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Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874.

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Herodotos merkwürdigerweise keine Sylbe. Er kennt vielmehr, wie Schelling den historischen Bericht des Griechen von der persischen Götterlehre deutlich zusammenfasst, "nur jene alten, ohne Tempel, Altäre und Bilder angebeteten Götter, welche auch in der späteren persischen Geschichte noch immer als die altväterlichen Götter, dei patrii, und demnach im Gegensatz mit jüngeren Göttern erwähnt werden: er kennt also nur jenen höchsten Gott des Himmels, den auch andere Griechen den persischen Zeus nennen, Sonne und Mond sammt den Elementen." Kyros bete daher bei Xenophon: "O väterlicher Zeus und die Sonne und alle Götter, nehmt diess an". Es erhelle aus dieser und ähnlichen Stellen, dass jene alten Götter in Persien nicht antiquirt gewesen, sondern noch immer verehrt worden wären, und daraus sei zu schliessen, dass die spätere religiöse Entwicklung in Persien nicht denselben Weg wie unter anderen Völkern, z. B. den Griechen, genommen habe, welche auf Verehrung von Sonne und Mond als barbarisch herabgesehen hätten. Letzteres ist allerdings richtig, nur mit der Einschränkung, dass in Apollon (Phöbus, Helios) und in Artemis Sonne und Mond durch Götter ersten Rangs vertreten waren. Dass übrigens Herodotos Kenntniss hat von einer Mitra, also einer weiblichen Gottheit, ist für uns an diesem Orte gleichgültig; Schelling unterlässt es jedoch nicht, den Zusammenhang zwischen Mithra und Mithras nach seiner Weise zu erschwingen. Wir heben lediglich nochmals hervor, dass es zutreffend ist, mit diesem Philosophen geschichtlich anzuerkennen, dass "die Perser noch zu Herodots Zeiten den Himmel, Sonne, Mond und die Elemente, tempel- und bilderlos, auf eine Weise verehrten, wie sie weder von den Phönikern, noch von den Aegyptern, Indern oder Griechen verehrt wurden". Die späteren Momente, setzt Schelling hinzu, fehlen in der persischen Mythologie ganz, nämlich die Momente, wie sie sich im Göttersystem der Phöniker, Karthager, Aegypter, Inder und selbst der Griechen entwickelt haben. Nach der macedonischen Eroberung Persiens (also geraume Zeit nach Herodot) reden spätere griechische Berichte von dem Mithras als dem Hauptgott der Perser, und wir weisen noch darauf hin, dass sich der Mithrasdienst nachmals weit über das Abendland und das römische Reich hin verpflanzt hat, ein Kultus mit mystischen Weihen, öffentlichen und allgemeinen Freudenfesten, fröhlichen Volkstänzen und Schwelgereien. Von dem Ursprung und Wandel dieser Verehrung handelt Schelling ausführlich. Doch können wir dem, was er über den Charakter der persischen Mythologie als einer unmythologischen Götterlehre behauptet, desswegen nicht schlechthin beistimmen, weil wir nicht vergessen, dass die Perser, wie es scheint, zu allen Zeiten an untergeordneten Götterwesen, Geistern, Genien Ueberfluss hatten. Ihre Mythologie war eben eine eigenartige.

In mehreren Grundzügen hatte sie mit der deutsch-nordischen (nordisch-germanischen) eine grosse Aehnlichkeit, im gewaltigen Wettkampfe eines guten und bösen Prinzips, im scheinbaren Siege des letztern, in der Vergänglichkeit der Götter, im Untergange der Erde durch Feuer und im schliesslichen Wiedererstehen einer vollkommenen Welt. Wir führen blos die Hauptgötter dieses im Norden Europa's verbreiteten Sagenkreises auf. In diesem giebt es ebenfalls einen Urgott, der über der Erde, den Göttern und dem Weltall steht, den Allvater (Alfadur). Mit diesem Namen freilich wird auch Odin beschenkt, der oberste Gott und zugleich unter den Göttern der erste, der da war und bis an das Ende fortherrschte; sonst auch Wodan (Wuotan) genannt. Seine Gemahlin hiess Frigg, die Tochter eines Joten (Riesen), und aus ihrer Ehe entsprossten sechs Söhne, die unter die vorzüglichsten Götter gerechnet wurden, Thorr, Tyr, Hermodr, Bragi, Baldur und Hödur. Die Zahl dieser acht Götter erhöhte sich auf zwölf; denn es traten hinzu: Heimdal,

Herodotos merkwürdigerweise keine Sylbe. Er kennt vielmehr, wie Schelling den historischen Bericht des Griechen von der persischen Götterlehre deutlich zusammenfasst, »nur jene alten, ohne Tempel, Altäre und Bilder angebeteten Götter, welche auch in der späteren persischen Geschichte noch immer als die altväterlichen Götter, dei patrii, und demnach im Gegensatz mit jüngeren Göttern erwähnt werden: er kennt also nur jenen höchsten Gott des Himmels, den auch andere Griechen den persischen Zeus nennen, Sonne und Mond sammt den Elementen.« Kyros bete daher bei Xenophon: »O väterlicher Zeus und die Sonne und alle Götter, nehmt diess an«. Es erhelle aus dieser und ähnlichen Stellen, dass jene alten Götter in Persien nicht antiquirt gewesen, sondern noch immer verehrt worden wären, und daraus sei zu schliessen, dass die spätere religiöse Entwicklung in Persien nicht denselben Weg wie unter anderen Völkern, z. B. den Griechen, genommen habe, welche auf Verehrung von Sonne und Mond als barbarisch herabgesehen hätten. Letzteres ist allerdings richtig, nur mit der Einschränkung, dass in Apollon (Phöbus, Helios) und in Artemis Sonne und Mond durch Götter ersten Rangs vertreten waren. Dass übrigens Herodotos Kenntniss hat von einer Mitra, also einer weiblichen Gottheit, ist für uns an diesem Orte gleichgültig; Schelling unterlässt es jedoch nicht, den Zusammenhang zwischen Mithra und Mithras nach seiner Weise zu erschwingen. Wir heben lediglich nochmals hervor, dass es zutreffend ist, mit diesem Philosophen geschichtlich anzuerkennen, dass »die Perser noch zu Herodots Zeiten den Himmel, Sonne, Mond und die Elemente, tempel- und bilderlos, auf eine Weise verehrten, wie sie weder von den Phönikern, noch von den Aegyptern, Indern oder Griechen verehrt wurden«. Die späteren Momente, setzt Schelling hinzu, fehlen in der persischen Mythologie ganz, nämlich die Momente, wie sie sich im Göttersystem der Phöniker, Karthager, Aegypter, Inder und selbst der Griechen entwickelt haben. Nach der macedonischen Eroberung Persiens (also geraume Zeit nach Herodot) reden spätere griechische Berichte von dem Mithras als dem Hauptgott der Perser, und wir weisen noch darauf hin, dass sich der Mithrasdienst nachmals weit über das Abendland und das römische Reich hin verpflanzt hat, ein Kultus mit mystischen Weihen, öffentlichen und allgemeinen Freudenfesten, fröhlichen Volkstänzen und Schwelgereien. Von dem Ursprung und Wandel dieser Verehrung handelt Schelling ausführlich. Doch können wir dem, was er über den Charakter der persischen Mythologie als einer unmythologischen Götterlehre behauptet, desswegen nicht schlechthin beistimmen, weil wir nicht vergessen, dass die Perser, wie es scheint, zu allen Zeiten an untergeordneten Götterwesen, Geistern, Genien Ueberfluss hatten. Ihre Mythologie war eben eine eigenartige.

In mehreren Grundzügen hatte sie mit der deutsch-nordischen (nordisch-germanischen) eine grosse Aehnlichkeit, im gewaltigen Wettkampfe eines guten und bösen Prinzips, im scheinbaren Siege des letztern, in der Vergänglichkeit der Götter, im Untergange der Erde durch Feuer und im schliesslichen Wiedererstehen einer vollkommenen Welt. Wir führen blos die Hauptgötter dieses im Norden Europa's verbreiteten Sagenkreises auf. In diesem giebt es ebenfalls einen Urgott, der über der Erde, den Göttern und dem Weltall steht, den Allvater (Alfadur). Mit diesem Namen freilich wird auch Odin beschenkt, der oberste Gott und zugleich unter den Göttern der erste, der da war und bis an das Ende fortherrschte; sonst auch Wodan (Wuotan) genannt. Seine Gemahlin hiess Frigg, die Tochter eines Joten (Riesen), und aus ihrer Ehe entsprossten sechs Söhne, die unter die vorzüglichsten Götter gerechnet wurden, Thorr, Tyr, Hermodr, Bragi, Baldur und Hödur. Die Zahl dieser acht Götter erhöhte sich auf zwölf; denn es traten hinzu: Heimdal,

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Herodotos merkwürdigerweise keine Sylbe. Er kennt vielmehr, wie Schelling den historischen Bericht des Griechen von der persischen Götterlehre deutlich zusammenfasst, »nur jene alten, ohne Tempel, Altäre und Bilder angebeteten Götter, welche auch in der späteren persischen Geschichte noch immer als die altväterlichen Götter, dei patrii, und demnach im Gegensatz mit jüngeren Göttern erwähnt werden: er kennt also nur jenen höchsten Gott des Himmels, den auch andere Griechen den persischen Zeus nennen, Sonne und Mond sammt den Elementen.« Kyros bete daher bei Xenophon: »O väterlicher Zeus und die Sonne und alle Götter, nehmt diess an«. Es erhelle aus dieser und ähnlichen Stellen, dass jene alten Götter in Persien nicht antiquirt gewesen, sondern noch immer verehrt worden wären, und daraus sei zu schliessen, dass die spätere religiöse Entwicklung in Persien nicht denselben Weg wie unter anderen Völkern, z. B. den Griechen, genommen habe, welche auf Verehrung von Sonne und Mond als barbarisch herabgesehen hätten. Letzteres ist allerdings richtig, nur mit der Einschränkung, dass in Apollon (Phöbus, Helios) und in Artemis Sonne und Mond durch Götter ersten Rangs vertreten waren. Dass übrigens Herodotos Kenntniss hat von einer Mitra, also einer weiblichen Gottheit, ist für uns an diesem Orte gleichgültig; Schelling unterlässt es jedoch nicht, den Zusammenhang zwischen Mithra und Mithras nach seiner Weise zu erschwingen. Wir heben lediglich nochmals hervor, dass es zutreffend ist, mit diesem Philosophen geschichtlich anzuerkennen, dass »die Perser noch zu Herodots Zeiten den Himmel, Sonne, Mond und die Elemente, tempel- und bilderlos, auf eine Weise verehrten, wie sie weder von den Phönikern, noch von den Aegyptern, Indern oder Griechen verehrt wurden«. Die späteren Momente, setzt Schelling hinzu, fehlen in der persischen Mythologie ganz, nämlich die Momente, wie sie sich im Göttersystem der Phöniker, Karthager, Aegypter, Inder und selbst der Griechen entwickelt haben. Nach der macedonischen Eroberung Persiens (also geraume Zeit nach Herodot) reden spätere griechische Berichte von dem <hi rendition="#g">Mithras</hi> als dem Hauptgott der Perser, und wir weisen noch darauf hin, dass sich der Mithrasdienst nachmals weit über das Abendland und das römische Reich hin verpflanzt hat, ein Kultus mit mystischen Weihen, öffentlichen und allgemeinen Freudenfesten, fröhlichen Volkstänzen und Schwelgereien. Von dem Ursprung und Wandel dieser Verehrung handelt Schelling ausführlich. Doch können wir dem, was er über den Charakter der persischen Mythologie als einer unmythologischen Götterlehre behauptet, desswegen nicht schlechthin beistimmen, weil wir nicht vergessen, dass die Perser, wie es scheint, zu allen Zeiten an untergeordneten Götterwesen, Geistern, Genien Ueberfluss hatten. Ihre Mythologie war eben eine eigenartige.</p><lb/>
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[LIII/0053] Herodotos merkwürdigerweise keine Sylbe. Er kennt vielmehr, wie Schelling den historischen Bericht des Griechen von der persischen Götterlehre deutlich zusammenfasst, »nur jene alten, ohne Tempel, Altäre und Bilder angebeteten Götter, welche auch in der späteren persischen Geschichte noch immer als die altväterlichen Götter, dei patrii, und demnach im Gegensatz mit jüngeren Göttern erwähnt werden: er kennt also nur jenen höchsten Gott des Himmels, den auch andere Griechen den persischen Zeus nennen, Sonne und Mond sammt den Elementen.« Kyros bete daher bei Xenophon: »O väterlicher Zeus und die Sonne und alle Götter, nehmt diess an«. Es erhelle aus dieser und ähnlichen Stellen, dass jene alten Götter in Persien nicht antiquirt gewesen, sondern noch immer verehrt worden wären, und daraus sei zu schliessen, dass die spätere religiöse Entwicklung in Persien nicht denselben Weg wie unter anderen Völkern, z. B. den Griechen, genommen habe, welche auf Verehrung von Sonne und Mond als barbarisch herabgesehen hätten. Letzteres ist allerdings richtig, nur mit der Einschränkung, dass in Apollon (Phöbus, Helios) und in Artemis Sonne und Mond durch Götter ersten Rangs vertreten waren. Dass übrigens Herodotos Kenntniss hat von einer Mitra, also einer weiblichen Gottheit, ist für uns an diesem Orte gleichgültig; Schelling unterlässt es jedoch nicht, den Zusammenhang zwischen Mithra und Mithras nach seiner Weise zu erschwingen. Wir heben lediglich nochmals hervor, dass es zutreffend ist, mit diesem Philosophen geschichtlich anzuerkennen, dass »die Perser noch zu Herodots Zeiten den Himmel, Sonne, Mond und die Elemente, tempel- und bilderlos, auf eine Weise verehrten, wie sie weder von den Phönikern, noch von den Aegyptern, Indern oder Griechen verehrt wurden«. Die späteren Momente, setzt Schelling hinzu, fehlen in der persischen Mythologie ganz, nämlich die Momente, wie sie sich im Göttersystem der Phöniker, Karthager, Aegypter, Inder und selbst der Griechen entwickelt haben. Nach der macedonischen Eroberung Persiens (also geraume Zeit nach Herodot) reden spätere griechische Berichte von dem Mithras als dem Hauptgott der Perser, und wir weisen noch darauf hin, dass sich der Mithrasdienst nachmals weit über das Abendland und das römische Reich hin verpflanzt hat, ein Kultus mit mystischen Weihen, öffentlichen und allgemeinen Freudenfesten, fröhlichen Volkstänzen und Schwelgereien. Von dem Ursprung und Wandel dieser Verehrung handelt Schelling ausführlich. Doch können wir dem, was er über den Charakter der persischen Mythologie als einer unmythologischen Götterlehre behauptet, desswegen nicht schlechthin beistimmen, weil wir nicht vergessen, dass die Perser, wie es scheint, zu allen Zeiten an untergeordneten Götterwesen, Geistern, Genien Ueberfluss hatten. Ihre Mythologie war eben eine eigenartige. In mehreren Grundzügen hatte sie mit der deutsch-nordischen (nordisch-germanischen) eine grosse Aehnlichkeit, im gewaltigen Wettkampfe eines guten und bösen Prinzips, im scheinbaren Siege des letztern, in der Vergänglichkeit der Götter, im Untergange der Erde durch Feuer und im schliesslichen Wiedererstehen einer vollkommenen Welt. Wir führen blos die Hauptgötter dieses im Norden Europa's verbreiteten Sagenkreises auf. In diesem giebt es ebenfalls einen Urgott, der über der Erde, den Göttern und dem Weltall steht, den Allvater (Alfadur). Mit diesem Namen freilich wird auch Odin beschenkt, der oberste Gott und zugleich unter den Göttern der erste, der da war und bis an das Ende fortherrschte; sonst auch Wodan (Wuotan) genannt. Seine Gemahlin hiess Frigg, die Tochter eines Joten (Riesen), und aus ihrer Ehe entsprossten sechs Söhne, die unter die vorzüglichsten Götter gerechnet wurden, Thorr, Tyr, Hermodr, Bragi, Baldur und Hödur. Die Zahl dieser acht Götter erhöhte sich auf zwölf; denn es traten hinzu: Heimdal,

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Zitationshilfe: Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874, S. LIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vollmer_mythologie_1874/53>, abgerufen am 04.12.2024.