Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Odüßee.
Immer sucht sie den Mann, der ihr beiwohnt, zu bereichern;
Aber die vorigen Kinder und ihrer Jugend Geliebten
Kennt sie nicht mehr, da er starb, und fraget nimmer nach ihnen.
Darum eile nun heim, und vertraue selber die Güter
Einer Dienerin an, die dir am tüchtigsten scheinet, 25
Bis die himmlischen Götter ein edles Weib dir verleihen.
Noch ein andres verkünd' ich dir jezt; bewahr' es im Herzen!
Wachsam lauren auf dich die Tapfersten unter den Freiern,
In dem Sunde, der Ithaka trennt und die bergichte Samos,
Daß sie dich tödten, bevor du die Heimat wieder erreichest. 30
Aber ich hoffe das nicht! Erst deckt die Erde noch manchen
Von der Rotte der Freier, die deine Habe verzehren.
Steure dein rüstiges Schiff, Tälemachos, fern von den Inseln;
Fahr auch nur in der Nacht! Dir wird der Unsterblichen einer
Günstigen Wind nachsenden, der dich behütet und schüzet. 35
Wenn du das nächste Gestade von Ithaka jezo erreicht hast,
Siehe dann sende zur Stadt das Schiff und alle Gefährten,
Und du gehe zuerst dorthin, wo der trefliche Sauhirt
Deiner Schweine hütet, der stets mit Eifer dir anhängt.
Alda bleibe die Nacht, und sende jenen zur Stadt hin, 40
Um die Botschaft zu bringen der klugen Pänelopeia,
Daß du gesund und wohl von Pülos wieder zurückkamst.

Also sprach die Göttin, und eilte zum großen Olümpos.
Und Tälemachos weckte den Nestoriden vom Schlummer,
Ihn mit der Ferse berührend, und sprach zu dem blühenden Jüngling: 45

Nestors Sohn, wach' auf, Peisistratos; spann' an den Wagen
Hurtig die stampfenden Roße, damit wir die Reise vollenden.

Und der Nestoride Peisistratos gab ihm zur Antwort:

Oduͤßee.
Immer ſucht ſie den Mann, der ihr beiwohnt, zu bereichern;
Aber die vorigen Kinder und ihrer Jugend Geliebten
Kennt ſie nicht mehr, da er ſtarb, und fraget nimmer nach ihnen.
Darum eile nun heim, und vertraue ſelber die Guͤter
Einer Dienerin an, die dir am tuͤchtigſten ſcheinet, 25
Bis die himmliſchen Goͤtter ein edles Weib dir verleihen.
Noch ein andres verkuͤnd' ich dir jezt; bewahr' es im Herzen!
Wachſam lauren auf dich die Tapferſten unter den Freiern,
In dem Sunde, der Ithaka trennt und die bergichte Samos,
Daß ſie dich toͤdten, bevor du die Heimat wieder erreicheſt. 30
Aber ich hoffe das nicht! Erſt deckt die Erde noch manchen
Von der Rotte der Freier, die deine Habe verzehren.
Steure dein ruͤſtiges Schiff, Taͤlemachos, fern von den Inſeln;
Fahr auch nur in der Nacht! Dir wird der Unſterblichen einer
Guͤnſtigen Wind nachſenden, der dich behuͤtet und ſchuͤzet. 35
Wenn du das naͤchſte Geſtade von Ithaka jezo erreicht haſt,
Siehe dann ſende zur Stadt das Schiff und alle Gefaͤhrten,
Und du gehe zuerſt dorthin, wo der trefliche Sauhirt
Deiner Schweine huͤtet, der ſtets mit Eifer dir anhaͤngt.
Alda bleibe die Nacht, und ſende jenen zur Stadt hin, 40
Um die Botſchaft zu bringen der klugen Paͤnelopeia,
Daß du geſund und wohl von Puͤlos wieder zuruͤckkamſt.

Alſo ſprach die Goͤttin, und eilte zum großen Oluͤmpos.
Und Taͤlemachos weckte den Neſtoriden vom Schlummer,
Ihn mit der Ferſe beruͤhrend, und ſprach zu dem bluͤhenden Juͤngling: 45

Neſtors Sohn, wach' auf, Peiſiſtratos; ſpann' an den Wagen
Hurtig die ſtampfenden Roße, damit wir die Reiſe vollenden.

Und der Neſtoride Peiſiſtratos gab ihm zur Antwort:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0290" n="284"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Odu&#x0364;ßee.</hi></fw><lb/>
Immer &#x017F;ucht &#x017F;ie den Mann, der ihr beiwohnt, zu bereichern;<lb/>
Aber die vorigen Kinder und ihrer Jugend Geliebten<lb/>
Kennt &#x017F;ie nicht mehr, da er &#x017F;tarb, und fraget nimmer nach ihnen.<lb/>
Darum eile nun heim, und vertraue &#x017F;elber die Gu&#x0364;ter<lb/>
Einer Dienerin an, die dir am tu&#x0364;chtig&#x017F;ten &#x017F;cheinet, <note place="right">25</note><lb/>
Bis die himmli&#x017F;chen Go&#x0364;tter ein edles Weib dir verleihen.<lb/>
Noch ein andres verku&#x0364;nd' ich dir jezt; bewahr' es im Herzen!<lb/>
Wach&#x017F;am lauren auf dich die Tapfer&#x017F;ten unter den Freiern,<lb/>
In dem Sunde, der Ithaka trennt und die bergichte Samos,<lb/>
Daß &#x017F;ie dich to&#x0364;dten, bevor du die Heimat wieder erreiche&#x017F;t. <note place="right">30</note><lb/>
Aber ich hoffe das nicht! Er&#x017F;t deckt die Erde noch manchen<lb/>
Von der Rotte der Freier, die deine Habe verzehren.<lb/>
Steure dein ru&#x0364;&#x017F;tiges Schiff, Ta&#x0364;lemachos, fern von den In&#x017F;eln;<lb/>
Fahr auch nur in der Nacht! Dir wird der Un&#x017F;terblichen einer<lb/>
Gu&#x0364;n&#x017F;tigen Wind nach&#x017F;enden, der dich behu&#x0364;tet und &#x017F;chu&#x0364;zet. <note place="right">35</note><lb/>
Wenn du das na&#x0364;ch&#x017F;te Ge&#x017F;tade von Ithaka jezo erreicht ha&#x017F;t,<lb/>
Siehe dann &#x017F;ende zur Stadt das Schiff und alle Gefa&#x0364;hrten,<lb/>
Und du gehe zuer&#x017F;t dorthin, wo der trefliche Sauhirt<lb/>
Deiner Schweine hu&#x0364;tet, der &#x017F;tets mit Eifer dir anha&#x0364;ngt.<lb/>
Alda bleibe die Nacht, und &#x017F;ende jenen zur Stadt hin, <note place="right">40</note><lb/>
Um die Bot&#x017F;chaft zu bringen der klugen Pa&#x0364;nelopeia,<lb/>
Daß du ge&#x017F;und und wohl von Pu&#x0364;los wieder zuru&#x0364;ckkam&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Al&#x017F;o &#x017F;prach die Go&#x0364;ttin, und eilte zum großen Olu&#x0364;mpos.<lb/>
Und Ta&#x0364;lemachos weckte den Ne&#x017F;toriden vom Schlummer,<lb/>
Ihn mit der Fer&#x017F;e beru&#x0364;hrend, und &#x017F;prach zu dem blu&#x0364;henden Ju&#x0364;ngling: <note place="right">45</note></p><lb/>
        <p>Ne&#x017F;tors Sohn, wach' auf, Pei&#x017F;i&#x017F;tratos; &#x017F;pann' an den Wagen<lb/>
Hurtig die &#x017F;tampfenden Roße, damit wir die Rei&#x017F;e vollenden.</p><lb/>
        <p>Und der Ne&#x017F;toride Pei&#x017F;i&#x017F;tratos gab ihm zur Antwort:</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[284/0290] Oduͤßee. Immer ſucht ſie den Mann, der ihr beiwohnt, zu bereichern; Aber die vorigen Kinder und ihrer Jugend Geliebten Kennt ſie nicht mehr, da er ſtarb, und fraget nimmer nach ihnen. Darum eile nun heim, und vertraue ſelber die Guͤter Einer Dienerin an, die dir am tuͤchtigſten ſcheinet, Bis die himmliſchen Goͤtter ein edles Weib dir verleihen. Noch ein andres verkuͤnd' ich dir jezt; bewahr' es im Herzen! Wachſam lauren auf dich die Tapferſten unter den Freiern, In dem Sunde, der Ithaka trennt und die bergichte Samos, Daß ſie dich toͤdten, bevor du die Heimat wieder erreicheſt. Aber ich hoffe das nicht! Erſt deckt die Erde noch manchen Von der Rotte der Freier, die deine Habe verzehren. Steure dein ruͤſtiges Schiff, Taͤlemachos, fern von den Inſeln; Fahr auch nur in der Nacht! Dir wird der Unſterblichen einer Guͤnſtigen Wind nachſenden, der dich behuͤtet und ſchuͤzet. Wenn du das naͤchſte Geſtade von Ithaka jezo erreicht haſt, Siehe dann ſende zur Stadt das Schiff und alle Gefaͤhrten, Und du gehe zuerſt dorthin, wo der trefliche Sauhirt Deiner Schweine huͤtet, der ſtets mit Eifer dir anhaͤngt. Alda bleibe die Nacht, und ſende jenen zur Stadt hin, Um die Botſchaft zu bringen der klugen Paͤnelopeia, Daß du geſund und wohl von Puͤlos wieder zuruͤckkamſt. 25 30 35 40 Alſo ſprach die Goͤttin, und eilte zum großen Oluͤmpos. Und Taͤlemachos weckte den Neſtoriden vom Schlummer, Ihn mit der Ferſe beruͤhrend, und ſprach zu dem bluͤhenden Juͤngling: 45 Neſtors Sohn, wach' auf, Peiſiſtratos; ſpann' an den Wagen Hurtig die ſtampfenden Roße, damit wir die Reiſe vollenden. Und der Neſtoride Peiſiſtratos gab ihm zur Antwort:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/290
Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/290>, abgerufen am 22.11.2024.