Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.Odüßee. Seliger Liebe genoß; wie bald erfuhr die UmarmungZeus, und erschlug ihn im Zorne mit seinem flammenden Donner! Also verargt ihr auch mir des sterblichen Mannes Gemeinschaft, Den ich vom Tode gewann, als er auf zertrümmertem Kiele 130 Einsam trieb; denn ihm hatte der Gott hochrollender Donner Mitten im Meere sein Schiff mit dem dampfenden Strale zerschmettert. Alle tapfern Gefährten versanken ihm dort in den Abgrund; Aber er selbst kam hier von Sturm und Woge geschleudert. Freundlich nahm ich ihn auf, und reicht' ihm Nahrung, und sagte 135 Ihm Unsterblichkeit zu und nimmerverblühende Jugend. Aber kein Himmlischer mag dem wetterleuchtenden Gotte Zeus entgegen sich stellen, noch seinen Willen vereiteln. Mög' er denn gehn, wo ihn des Herschers Wille hinwegtreibt, Ueber das wilde Meer! Doch senden werd' ich ihn nimmer; 140 Denn mir gebricht es hier an Ruderschiffen und Männern, Ueber den weiten Rücken des Meeres ihn zu geleiten. Aber ich will ihm mit Rath beistehn, und nichts ihm verhehlen; Daß er ohne Gefahr die Heimat wieder erreiche. Ihr antwortete drauf der rüstige Argosbesieger: 145 Also sprach er und ging, der tapfere Argosbesieger. Oduͤßee. Seliger Liebe genoß; wie bald erfuhr die UmarmungZeus, und erſchlug ihn im Zorne mit ſeinem flammenden Donner! Alſo verargt ihr auch mir des ſterblichen Mannes Gemeinſchaft, Den ich vom Tode gewann, als er auf zertruͤmmertem Kiele 130 Einſam trieb; denn ihm hatte der Gott hochrollender Donner Mitten im Meere ſein Schiff mit dem dampfenden Strale zerſchmettert. Alle tapfern Gefaͤhrten verſanken ihm dort in den Abgrund; Aber er ſelbſt kam hier von Sturm und Woge geſchleudert. Freundlich nahm ich ihn auf, und reicht' ihm Nahrung, und ſagte 135 Ihm Unſterblichkeit zu und nimmerverbluͤhende Jugend. Aber kein Himmliſcher mag dem wetterleuchtenden Gotte Zeus entgegen ſich ſtellen, noch ſeinen Willen vereiteln. Moͤg' er denn gehn, wo ihn des Herſchers Wille hinwegtreibt, Ueber das wilde Meer! Doch ſenden werd' ich ihn nimmer; 140 Denn mir gebricht es hier an Ruderſchiffen und Maͤnnern, Ueber den weiten Ruͤcken des Meeres ihn zu geleiten. Aber ich will ihm mit Rath beiſtehn, und nichts ihm verhehlen; Daß er ohne Gefahr die Heimat wieder erreiche. Ihr antwortete drauf der ruͤſtige Argosbeſieger: 145 Alſo ſprach er und ging, der tapfere Argosbeſieger. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0106" n="100"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Oduͤßee.</hi></fw><lb/> Seliger Liebe genoß; wie bald erfuhr die Umarmung<lb/> Zeus, und erſchlug ihn im Zorne mit ſeinem flammenden Donner!<lb/> Alſo verargt ihr auch mir des ſterblichen Mannes Gemeinſchaft,<lb/> Den ich vom Tode gewann, als er auf zertruͤmmertem Kiele <note place="right">130</note><lb/> Einſam trieb; denn ihm hatte der Gott hochrollender Donner<lb/> Mitten im Meere ſein Schiff mit dem dampfenden Strale zerſchmettert.<lb/> Alle tapfern Gefaͤhrten verſanken ihm dort in den Abgrund;<lb/> Aber er ſelbſt kam hier von Sturm und Woge geſchleudert.<lb/> Freundlich nahm ich ihn auf, und reicht' ihm Nahrung, und ſagte <note place="right">135</note><lb/> Ihm Unſterblichkeit zu und nimmerverbluͤhende Jugend.<lb/> Aber kein Himmliſcher mag dem wetterleuchtenden Gotte<lb/> Zeus entgegen ſich ſtellen, noch ſeinen Willen vereiteln.<lb/> Moͤg' er denn gehn, wo ihn des Herſchers Wille hinwegtreibt,<lb/> Ueber das wilde Meer! Doch ſenden werd' ich ihn nimmer; <note place="right">140</note><lb/> Denn mir gebricht es hier an Ruderſchiffen und Maͤnnern,<lb/> Ueber den weiten Ruͤcken des Meeres ihn zu geleiten.<lb/> Aber ich will ihm mit Rath beiſtehn, und nichts ihm verhehlen;<lb/> Daß er ohne Gefahr die Heimat wieder erreiche.</p><lb/> <p>Ihr antwortete drauf der ruͤſtige Argosbeſieger: <note place="right">145</note><lb/> Send' ihn alſo von hinnen, und ſcheue den großen Kronion,<lb/> Daß dich der Zuͤrnende nicht mit ſchrecklicher Rache verfolge!</p><lb/> <p>Alſo ſprach er und ging, der tapfere Argosbeſieger.<lb/> Aber Kaluͤpſo eilte zum großgeſinnten Oduͤßeus,<lb/> Als die heilige Nuͤmfe Kronions Willen vernommen. <note place="right">150</note><lb/> Dieſer ſaß am Geſtade des Meers, und weinte beſtaͤndig.<lb/> Ach! in Thraͤnen verrann ſein ſuͤßes Leben, voll Sehnſucht<lb/> Heimzukehren: denn lange nicht mehr gefiel ihm die Nuͤmfe;<lb/> Sondern er ruhte des Nachts in ihrer gewoͤlbeten Grotte<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [100/0106]
Oduͤßee.
Seliger Liebe genoß; wie bald erfuhr die Umarmung
Zeus, und erſchlug ihn im Zorne mit ſeinem flammenden Donner!
Alſo verargt ihr auch mir des ſterblichen Mannes Gemeinſchaft,
Den ich vom Tode gewann, als er auf zertruͤmmertem Kiele
Einſam trieb; denn ihm hatte der Gott hochrollender Donner
Mitten im Meere ſein Schiff mit dem dampfenden Strale zerſchmettert.
Alle tapfern Gefaͤhrten verſanken ihm dort in den Abgrund;
Aber er ſelbſt kam hier von Sturm und Woge geſchleudert.
Freundlich nahm ich ihn auf, und reicht' ihm Nahrung, und ſagte
Ihm Unſterblichkeit zu und nimmerverbluͤhende Jugend.
Aber kein Himmliſcher mag dem wetterleuchtenden Gotte
Zeus entgegen ſich ſtellen, noch ſeinen Willen vereiteln.
Moͤg' er denn gehn, wo ihn des Herſchers Wille hinwegtreibt,
Ueber das wilde Meer! Doch ſenden werd' ich ihn nimmer;
Denn mir gebricht es hier an Ruderſchiffen und Maͤnnern,
Ueber den weiten Ruͤcken des Meeres ihn zu geleiten.
Aber ich will ihm mit Rath beiſtehn, und nichts ihm verhehlen;
Daß er ohne Gefahr die Heimat wieder erreiche.
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Ihr antwortete drauf der ruͤſtige Argosbeſieger:
Send' ihn alſo von hinnen, und ſcheue den großen Kronion,
Daß dich der Zuͤrnende nicht mit ſchrecklicher Rache verfolge!
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Alſo ſprach er und ging, der tapfere Argosbeſieger.
Aber Kaluͤpſo eilte zum großgeſinnten Oduͤßeus,
Als die heilige Nuͤmfe Kronions Willen vernommen.
Dieſer ſaß am Geſtade des Meers, und weinte beſtaͤndig.
Ach! in Thraͤnen verrann ſein ſuͤßes Leben, voll Sehnſucht
Heimzukehren: denn lange nicht mehr gefiel ihm die Nuͤmfe;
Sondern er ruhte des Nachts in ihrer gewoͤlbeten Grotte
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