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Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874.

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Swainshaugi (Nord. M.), Swains Hügel, ein Ort, der früher von Zwergen bewohnt gewesen sein muss, weil die Edda viele der Letztern namentlich anführt, welche von dort her nach Orwanga (Pfeilfelder) auf Jornwall (Eisen- oder Schlachtfeld) gekommen sind. Wo diess gewesen, scheint nicht zu enträthseln.


Swaixdunoka (Slav. M.), die leuchtende Braut des Sternengottes; sie wurde bei den heidnischen Preussen als eine freundliche, milde Göttin angebetet; sie führte die Sterne in ihren Bahnen, wenn der Geliebte ihren Zügel fallen liess und auf der Jagd im Wagen des Mondes durch Stürme und fliehende Wolken das Wild verfolgte.


Swaixtix (Slav. M.), der Gott der Sterne und des Sonnenlichtes, welchen die alten Preussen mit den Wenden und Slaven in Pommern, Rügen, Holstein etc. gemein hatten. Er ward in möglichst reicher Kleidung vorgestellt, hatte Flammen und Strahlen um das Haupt und einen Haarbusch auf der Mitte des Scheitels, welcher flammenähnlich aufstieg. Aus alten rhetraischen Kunstwerken will man, trotz der Inschrift, welche ihn Belbog (Biali bog, eine gute Gottheit, im Gegensatz zu Czernebog, dem bösen Gott) nennt, doch eine böse Gottheit herausfinden, weil er böse und fürchterlich aussieht; man bedenkt dabei nicht, dass die Sculptur schon auf einen hohen Grad gestiegen sein müsse, wenn man edle, freundliche Gesichter nachbilden will. Diese Kunst war aber in jener Zeit noch so sehr in ihrer Kindheit, dass zu verwundern ist, wie die Bildner nur Gestalten so vollendeter Art zuwege brachten; an schöne Gesichter darf man dabei gar nicht denken. S. war der gütigste Gott, er leuchtete die Nacht durch mit dem Sternenschimmer, durch Nord- und Schneelicht, und schenkte als Sonnengott den Saaten Gedeihen, dem Lande Wärme und Fruchtbarkeit.


Swakonen (Lettische M.), Wahrsager, welche aus der Flamme und dem Rauche des Lichtes die Zukunft enthüllten,


Swalgoni (Lett. M.), Priester, welche den Hochzeitgebräuchen vorstanden, Bräutigam und Braut, welche die Ehe eingeben wollten, prüften, ihr Band knüpften und Segen oder Fluch über sie sprachen, je nachdem es ihnen die Gottheit eingab.


Swantewit, (Slav. M.), der am meisten verehrte, sichtbare Gott der Wenden. Zu Arkona auf der Insel Rügen stand sein riesiges Bild und war weit und


Fig. 280.
breit für die ganze südliche Küste des baltischen Meeres der Centralpunkt der Gottesverehrung. S. war ein gewaltiger Coloss, welcher auf vier Hälsen vier Köpfe mit rund geschorenem Haar und kurzem Bart trug; seine Kleidung war die der Wenden im Allgemeinen, ein bis über die Kniee herabreichender Rock von Tuch oder Filz, mit langen weiten Aermeln; ein Gürtel hielt denselben zusammen; die Beine waren nackt; an den Füssen trug er plumpe Bastschuhe; ein mächtiges Schwert hing an seiner Seite, und in der linken, auf die Hüfte gestützten Hand trug er einen grossen Bogen; seine Rechte hielt ein Füllhorn, welches jährlich mit Wein gefüllt wurde. Zu diesen Attributen hatte sein Bild, welches in Rhetra stand, noch ein langbärtiges Menschenhaupt auf der Brust. S. war ein guter und böser Gott zugleich; Füllhorn und Bogen schien dieses schon anzudeuten: die Waffen für den Krieg, das Segenshorn des Friedens. Er überschauete mit seinen vier Häuptern die ganze Erde, darum wurde sein Rath so hoch geachtet, darum waren seine Orakel die angesehensten, seine Anbetung verlieh irdische Macht und Reichthümer; darum ward er im Rausche taumelnder Freude verehrt und ihm wurden grosse, ja nicht selten Menschenopfer gebracht, doch, wie es scheint, nur, wenn er erzürnt war. Ein Hoherpriester stand seinem Dienste vor. Am Tage des grossen Erntefestes musste dieser selbst den Tempel fegen, und zwar mit angehaltenem Athem, um durch seinen Hauch nicht den Gott zu beleidigen. In das grosse Füllhorn ward nun Wein gegossen, und aus der vom vorigen Jahre zurückgebliebenen Quantität ward auf den Segen oder das Missrathen der nächsten Jahresernte geschlossen. Der Tempel und die Bildsäule des Gottes wurden durch Waldemar I. zerstört und das Volk getauft. Der Götzendienst hörte öffentlich auf, obschon er heimlich fortbestand, so dass noch jetzt viele alte Bauern von Rügen den Wald der Nerthus und ihren See und ihren Altar nur mit heiliger Scheue betreten. Dass der Name heiliger Veit, Sanctus Vitus bedeute, ist wohl nichts weiter, als eine wunderliche Phantasie eines wunderlichen Sprachforschers oder Sprachverwirrers.


Swartalfheim (Nord. M.), die Heimath aller bösen Genien oder Schwarzelfen.


Swarthoefde (Nord. M.), der Urältervater aller Zauberer, welcher seine Kunst von den Göttern selbst erlernt und sie auf seine Nachkommen vererbt hat.


Swasudes (Slav. M.), der Sommergott, der erwärmende Strahl des Frühlings, welcher den Sommer heraufführt; er soll von den Wenden und Slaven als Gottheit zweiten Ranges angebetet worden sein.


Swawa (Nord. M.), Tochter des Königs Eylimi, eine schöne Schildjungfrau und Walküre, ward durch Helgi Haddinga skati, den Sohn Hiorwards, Königs von Norwegen, berühmt. Der König hatte das Gelübde gethan, die schönste Frau der Erde sein zu nennen, und so hatte er schon drei Frauen: Alfhild, Hedins Mutter, Säreid, Humlungs Mutter, und Sinriod, Hilmings Mutter, als der König hörte, Sigurlin sei die allerschönste der Frauen. Sogleich warb er durch den Jarl Atli um dieselbe, ward aus Furcht vor andern Freiern abgewiesen, überzog jedoch den Vater mit Krieg und erhielt endlich Sigurlin, welche nun Mutter eines Sohnes, des berühmten Helgi ward, der jedoch stumm und unthätig blieb, bis die holde S. ihn berührte, erweckte, ihm den Namen Helgi und sich selbst als Namens- oder Pathen-Geschenk übergab. Von der reizenden kühnen Walküre beschützt, mit einem nie fehlenden Schwert beschenkt, in alle Schlachten begleitet, zeichnete sich Helgi bald als den grössten Helden aus; doch, nachdem er die grössten Thaten gethan, seinen Vater an Hrodmar gerächt, ward er von dessen Sohn Atli erschlagen, bald aber als Helgi der Hundingstödter und als Sohn des Königs Sigmund und der schönen Borghili wieder geboren, S. dagegen erstand in einer zweiten Verkörperung als Schildjungfrau Sigrun. Helgi war erst einen Tag alt, da er schon im Panzer stand und nach Schlacht und Sieg verlangte. In das Haus des mächtigen bösen Königs Hundingur trat er kundschaftend, als Mädchen verkleidet, ein, entging als Mahlmagd seinen Nachforschungen, überzog ihn dann mit Krieg und tödtete ihn in einer grossen Schlacht, wovon sein Beiname herkommt. Helgi warb nun um die schöne ehemals geliebte S., jetzt Sigrun, musste jedoch vorher manchen harten Strauss bestehen, da sie bereits dem Hodbrod zugesagt war, welcher, ein Sohn des schwedischen Königs Gramnar, mit

Swainshaugi (Nord. M.), Swains Hügel, ein Ort, der früher von Zwergen bewohnt gewesen sein muss, weil die Edda viele der Letztern namentlich anführt, welche von dort her nach Orwanga (Pfeilfelder) auf Jornwall (Eisen- oder Schlachtfeld) gekommen sind. Wo diess gewesen, scheint nicht zu enträthseln.


Swaixdunoka (Slav. M.), die leuchtende Braut des Sternengottes; sie wurde bei den heidnischen Preussen als eine freundliche, milde Göttin angebetet; sie führte die Sterne in ihren Bahnen, wenn der Geliebte ihren Zügel fallen liess und auf der Jagd im Wagen des Mondes durch Stürme und fliehende Wolken das Wild verfolgte.


Swaixtix (Slav. M.), der Gott der Sterne und des Sonnenlichtes, welchen die alten Preussen mit den Wenden und Slaven in Pommern, Rügen, Holstein etc. gemein hatten. Er ward in möglichst reicher Kleidung vorgestellt, hatte Flammen und Strahlen um das Haupt und einen Haarbusch auf der Mitte des Scheitels, welcher flammenähnlich aufstieg. Aus alten rhetraischen Kunstwerken will man, trotz der Inschrift, welche ihn Belbog (Biali bog, eine gute Gottheit, im Gegensatz zu Czernebog, dem bösen Gott) nennt, doch eine böse Gottheit herausfinden, weil er böse und fürchterlich aussieht; man bedenkt dabei nicht, dass die Sculptur schon auf einen hohen Grad gestiegen sein müsse, wenn man edle, freundliche Gesichter nachbilden will. Diese Kunst war aber in jener Zeit noch so sehr in ihrer Kindheit, dass zu verwundern ist, wie die Bildner nur Gestalten so vollendeter Art zuwege brachten; an schöne Gesichter darf man dabei gar nicht denken. S. war der gütigste Gott, er leuchtete die Nacht durch mit dem Sternenschimmer, durch Nord- und Schneelicht, und schenkte als Sonnengott den Saaten Gedeihen, dem Lande Wärme und Fruchtbarkeit.


Swakonen (Lettische M.), Wahrsager, welche aus der Flamme und dem Rauche des Lichtes die Zukunft enthüllten,


Swalgoni (Lett. M.), Priester, welche den Hochzeitgebräuchen vorstanden, Bräutigam und Braut, welche die Ehe eingeben wollten, prüften, ihr Band knüpften und Segen oder Fluch über sie sprachen, je nachdem es ihnen die Gottheit eingab.


Swantewit, (Slav. M.), der am meisten verehrte, sichtbare Gott der Wenden. Zu Arkona auf der Insel Rügen stand sein riesiges Bild und war weit und


Fig. 280.
breit für die ganze südliche Küste des baltischen Meeres der Centralpunkt der Gottesverehrung. S. war ein gewaltiger Coloss, welcher auf vier Hälsen vier Köpfe mit rund geschorenem Haar und kurzem Bart trug; seine Kleidung war die der Wenden im Allgemeinen, ein bis über die Kniee herabreichender Rock von Tuch oder Filz, mit langen weiten Aermeln; ein Gürtel hielt denselben zusammen; die Beine waren nackt; an den Füssen trug er plumpe Bastschuhe; ein mächtiges Schwert hing an seiner Seite, und in der linken, auf die Hüfte gestützten Hand trug er einen grossen Bogen; seine Rechte hielt ein Füllhorn, welches jährlich mit Wein gefüllt wurde. Zu diesen Attributen hatte sein Bild, welches in Rhetra stand, noch ein langbärtiges Menschenhaupt auf der Brust. S. war ein guter und böser Gott zugleich; Füllhorn und Bogen schien dieses schon anzudeuten: die Waffen für den Krieg, das Segenshorn des Friedens. Er überschauete mit seinen vier Häuptern die ganze Erde, darum wurde sein Rath so hoch geachtet, darum waren seine Orakel die angesehensten, seine Anbetung verlieh irdische Macht und Reichthümer; darum ward er im Rausche taumelnder Freude verehrt und ihm wurden grosse, ja nicht selten Menschenopfer gebracht, doch, wie es scheint, nur, wenn er erzürnt war. Ein Hoherpriester stand seinem Dienste vor. Am Tage des grossen Erntefestes musste dieser selbst den Tempel fegen, und zwar mit angehaltenem Athem, um durch seinen Hauch nicht den Gott zu beleidigen. In das grosse Füllhorn ward nun Wein gegossen, und aus der vom vorigen Jahre zurückgebliebenen Quantität ward auf den Segen oder das Missrathen der nächsten Jahresernte geschlossen. Der Tempel und die Bildsäule des Gottes wurden durch Waldemar I. zerstört und das Volk getauft. Der Götzendienst hörte öffentlich auf, obschon er heimlich fortbestand, so dass noch jetzt viele alte Bauern von Rügen den Wald der Nerthus und ihren See und ihren Altar nur mit heiliger Scheue betreten. Dass der Name heiliger Veit, Sanctus Vitus bedeute, ist wohl nichts weiter, als eine wunderliche Phantasie eines wunderlichen Sprachforschers oder Sprachverwirrers.


Swartalfheim (Nord. M.), die Heimath aller bösen Genien oder Schwarzelfen.


Swarthoefde (Nord. M.), der Urältervater aller Zauberer, welcher seine Kunst von den Göttern selbst erlernt und sie auf seine Nachkommen vererbt hat.


Swasudes (Slav. M.), der Sommergott, der erwärmende Strahl des Frühlings, welcher den Sommer heraufführt; er soll von den Wenden und Slaven als Gottheit zweiten Ranges angebetet worden sein.


Swawa (Nord. M.), Tochter des Königs Eylimi, eine schöne Schildjungfrau und Walküre, ward durch Helgi Haddinga skati, den Sohn Hiorwards, Königs von Norwegen, berühmt. Der König hatte das Gelübde gethan, die schönste Frau der Erde sein zu nennen, und so hatte er schon drei Frauen: Alfhild, Hedins Mutter, Säreid, Humlungs Mutter, und Sinriod, Hilmings Mutter, als der König hörte, Sigurlin sei die allerschönste der Frauen. Sogleich warb er durch den Jarl Atli um dieselbe, ward aus Furcht vor andern Freiern abgewiesen, überzog jedoch den Vater mit Krieg und erhielt endlich Sigurlin, welche nun Mutter eines Sohnes, des berühmten Helgi ward, der jedoch stumm und unthätig blieb, bis die holde S. ihn berührte, erweckte, ihm den Namen Helgi und sich selbst als Namens- oder Pathen-Geschenk übergab. Von der reizenden kühnen Walküre beschützt, mit einem nie fehlenden Schwert beschenkt, in alle Schlachten begleitet, zeichnete sich Helgi bald als den grössten Helden aus; doch, nachdem er die grössten Thaten gethan, seinen Vater an Hrodmar gerächt, ward er von dessen Sohn Atli erschlagen, bald aber als Helgi der Hundingstödter und als Sohn des Königs Sigmund und der schönen Borghili wieder geboren, S. dagegen erstand in einer zweiten Verkörperung als Schildjungfrau Sigrun. Helgi war erst einen Tag alt, da er schon im Panzer stand und nach Schlacht und Sieg verlangte. In das Haus des mächtigen bösen Königs Hundingur trat er kundschaftend, als Mädchen verkleidet, ein, entging als Mahlmagd seinen Nachforschungen, überzog ihn dann mit Krieg und tödtete ihn in einer grossen Schlacht, wovon sein Beiname herkommt. Helgi warb nun um die schöne ehemals geliebte S., jetzt Sigrun, musste jedoch vorher manchen harten Strauss bestehen, da sie bereits dem Hodbrod zugesagt war, welcher, ein Sohn des schwedischen Königs Gramnar, mit

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[421/0491] Swainshaugi (Nord. M.), Swains Hügel, ein Ort, der früher von Zwergen bewohnt gewesen sein muss, weil die Edda viele der Letztern namentlich anführt, welche von dort her nach Orwanga (Pfeilfelder) auf Jornwall (Eisen- oder Schlachtfeld) gekommen sind. Wo diess gewesen, scheint nicht zu enträthseln. Swaixdunoka (Slav. M.), die leuchtende Braut des Sternengottes; sie wurde bei den heidnischen Preussen als eine freundliche, milde Göttin angebetet; sie führte die Sterne in ihren Bahnen, wenn der Geliebte ihren Zügel fallen liess und auf der Jagd im Wagen des Mondes durch Stürme und fliehende Wolken das Wild verfolgte. Swaixtix (Slav. M.), der Gott der Sterne und des Sonnenlichtes, welchen die alten Preussen mit den Wenden und Slaven in Pommern, Rügen, Holstein etc. gemein hatten. Er ward in möglichst reicher Kleidung vorgestellt, hatte Flammen und Strahlen um das Haupt und einen Haarbusch auf der Mitte des Scheitels, welcher flammenähnlich aufstieg. Aus alten rhetraischen Kunstwerken will man, trotz der Inschrift, welche ihn Belbog (Biali bog, eine gute Gottheit, im Gegensatz zu Czernebog, dem bösen Gott) nennt, doch eine böse Gottheit herausfinden, weil er böse und fürchterlich aussieht; man bedenkt dabei nicht, dass die Sculptur schon auf einen hohen Grad gestiegen sein müsse, wenn man edle, freundliche Gesichter nachbilden will. Diese Kunst war aber in jener Zeit noch so sehr in ihrer Kindheit, dass zu verwundern ist, wie die Bildner nur Gestalten so vollendeter Art zuwege brachten; an schöne Gesichter darf man dabei gar nicht denken. S. war der gütigste Gott, er leuchtete die Nacht durch mit dem Sternenschimmer, durch Nord- und Schneelicht, und schenkte als Sonnengott den Saaten Gedeihen, dem Lande Wärme und Fruchtbarkeit. Swakonen (Lettische M.), Wahrsager, welche aus der Flamme und dem Rauche des Lichtes die Zukunft enthüllten, Swalgoni (Lett. 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S. war ein gewaltiger Coloss, welcher auf vier Hälsen vier Köpfe mit rund geschorenem Haar und kurzem Bart trug; seine Kleidung war die der Wenden im Allgemeinen, ein bis über die Kniee herabreichender Rock von Tuch oder Filz, mit langen weiten Aermeln; ein Gürtel hielt denselben zusammen; die Beine waren nackt; an den Füssen trug er plumpe Bastschuhe; ein mächtiges Schwert hing an seiner Seite, und in der linken, auf die Hüfte gestützten Hand trug er einen grossen Bogen; seine Rechte hielt ein Füllhorn, welches jährlich mit Wein gefüllt wurde. Zu diesen Attributen hatte sein Bild, welches in Rhetra stand, noch ein langbärtiges Menschenhaupt auf der Brust. S. war ein guter und böser Gott zugleich; Füllhorn und Bogen schien dieses schon anzudeuten: die Waffen für den Krieg, das Segenshorn des Friedens. Er überschauete mit seinen vier Häuptern die ganze Erde, darum wurde sein Rath so hoch geachtet, darum waren seine Orakel die angesehensten, seine Anbetung verlieh irdische Macht und Reichthümer; darum ward er im Rausche taumelnder Freude verehrt und ihm wurden grosse, ja nicht selten Menschenopfer gebracht, doch, wie es scheint, nur, wenn er erzürnt war. Ein Hoherpriester stand seinem Dienste vor. Am Tage des grossen Erntefestes musste dieser selbst den Tempel fegen, und zwar mit angehaltenem Athem, um durch seinen Hauch nicht den Gott zu beleidigen. In das grosse Füllhorn ward nun Wein gegossen, und aus der vom vorigen Jahre zurückgebliebenen Quantität ward auf den Segen oder das Missrathen der nächsten Jahresernte geschlossen. Der Tempel und die Bildsäule des Gottes wurden durch Waldemar I. zerstört und das Volk getauft. 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Der König hatte das Gelübde gethan, die schönste Frau der Erde sein zu nennen, und so hatte er schon drei Frauen: Alfhild, Hedins Mutter, Säreid, Humlungs Mutter, und Sinriod, Hilmings Mutter, als der König hörte, Sigurlin sei die allerschönste der Frauen. Sogleich warb er durch den Jarl Atli um dieselbe, ward aus Furcht vor andern Freiern abgewiesen, überzog jedoch den Vater mit Krieg und erhielt endlich Sigurlin, welche nun Mutter eines Sohnes, des berühmten Helgi ward, der jedoch stumm und unthätig blieb, bis die holde S. ihn berührte, erweckte, ihm den Namen Helgi und sich selbst als Namens- oder Pathen-Geschenk übergab. 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Helgi warb nun um die schöne ehemals geliebte S., jetzt Sigrun, musste jedoch vorher manchen harten Strauss bestehen, da sie bereits dem Hodbrod zugesagt war, welcher, ein Sohn des schwedischen Königs Gramnar, mit

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Zitationshilfe: Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vollmer_mythologie_1874/491>, abgerufen am 22.11.2024.