Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.Dreizehnter Gesang. Stehend um den Altar. Da erwachte der edle Odüßeus,Ruhend auf dem Boden der lange verlaßenen Heimat. Und er kannte sie nicht; denn eine Göttin umhüllt' ihn Rings mit dunkler Nacht, Zeus Tochter, Pallas Athänä, 190 Ihn unkennbar zu machen, und alles mit ihm zu besprechen: Daß ihn weder sein Weib noch die Freund' und Bürger erkennten, Bis die üppigen Freier für allen Frevel gebüßet. Alles erschien daher dem ringsumschauenden König Unter fremder Gestalt: Heerstraßen, schiffbare Häfen, 195 Wolkenberührende Felsen, und hochgewipfelte Bäume. Jezo erhub er sich, stand; und da er sein Vaterland ansah, Hub er bitterlich an zu weinen, und schlug sich die Hüften Beide mit flacher Hand, und sprach mit klagender Stimme: Weh mir! zu welchem Volke bin ich nun wieder gekommen? 200 Dreizehnter Geſang. Stehend um den Altar. Da erwachte der edle Oduͤßeus,Ruhend auf dem Boden der lange verlaßenen Heimat. Und er kannte ſie nicht; denn eine Goͤttin umhuͤllt' ihn Rings mit dunkler Nacht, Zeus Tochter, Pallas Athaͤnaͤ, 190 Ihn unkennbar zu machen, und alles mit ihm zu beſprechen: Daß ihn weder ſein Weib noch die Freund' und Buͤrger erkennten, Bis die uͤppigen Freier fuͤr allen Frevel gebuͤßet. Alles erſchien daher dem ringsumſchauenden Koͤnig Unter fremder Geſtalt: Heerſtraßen, ſchiffbare Haͤfen, 195 Wolkenberuͤhrende Felſen, und hochgewipfelte Baͤume. Jezo erhub er ſich, ſtand; und da er ſein Vaterland anſah, Hub er bitterlich an zu weinen, und ſchlug ſich die Huͤften Beide mit flacher Hand, und ſprach mit klagender Stimme: Weh mir! zu welchem Volke bin ich nun wieder gekommen? 200 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0259" n="253"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Dreizehnter Geſang.</hi></fw><lb/> Stehend um den Altar. Da erwachte der edle Oduͤßeus,<lb/> Ruhend auf dem Boden der lange verlaßenen Heimat.<lb/> Und er kannte ſie nicht; denn eine Goͤttin umhuͤllt' ihn<lb/> Rings mit dunkler Nacht, Zeus Tochter, Pallas Athaͤnaͤ, <note place="right">190</note><lb/> Ihn unkennbar zu machen, und alles mit ihm zu beſprechen:<lb/> Daß ihn weder ſein Weib noch die Freund' und Buͤrger erkennten,<lb/> Bis die uͤppigen Freier fuͤr allen Frevel gebuͤßet.<lb/> Alles erſchien daher dem ringsumſchauenden Koͤnig<lb/> Unter fremder Geſtalt: Heerſtraßen, ſchiffbare Haͤfen, <note place="right">195</note><lb/> Wolkenberuͤhrende Felſen, und hochgewipfelte Baͤume.<lb/> Jezo erhub er ſich, ſtand; und da er ſein Vaterland anſah,<lb/> Hub er bitterlich an zu weinen, und ſchlug ſich die Huͤften<lb/> Beide mit flacher Hand, und ſprach mit klagender Stimme:</p><lb/> <p>Weh mir! zu welchem Volke bin ich nun wieder gekommen? <note place="right">200</note><lb/> Sinds unmenſchliche Raͤuber, und ſittenloſe Barbaren;<lb/> Oder Diener der Goͤtter, und Freunde des heiligen Gaſtrechts?<lb/> Wo verberg' ich dies viele Gut? und wohin ſoll ich ſelber<lb/> Irren? O waͤre doch dies im faiakiſchen Lande geblieben!<lb/> Und mir haͤtte dagegen ein anderer maͤchtiger Koͤnig <note place="right">205</note><lb/> Huͤlfe gewaͤhrt, mich bewirtet und hingeſendet zur Heimat!<lb/> Jezo weiß ich es weder wo hinzulegen, noch kann ichs<lb/> Hier verlaßen, damit es nicht andern werde zur Beute!<lb/> Ach! ſo galt denn bei jenen Gerechtigkeit weder, noch Weisheit,<lb/> Bei des faiakiſchen Volks erhabenen Fuͤrſten und Pflegern, <note place="right">210</note><lb/> Die in ein fremdes Land mich gebracht! Sie verſprachen ſo heilig,<lb/> Mich nach Ithaka's Hoͤhn zu fuͤhren; und taͤuſchen mich dennoch!<lb/> Zeus vergelt' es ihnen, der Leidenden Raͤcher, der aller<lb/> Menſchen Beginnen ſchaut, und alle Suͤnde beſtrafet!<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [253/0259]
Dreizehnter Geſang.
Stehend um den Altar. Da erwachte der edle Oduͤßeus,
Ruhend auf dem Boden der lange verlaßenen Heimat.
Und er kannte ſie nicht; denn eine Goͤttin umhuͤllt' ihn
Rings mit dunkler Nacht, Zeus Tochter, Pallas Athaͤnaͤ,
Ihn unkennbar zu machen, und alles mit ihm zu beſprechen:
Daß ihn weder ſein Weib noch die Freund' und Buͤrger erkennten,
Bis die uͤppigen Freier fuͤr allen Frevel gebuͤßet.
Alles erſchien daher dem ringsumſchauenden Koͤnig
Unter fremder Geſtalt: Heerſtraßen, ſchiffbare Haͤfen,
Wolkenberuͤhrende Felſen, und hochgewipfelte Baͤume.
Jezo erhub er ſich, ſtand; und da er ſein Vaterland anſah,
Hub er bitterlich an zu weinen, und ſchlug ſich die Huͤften
Beide mit flacher Hand, und ſprach mit klagender Stimme:
190
195
Weh mir! zu welchem Volke bin ich nun wieder gekommen?
Sinds unmenſchliche Raͤuber, und ſittenloſe Barbaren;
Oder Diener der Goͤtter, und Freunde des heiligen Gaſtrechts?
Wo verberg' ich dies viele Gut? und wohin ſoll ich ſelber
Irren? O waͤre doch dies im faiakiſchen Lande geblieben!
Und mir haͤtte dagegen ein anderer maͤchtiger Koͤnig
Huͤlfe gewaͤhrt, mich bewirtet und hingeſendet zur Heimat!
Jezo weiß ich es weder wo hinzulegen, noch kann ichs
Hier verlaßen, damit es nicht andern werde zur Beute!
Ach! ſo galt denn bei jenen Gerechtigkeit weder, noch Weisheit,
Bei des faiakiſchen Volks erhabenen Fuͤrſten und Pflegern,
Die in ein fremdes Land mich gebracht! Sie verſprachen ſo heilig,
Mich nach Ithaka's Hoͤhn zu fuͤhren; und taͤuſchen mich dennoch!
Zeus vergelt' es ihnen, der Leidenden Raͤcher, der aller
Menſchen Beginnen ſchaut, und alle Suͤnde beſtrafet!
200
205
210
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |