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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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einem umgekehrten Becher ähnlich, oder gar ein
Dreieck mit abentheuerlichen Stülpen! Wie vie¬
lerlei Lappen hängen an den Männern, der
natürlichen Form ganz zuwider, mit häßlichen
Ecken, und dennoch übel gegen die Witterung
schirmend. Wie muß dies vielfache Einschnüren
die Körper verunstaltet, ihnen nach und nach
Kraft und Gesundheit entzogen haben! Und so
unanständig, pfui, so unanständig! Fürwahr diese
Urväter mußten grobe Narren sein!

Es wurden nun mancherlei Sittenzeichnun¬
gen dargestellt, wo denn aber das Gelächter oft
mit Abscheu und Mitleid wechselte. Man sah
die Kirchlichkeit, wo unverschämte Priester ganz
widersinnige, unnatürliche, die Gottheit herab¬
würdigende Mithen, einst einem tief rohen
Zeitalter kaum anpassend, immer noch als Wahr¬
heiten lehren wollten, und das thörichte Volk
gauklerisch betrogen. Man sahe Fürstenhöfe, wo
eine widrige Erziehung das Oberhaupt ärmer
an Geist dastehen ließ, als die Unterthanen am
Fuß der Staatspiramide, wo es, statt mit der
Weisheit, mit dem Vorurtheil umgeben war,
und blödsichtige engherzige Höflinge ihm eitel
Lügen sagten, wo das wahnsinnige Volk endlich

einem umgekehrten Becher aͤhnlich, oder gar ein
Dreieck mit abentheuerlichen Stuͤlpen! Wie vie¬
lerlei Lappen haͤngen an den Maͤnnern, der
natuͤrlichen Form ganz zuwider, mit haͤßlichen
Ecken, und dennoch uͤbel gegen die Witterung
ſchirmend. Wie muß dies vielfache Einſchnuͤren
die Koͤrper verunſtaltet, ihnen nach und nach
Kraft und Geſundheit entzogen haben! Und ſo
unanſtaͤndig, pfui, ſo unanſtaͤndig! Fuͤrwahr dieſe
Urvaͤter mußten grobe Narren ſein!

Es wurden nun mancherlei Sittenzeichnun¬
gen dargeſtellt, wo denn aber das Gelaͤchter oft
mit Abſcheu und Mitleid wechſelte. Man ſah
die Kirchlichkeit, wo unverſchaͤmte Prieſter ganz
widerſinnige, unnatuͤrliche, die Gottheit herab¬
wuͤrdigende Mithen, einſt einem tief rohen
Zeitalter kaum anpaſſend, immer noch als Wahr¬
heiten lehren wollten, und das thoͤrichte Volk
gaukleriſch betrogen. Man ſahe Fuͤrſtenhoͤfe, wo
eine widrige Erziehung das Oberhaupt aͤrmer
an Geiſt daſtehen ließ, als die Unterthanen am
Fuß der Staatspiramide, wo es, ſtatt mit der
Weisheit, mit dem Vorurtheil umgeben war,
und bloͤdſichtige engherzige Hoͤflinge ihm eitel
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[262/0274] einem umgekehrten Becher aͤhnlich, oder gar ein Dreieck mit abentheuerlichen Stuͤlpen! Wie vie¬ lerlei Lappen haͤngen an den Maͤnnern, der natuͤrlichen Form ganz zuwider, mit haͤßlichen Ecken, und dennoch uͤbel gegen die Witterung ſchirmend. Wie muß dies vielfache Einſchnuͤren die Koͤrper verunſtaltet, ihnen nach und nach Kraft und Geſundheit entzogen haben! Und ſo unanſtaͤndig, pfui, ſo unanſtaͤndig! Fuͤrwahr dieſe Urvaͤter mußten grobe Narren ſein! Es wurden nun mancherlei Sittenzeichnun¬ gen dargeſtellt, wo denn aber das Gelaͤchter oft mit Abſcheu und Mitleid wechſelte. Man ſah die Kirchlichkeit, wo unverſchaͤmte Prieſter ganz widerſinnige, unnatuͤrliche, die Gottheit herab¬ wuͤrdigende Mithen, einſt einem tief rohen Zeitalter kaum anpaſſend, immer noch als Wahr¬ heiten lehren wollten, und das thoͤrichte Volk gaukleriſch betrogen. Man ſahe Fuͤrſtenhoͤfe, wo eine widrige Erziehung das Oberhaupt aͤrmer an Geiſt daſtehen ließ, als die Unterthanen am Fuß der Staatspiramide, wo es, ſtatt mit der Weisheit, mit dem Vorurtheil umgeben war, und bloͤdſichtige engherzige Hoͤflinge ihm eitel Luͤgen ſagten, wo das wahnſinnige Volk endlich

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/274>, abgerufen am 22.11.2024.