Voß, Johann Heinrich: Luise. Ein ländliches Gedicht in 3 Idyllen. Königsberg, 1795.LUISE Liebreich sprach der Vater, die rosigeWang' ihr streichelnd: Kind, dir brennt ja die Wange wie Glut! Zwar ist es nicht übel 295 Anzusehn; doch nim mir, mein Töchter- chen, wegen der Zugluft Etwas mehr um den Hals. Man erkältet sich leicht in der Hize. Jenem küsste die Hand und erwiederte freundlich die Tochter: Zugluft heisst die Kühlung, die sanft durch Erlen des Ufers Athmet, und kaum ein Band mir bewegt? Wir gingen ja langsam, 300 Ruhten auch oft im Schatten. Ich bin nur so fröhlich, mein Vater! Drauf antwortetest du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau: LUISE Liebreich ſprach der Vater, die roſigeWang’ ihr ſtreichelnd: Kind, dir brennt ja die Wange wie Glut! Zwar iſt es nicht übel 295 Anzuſehn; doch nim mir, mein Töchter- chen, wegen der Zugluft Etwas mehr um den Hals. Man erkältet ſich leicht in der Hize. Jenem küſste die Hand und erwiederte freundlich die Tochter: Zugluft heiſst die Kühlung, die ſanft durch Erlen des Ufers Athmet, und kaum ein Band mir bewegt? Wir gingen ja langſam, 300 Ruhten auch oft im Schatten. Ich bin nur ſo fröhlich, mein Vater! Drauf antworteteſt du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0050" n="40"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">LUISE</hi></fw><lb/> Liebreich ſprach der Vater, die roſige<lb/> Wang’ ihr ſtreichelnd:<lb/> Kind, dir brennt ja die Wange wie<lb/> Glut! Zwar iſt es nicht übel <lb n="295"/> Anzuſehn; doch nim mir, mein Töchter-<lb/> chen, wegen der Zugluft<lb/> Etwas mehr um den Hals. Man erkältet<lb/> ſich leicht in der Hize.<lb/> Jenem küſste die Hand und erwiederte<lb/> freundlich die Tochter:<lb/> Zugluft heiſst die Kühlung, die ſanft<lb/> durch Erlen des Ufers<lb/> Athmet, und kaum ein Band mir bewegt?<lb/> Wir gingen ja langſam, <lb n="300"/> Ruhten auch oft im Schatten. Ich bin<lb/> nur ſo fröhlich, mein Vater!<lb/> Drauf antworteteſt du, ehrwürdiger<lb/> Pfarrer von Grünau:<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [40/0050]
LUISE
Liebreich ſprach der Vater, die roſige
Wang’ ihr ſtreichelnd:
Kind, dir brennt ja die Wange wie
Glut! Zwar iſt es nicht übel 295
Anzuſehn; doch nim mir, mein Töchter-
chen, wegen der Zugluft
Etwas mehr um den Hals. Man erkältet
ſich leicht in der Hize.
Jenem küſste die Hand und erwiederte
freundlich die Tochter:
Zugluft heiſst die Kühlung, die ſanft
durch Erlen des Ufers
Athmet, und kaum ein Band mir bewegt?
Wir gingen ja langſam, 300
Ruhten auch oft im Schatten. Ich bin
nur ſo fröhlich, mein Vater!
Drauf antworteteſt du, ehrwürdiger
Pfarrer von Grünau:
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |