gedenkt einer Zauberin Namens Huldr, und eine im 14. Jahrh. abgefasste isländische Sage erzählt umständlich von dem Zauberweib Hulda, einer Geliebten Odins. Norwegische und dänische Volkssagen [Abbildung Fig. 160. ] reden von einer Berg- oder Waldfrau Hulla, die sie bald jung und schön, bald alt und finster darstellen. In blauem Kleid und weissem Schleier naht sie sich den Weideplätzen der Hirten und dem Tanz der Menschen, an dem sie Theil nimmt; ihre Gestalt wird aber durch einen Schwanz entstellt, den sie sorgsam zu verbergen sucht. Sie liebt Musik und Gesang, ihr Lied hat aber eine traurige Weise. Dieser letztere Umstand erinnert an die Elfen (s. d.). Holden (Germ. M.), Dämonen guter und böser Art bei den alten Deutschen, wenn nicht vielleicht die Benennung »gute« H. bösen Geistern bloss aus Euphemismus beigelegt wurde; denn man findet, dass noch heut zu Tage im Göttingischen die fliegende Gicht »die gute Holde« heisst. Auch Hollenzopf, welches in einigen Gegenden statt Weichselzopf gebraucht wird, scheint auf die H. als Urheber davon hinzuweisen. Diese H. sollten aus leiblicher Vermischung der Hexen mit dem Teufel entspringen. Holgi (Nord. M.), ein König in Norwegen, von dem Helgoland benannt sein soll; Sohn des Riesen oder Jotenkönigs, der Forejotre hiess, Bruder des Aeger oder Hler. Er hatte zwei Töchter, Thorgard und Yrpa, welche als Göttinnen verehrt wurden; die letztere hiess auch Helgabrudur. H.s Grab war mit Gold und Silber bedeckt, worauf dann erst Erde kam, daher heisst Gold und Silber bei den Dichtern »H.s Hügeldach«. Hoellenflüsse (Nord. M.). Inmitten von Helheim oder Niflheim befindet sich ein Brunnen, Hwergelmer, welcher seine Nahrung von den Geweihen des in Walhalla wohnenden Hirsches Aeikthyrner erhält, der von den Blättern des Baumes Lerad lebt; von seinem Geweih nämlich fallen beständig Tropfen herab, die sich in dem Quell, der den Mittelpunkt der Hölle einnimmt, sammeln. Aus diesem Born entspringen nun die H., welche von zweiunddreissig bis auf siebenunddreissig angegeben werden; sie heissen: Sith, With, Säkin, Eikin, Swaul, Guntraa, Fiorm, Fimbultul, Rin, Rennandi, Gipul, Gaupul, Gaumul, Geyrwimul, Thyn, Vin, Thaull, Haull, Grath, Gunthorin, Vinu, Wegswin, Thiodnuma, Nyt, Naut, Naunn, Hraunn, Slith, Hrith, Sylgr, Ilgr, Wit, Wan, Waund Straund, Leiptr und Giöll; der letztere umströmt begrenzend ganz Helheim. Ein Theil dieser Flüsse wird auch unter dem Namen Elliwager begriffen. Hoellenjungfrauen (Nord. M.), zwei schreckliche Geschöpfe der Abgrundsnacht, Wächterinnen an dem unterirdischen Palast der grausamen Hel. Sie heissen Bigwör und Listwör, haben eisernes Blut in ihren Adern, das Zank und Krieg erregt, wo es hinkommt, und sitzen vor Hels Thüre auf immer schreienden Stühlen.

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Zitationshilfe: Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vollmer_mythologie_1874/323>, abgerufen am 24.11.2024.