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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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in jenem Meere werden dann die Gebirgrücken
des neuen Erdtheils sein.

Guido sagte hier zu seinem Lehrer: Du
drängst mein Nachsinnen in einen noch tieferen
Hintergrund. Es macht zwar froh, so viel neue
Möglichkeit des Lebens zu träumen, auch sehe
ich nur Vortheil für das Geschlecht darin, wenn
junge Länder zum Anbau einladen, wenn die
Kaspische See, das schwarze Meer, das mittel¬
ländische Meer, trocken geworden, mit Städten
und Dörfern übersäet werden können. Wo soll
das aber endlich hinaus? Wenn nun das Was¬
ser, nach manchen Jahrtausenden, ganz vom Erd¬
ball verschwände, müßte nicht die Menschheit, an
seinen Verbrauch unabläßig gebunden, jammer¬
voll untergehn?

Gelino lächelte und gab seinem Zögling die
Antwort: Dies könnte wohl sein, und wenn
die höchste Entwickelung, der Menschheit Zweck
ist, was wäre denn noch an ihrer Fortdauer ge¬
legen, wenn sie das Ziel umfaßt hätte, und es
etwa mit jenem Zeitpunkt zusammenträfe? Gleich¬
wohl dürfte sein Untergang auch nicht einmal
an das Verschwinden des Wassers gebunden sein.
Denn, kann der Erdensohn nicht übernehmen,

in jenem Meere werden dann die Gebirgruͤcken
des neuen Erdtheils ſein.

Guido ſagte hier zu ſeinem Lehrer: Du
draͤngſt mein Nachſinnen in einen noch tieferen
Hintergrund. Es macht zwar froh, ſo viel neue
Moͤglichkeit des Lebens zu traͤumen, auch ſehe
ich nur Vortheil fuͤr das Geſchlecht darin, wenn
junge Laͤnder zum Anbau einladen, wenn die
Kaspiſche See, das ſchwarze Meer, das mittel¬
laͤndiſche Meer, trocken geworden, mit Staͤdten
und Doͤrfern uͤberſaͤet werden koͤnnen. Wo ſoll
das aber endlich hinaus? Wenn nun das Waſ¬
ſer, nach manchen Jahrtauſenden, ganz vom Erd¬
ball verſchwaͤnde, muͤßte nicht die Menſchheit, an
ſeinen Verbrauch unablaͤßig gebunden, jammer¬
voll untergehn?

Gelino laͤchelte und gab ſeinem Zoͤgling die
Antwort: Dies koͤnnte wohl ſein, und wenn
die hoͤchſte Entwickelung, der Menſchheit Zweck
iſt, was waͤre denn noch an ihrer Fortdauer ge¬
legen, wenn ſie das Ziel umfaßt haͤtte, und es
etwa mit jenem Zeitpunkt zuſammentraͤfe? Gleich¬
wohl duͤrfte ſein Untergang auch nicht einmal
an das Verſchwinden des Waſſers gebunden ſein.
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[169/0181] in jenem Meere werden dann die Gebirgruͤcken des neuen Erdtheils ſein. Guido ſagte hier zu ſeinem Lehrer: Du draͤngſt mein Nachſinnen in einen noch tieferen Hintergrund. Es macht zwar froh, ſo viel neue Moͤglichkeit des Lebens zu traͤumen, auch ſehe ich nur Vortheil fuͤr das Geſchlecht darin, wenn junge Laͤnder zum Anbau einladen, wenn die Kaspiſche See, das ſchwarze Meer, das mittel¬ laͤndiſche Meer, trocken geworden, mit Staͤdten und Doͤrfern uͤberſaͤet werden koͤnnen. Wo ſoll das aber endlich hinaus? Wenn nun das Waſ¬ ſer, nach manchen Jahrtauſenden, ganz vom Erd¬ ball verſchwaͤnde, muͤßte nicht die Menſchheit, an ſeinen Verbrauch unablaͤßig gebunden, jammer¬ voll untergehn? Gelino laͤchelte und gab ſeinem Zoͤgling die Antwort: Dies koͤnnte wohl ſein, und wenn die hoͤchſte Entwickelung, der Menſchheit Zweck iſt, was waͤre denn noch an ihrer Fortdauer ge¬ legen, wenn ſie das Ziel umfaßt haͤtte, und es etwa mit jenem Zeitpunkt zuſammentraͤfe? Gleich¬ wohl duͤrfte ſein Untergang auch nicht einmal an das Verſchwinden des Waſſers gebunden ſein. Denn, kann der Erdenſohn nicht uͤbernehmen,

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/181>, abgerufen am 21.11.2024.