Voß, Johann Heinrich: Luise. Ein ländliches Gedicht in 3 Idyllen. Königsberg, 1795.LUISE Innig. Da trat an das Fenster Amalia,blickte den Mond an, Und das Gewölk, das flüchtig mit wech- selndem Glanz ihn vorüber Wallete, jezt ihn enthüllt', und dunkeler jezo dahinzog; Und wie der Wind auf dem Hofe das gelbe Laub von den Bäumen Wirbelte, wogt' und zerstreute, mit schau- erlichem Gerassel: 100 Sinnend stand sie, und schwieg; und der Mond beglänzte die Thräne, Die auf rosiger Wang' ihr zitterte. Aber sie hielt sich, Wandt' ihr Gesicht ins Dunkel, und sprach mit erzwungenem Leichtsinn: Rede, wie Bräuten geziemt, was fröh- liches, nicht von dem Abschied, LUISE Innig. Da trat an das Fenſter Amalia,blickte den Mond an, Und das Gewölk, das flüchtig mit wech- ſelndem Glanz ihn vorüber Wallete, jezt ihn enthüllt’, und dunkeler jezo dahinzog; Und wie der Wind auf dem Hofe das gelbe Laub von den Bäumen Wirbelte, wogt’ und zerſtreute, mit ſchau- erlichem Geraſſel: 100 Sinnend ſtand ſie, und ſchwieg; und der Mond beglänzte die Thräne, Die auf roſiger Wang’ ihr zitterte. Aber ſie hielt ſich, Wandt’ ihr Geſicht ins Dunkel, und ſprach mit erzwungenem Leichtſinn: Rede, wie Bräuten geziemt, was fröh- liches, nicht von dem Abſchied, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0144" n="130"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">LUISE</hi></fw><lb/> Innig. Da trat an das Fenſter Amalia,<lb/> blickte den Mond an,<lb/> Und das Gewölk, das flüchtig mit wech-<lb/> ſelndem Glanz ihn vorüber<lb/> Wallete, jezt ihn enthüllt’, und dunkeler<lb/> jezo dahinzog;<lb/> Und wie der Wind auf dem Hofe das<lb/> gelbe Laub von den Bäumen<lb/> Wirbelte, wogt’ und zerſtreute, mit ſchau-<lb/> erlichem Geraſſel: <lb n="100"/> Sinnend ſtand ſie, und ſchwieg; und der<lb/> Mond beglänzte die Thräne,<lb/> Die auf roſiger Wang’ ihr zitterte. Aber<lb/> ſie hielt ſich,<lb/> Wandt’ ihr Geſicht ins Dunkel, und ſprach<lb/> mit erzwungenem Leichtſinn:<lb/> Rede, wie Bräuten geziemt, was fröh-<lb/> liches, nicht von dem Abſchied,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [130/0144]
LUISE
Innig. Da trat an das Fenſter Amalia,
blickte den Mond an,
Und das Gewölk, das flüchtig mit wech-
ſelndem Glanz ihn vorüber
Wallete, jezt ihn enthüllt’, und dunkeler
jezo dahinzog;
Und wie der Wind auf dem Hofe das
gelbe Laub von den Bäumen
Wirbelte, wogt’ und zerſtreute, mit ſchau-
erlichem Geraſſel: 100
Sinnend ſtand ſie, und ſchwieg; und der
Mond beglänzte die Thräne,
Die auf roſiger Wang’ ihr zitterte. Aber
ſie hielt ſich,
Wandt’ ihr Geſicht ins Dunkel, und ſprach
mit erzwungenem Leichtſinn:
Rede, wie Bräuten geziemt, was fröh-
liches, nicht von dem Abſchied,
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Zitationshilfe: | Voß, Johann Heinrich: Luise. Ein ländliches Gedicht in 3 Idyllen. Königsberg, 1795, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_luise_1795/144>, abgerufen am 16.02.2025. |