Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Achter Gesang.
Fodere solches nicht, du Erdumgürter Poseidon! 350
Elende Sicherheit giebt von Elenden selber die Bürgschaft.
Sage, wie könnt' ich dich vor den ewigen Göttern verbinden,
Flöhe nun Aräs fort, der Schuld und den Banden entrinnend?

Ihm erwiederte drauf der Erderschüttrer Poseidon:
Nun Häfaistos, wofern denn auch Aräs fliehend hinwegeilt, 355
Um der Schuld zu entgehn; ich selbst will dir dieses bezahlen!

Drauf antwortete jenem der hinkende Feuerbeherscher:
Unrecht wär' es und grob, dir deine Bitte zu weigern.

Also sprach er, und löste das Band, der starke Häfaistos.
Und kaum fühlten sich beide der mächtigen Feßel entledigt, 360
Sprangen sie hurtig empor. Der Kriegsgott eilte gen Thräkä. V. 361.
Aber nach Küpros ging Afroditä, die Freundin des Lächelns,
In den pasischen Hain, zum weihrauchduftenden Altar.
Alda badeten sie die Charitinnen, und salbten
Sie mit ambrosischem Oele, das ewige Götter verherlicht; 365
Schmückten sie dann mit schönen und wundervollen Gewanden.

Also sang der berühmte Dämodokos. Aber Odüßeus
Freute sich des Gesangs von Herzen; es freuten sich mit ihm
Alle Faiaken, die Führer der langberuderten Schiffe.

Und Alkinoos hieß den mutigen Halios einzeln 370
Mit Laodamas tanzen, weil keiner mit ihnen sich wagte.
Diese nahmen sogleich den schönen Ball in die Hände,
Welchen Polübos künstlich aus purpurner Wolle gewirket.
Einer schleuderte diesen empor zu den schattigen Wolken,
Rückwärts gebeugt; dann sprang der andere hoch von der Erde 375

V. 361. Thräkä, Thrazien.

Achter Geſang.
Fodere ſolches nicht, du Erdumguͤrter Poſeidon! 350
Elende Sicherheit giebt von Elenden ſelber die Buͤrgſchaft.
Sage, wie koͤnnt' ich dich vor den ewigen Goͤttern verbinden,
Floͤhe nun Araͤs fort, der Schuld und den Banden entrinnend?

Ihm erwiederte drauf der Erderſchuͤttrer Poſeidon:
Nun Haͤfaiſtos, wofern denn auch Araͤs fliehend hinwegeilt, 355
Um der Schuld zu entgehn; ich ſelbſt will dir dieſes bezahlen!

Drauf antwortete jenem der hinkende Feuerbeherſcher:
Unrecht waͤr' es und grob, dir deine Bitte zu weigern.

Alſo ſprach er, und loͤſte das Band, der ſtarke Haͤfaiſtos.
Und kaum fuͤhlten ſich beide der maͤchtigen Feßel entledigt, 360
Sprangen ſie hurtig empor. Der Kriegsgott eilte gen Thraͤkaͤ. V. 361.
Aber nach Kuͤpros ging Afroditaͤ, die Freundin des Laͤchelns,
In den paſiſchen Hain, zum weihrauchduftenden Altar.
Alda badeten ſie die Charitinnen, und ſalbten
Sie mit ambroſiſchem Oele, das ewige Goͤtter verherlicht; 365
Schmuͤckten ſie dann mit ſchoͤnen und wundervollen Gewanden.

Alſo ſang der beruͤhmte Daͤmodokos. Aber Oduͤßeus
Freute ſich des Geſangs von Herzen; es freuten ſich mit ihm
Alle Faiaken, die Fuͤhrer der langberuderten Schiffe.

Und Alkinoos hieß den mutigen Halios einzeln 370
Mit Laodamas tanzen, weil keiner mit ihnen ſich wagte.
Dieſe nahmen ſogleich den ſchoͤnen Ball in die Haͤnde,
Welchen Poluͤbos kuͤnſtlich aus purpurner Wolle gewirket.
Einer ſchleuderte dieſen empor zu den ſchattigen Wolken,
Ruͤckwaͤrts gebeugt; dann ſprang der andere hoch von der Erde 375

V. 361. Thraͤkaͤ, Thrazien.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0159" n="153"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Achter Ge&#x017F;ang.</hi></fw><lb/>
Fodere &#x017F;olches nicht, du Erdumgu&#x0364;rter Po&#x017F;eidon! <note place="right">350</note><lb/>
Elende Sicherheit giebt von Elenden &#x017F;elber die Bu&#x0364;rg&#x017F;chaft.<lb/>
Sage, wie ko&#x0364;nnt' ich dich vor den ewigen Go&#x0364;ttern verbinden,<lb/>
Flo&#x0364;he nun Ara&#x0364;s fort, der Schuld und den Banden entrinnend?</p><lb/>
        <p>Ihm erwiederte drauf der Erder&#x017F;chu&#x0364;ttrer Po&#x017F;eidon:<lb/>
Nun Ha&#x0364;fai&#x017F;tos, wofern denn auch Ara&#x0364;s fliehend hinwegeilt, <note place="right">355</note><lb/>
Um der Schuld zu entgehn; ich &#x017F;elb&#x017F;t will dir die&#x017F;es bezahlen!</p><lb/>
        <p>Drauf antwortete jenem der hinkende Feuerbeher&#x017F;cher:<lb/>
Unrecht wa&#x0364;r' es und grob, dir deine Bitte zu weigern.</p><lb/>
        <p>Al&#x017F;o &#x017F;prach er, und lo&#x0364;&#x017F;te das Band, der &#x017F;tarke Ha&#x0364;fai&#x017F;tos.<lb/>
Und kaum fu&#x0364;hlten &#x017F;ich beide der ma&#x0364;chtigen Feßel entledigt, <note place="right">360</note><lb/>
Sprangen &#x017F;ie hurtig empor. Der Kriegsgott eilte gen Thra&#x0364;ka&#x0364;. <note place="foot" n="V. 361.">Thra&#x0364;ka&#x0364;, Thrazien.</note><lb/>
Aber nach Ku&#x0364;pros ging Afrodita&#x0364;, die Freundin des La&#x0364;chelns,<lb/>
In den pa&#x017F;i&#x017F;chen Hain, zum weihrauchduftenden Altar.<lb/>
Alda badeten &#x017F;ie die Charitinnen, und &#x017F;albten<lb/>
Sie mit ambro&#x017F;i&#x017F;chem Oele, das ewige Go&#x0364;tter verherlicht; <note place="right">365</note><lb/>
Schmu&#x0364;ckten &#x017F;ie dann mit &#x017F;cho&#x0364;nen und wundervollen Gewanden.</p><lb/>
        <p>Al&#x017F;o &#x017F;ang der beru&#x0364;hmte Da&#x0364;modokos. Aber Odu&#x0364;ßeus<lb/>
Freute &#x017F;ich des Ge&#x017F;angs von Herzen; es freuten &#x017F;ich mit ihm<lb/>
Alle Faiaken, die Fu&#x0364;hrer der langberuderten Schiffe.</p><lb/>
        <p>Und Alkinoos hieß den mutigen Halios einzeln <note place="right">370</note><lb/>
Mit Laodamas tanzen, weil keiner mit ihnen &#x017F;ich wagte.<lb/>
Die&#x017F;e nahmen &#x017F;ogleich den &#x017F;cho&#x0364;nen Ball in die Ha&#x0364;nde,<lb/>
Welchen Polu&#x0364;bos ku&#x0364;n&#x017F;tlich aus purpurner Wolle gewirket.<lb/>
Einer &#x017F;chleuderte die&#x017F;en empor zu den &#x017F;chattigen Wolken,<lb/>
Ru&#x0364;ckwa&#x0364;rts gebeugt; dann &#x017F;prang der andere hoch von der Erde <note place="right">375</note><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[153/0159] Achter Geſang. Fodere ſolches nicht, du Erdumguͤrter Poſeidon! Elende Sicherheit giebt von Elenden ſelber die Buͤrgſchaft. Sage, wie koͤnnt' ich dich vor den ewigen Goͤttern verbinden, Floͤhe nun Araͤs fort, der Schuld und den Banden entrinnend? 350 Ihm erwiederte drauf der Erderſchuͤttrer Poſeidon: Nun Haͤfaiſtos, wofern denn auch Araͤs fliehend hinwegeilt, Um der Schuld zu entgehn; ich ſelbſt will dir dieſes bezahlen! 355 Drauf antwortete jenem der hinkende Feuerbeherſcher: Unrecht waͤr' es und grob, dir deine Bitte zu weigern. Alſo ſprach er, und loͤſte das Band, der ſtarke Haͤfaiſtos. Und kaum fuͤhlten ſich beide der maͤchtigen Feßel entledigt, Sprangen ſie hurtig empor. Der Kriegsgott eilte gen Thraͤkaͤ. V. 361. Aber nach Kuͤpros ging Afroditaͤ, die Freundin des Laͤchelns, In den paſiſchen Hain, zum weihrauchduftenden Altar. Alda badeten ſie die Charitinnen, und ſalbten Sie mit ambroſiſchem Oele, das ewige Goͤtter verherlicht; Schmuͤckten ſie dann mit ſchoͤnen und wundervollen Gewanden. 360 365 Alſo ſang der beruͤhmte Daͤmodokos. Aber Oduͤßeus Freute ſich des Geſangs von Herzen; es freuten ſich mit ihm Alle Faiaken, die Fuͤhrer der langberuderten Schiffe. Und Alkinoos hieß den mutigen Halios einzeln Mit Laodamas tanzen, weil keiner mit ihnen ſich wagte. Dieſe nahmen ſogleich den ſchoͤnen Ball in die Haͤnde, Welchen Poluͤbos kuͤnſtlich aus purpurner Wolle gewirket. Einer ſchleuderte dieſen empor zu den ſchattigen Wolken, Ruͤckwaͤrts gebeugt; dann ſprang der andere hoch von der Erde 370 375 V. 361. Thraͤkaͤ, Thrazien.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/159
Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/159>, abgerufen am 24.11.2024.