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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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Der Vater umarmte ihn wieder. Nach sei¬
nem ersten Siege prüfe ihn der Völkerrath, und
erkläre ihn zum Erben des Kaiserthrons, denn
ich will fortan des hohen Alters Sorge mit ihm
theilen, sprach er.

Neuer freudiger Zuruf! Doch -- wenn Gui¬
dos Augen das Entzücken so vieler neuerwachten
Gefühle verkündeten, so überzog ein Dunkel
seine Stirn, das Jedermann wahrnahm, allein
Niemand zu erklären wußte.

Auch der Kaiser fand dies plötzliche Versin¬
ken in nachdenkenden Ernst räthselhaft. Schnell
aber fing er an: Ich errathe ihn. Er ließ den
edlen Gelino am Pol, wie mein Vertrauter er¬
fuhr. So lange vertrat mich der Greis beim
Sohn. Liebe weint dem zweiten Vater nach.
Der Staat verdankt ihm die Bildung seines künf¬
tigen Oberhaupts. Mehr als Siege gilt dies
Verdienst. Sucht den Leichnam, baut ihm ein
Grab, das die Nachwelt ehre!

O, fiel Guido ein, sein Grab bleibe dort.
Die Natur baute ihm selbst einen Obelisk. Doch
sein Standbild last uns daneben erhöhn, wo
Newtons Denkmal steht.

Gewährt, mein Sohn! rief der Kaiser,

Der Vater umarmte ihn wieder. Nach ſei¬
nem erſten Siege pruͤfe ihn der Voͤlkerrath, und
erklaͤre ihn zum Erben des Kaiſerthrons, denn
ich will fortan des hohen Alters Sorge mit ihm
theilen, ſprach er.

Neuer freudiger Zuruf! Doch — wenn Gui¬
dos Augen das Entzuͤcken ſo vieler neuerwachten
Gefuͤhle verkuͤndeten, ſo uͤberzog ein Dunkel
ſeine Stirn, das Jedermann wahrnahm, allein
Niemand zu erklaͤren wußte.

Auch der Kaiſer fand dies ploͤtzliche Verſin¬
ken in nachdenkenden Ernſt raͤthſelhaft. Schnell
aber fing er an: Ich errathe ihn. Er ließ den
edlen Gelino am Pol, wie mein Vertrauter er¬
fuhr. So lange vertrat mich der Greis beim
Sohn. Liebe weint dem zweiten Vater nach.
Der Staat verdankt ihm die Bildung ſeines kuͤnf¬
tigen Oberhaupts. Mehr als Siege gilt dies
Verdienſt. Sucht den Leichnam, baut ihm ein
Grab, das die Nachwelt ehre!

O, fiel Guido ein, ſein Grab bleibe dort.
Die Natur baute ihm ſelbſt einen Obelisk. Doch
ſein Standbild laſt uns daneben erhoͤhn, wo
Newtons Denkmal ſteht.

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[342/0354] Der Vater umarmte ihn wieder. Nach ſei¬ nem erſten Siege pruͤfe ihn der Voͤlkerrath, und erklaͤre ihn zum Erben des Kaiſerthrons, denn ich will fortan des hohen Alters Sorge mit ihm theilen, ſprach er. Neuer freudiger Zuruf! Doch — wenn Gui¬ dos Augen das Entzuͤcken ſo vieler neuerwachten Gefuͤhle verkuͤndeten, ſo uͤberzog ein Dunkel ſeine Stirn, das Jedermann wahrnahm, allein Niemand zu erklaͤren wußte. Auch der Kaiſer fand dies ploͤtzliche Verſin¬ ken in nachdenkenden Ernſt raͤthſelhaft. Schnell aber fing er an: Ich errathe ihn. Er ließ den edlen Gelino am Pol, wie mein Vertrauter er¬ fuhr. So lange vertrat mich der Greis beim Sohn. Liebe weint dem zweiten Vater nach. Der Staat verdankt ihm die Bildung ſeines kuͤnf¬ tigen Oberhaupts. Mehr als Siege gilt dies Verdienſt. Sucht den Leichnam, baut ihm ein Grab, das die Nachwelt ehre! O, fiel Guido ein, ſein Grab bleibe dort. Die Natur baute ihm ſelbſt einen Obelisk. Doch ſein Standbild laſt uns daneben erhoͤhn, wo Newtons Denkmal ſteht. Gewaͤhrt, mein Sohn! rief der Kaiſer,

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/354>, abgerufen am 23.11.2024.