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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

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Odüßee.

Ihm antwortete drauf die Pflegerin Eurükleia:
Wenn du doch endlich, mein Sohn, zu reifem Verstande gelangtest,
Um dein Haus zu besorgen, und deine Güter zu schüzen!
Aber wohlan, wer begleitet dich denn mit leuchtender Fackel,
Wann die Mägde, die dir sonst leuchten, nicht dürfen herausgehn? 25

Und der verständige Jüngling Tälemachos sagte dagegen:
Dieser Fremdling! Denn wer von meinem Tische sich nähret,
Darf mir nicht müßig stehn, und käm' er auch fern aus der Fremde.

Also sprach er zu ihr, und redete nicht in die Winde:
Schnell verschloß sie die Pforten der schöngebaueten Wohnung. 30
Nun erhub sich Odüßeus mit seinem treflichen Sohne,
Und sie trugen die Helme hinein, die gewölbeten Schilde
Und scharfspizigen Lanzen; voran ging Pallas Athänä
Mit der goldenen Lamp', und verbreitete leuchtenden Schimmer.
Und Tälemachos sprach zu seinem Vater Odüßeus: 35

Vater, ein großes Wunder erblick' ich hier mit den Augen!
Alle Wände des Hauses, und jegliche schöne Vertiefung,
Und die fichtenen Balken und hocherhabenen Seulen,
Glänzen mir vor den Augen so hell als brennendes Feuer!
Wahrlich ein Gott ist hier, des weiten Himmels Bewohner! 40

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odüßeus:
Schweig, und forsche nicht nach, und bewahre deine Gedanken!
Siehe, das ist die Weise der himmelbewohnenden Götter!
Aber lege dich schlafen; ich bleibe hier noch ein wenig,
Um die Mägde hieher und deine Mutter zu locken: 45
Diese wird mich weinend nach allen Dingen befragen.

Sprachs; und Tälemachos ging mit angezündeten Fackeln
Aus dem Saale hinaus in seine Kammer zu Bette,

Oduͤßee.

Ihm antwortete drauf die Pflegerin Euruͤkleia:
Wenn du doch endlich, mein Sohn, zu reifem Verſtande gelangteſt,
Um dein Haus zu beſorgen, und deine Guͤter zu ſchuͤzen!
Aber wohlan, wer begleitet dich denn mit leuchtender Fackel,
Wann die Maͤgde, die dir ſonſt leuchten, nicht duͤrfen herausgehn? 25

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen:
Dieſer Fremdling! Denn wer von meinem Tiſche ſich naͤhret,
Darf mir nicht muͤßig ſtehn, und kaͤm' er auch fern aus der Fremde.

Alſo ſprach er zu ihr, und redete nicht in die Winde:
Schnell verſchloß ſie die Pforten der ſchoͤngebaueten Wohnung. 30
Nun erhub ſich Oduͤßeus mit ſeinem treflichen Sohne,
Und ſie trugen die Helme hinein, die gewoͤlbeten Schilde
Und ſcharfſpizigen Lanzen; voran ging Pallas Athaͤnaͤ
Mit der goldenen Lamp', und verbreitete leuchtenden Schimmer.
Und Taͤlemachos ſprach zu ſeinem Vater Oduͤßeus: 35

Vater, ein großes Wunder erblick' ich hier mit den Augen!
Alle Waͤnde des Hauſes, und jegliche ſchoͤne Vertiefung,
Und die fichtenen Balken und hocherhabenen Seulen,
Glaͤnzen mir vor den Augen ſo hell als brennendes Feuer!
Wahrlich ein Gott iſt hier, des weiten Himmels Bewohner! 40

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus:
Schweig, und forſche nicht nach, und bewahre deine Gedanken!
Siehe, das iſt die Weiſe der himmelbewohnenden Goͤtter!
Aber lege dich ſchlafen; ich bleibe hier noch ein wenig,
Um die Maͤgde hieher und deine Mutter zu locken: 45
Dieſe wird mich weinend nach allen Dingen befragen.

Sprachs; und Taͤlemachos ging mit angezuͤndeten Fackeln
Aus dem Saale hinaus in ſeine Kammer zu Bette,

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[362/0368] Oduͤßee. Ihm antwortete drauf die Pflegerin Euruͤkleia: Wenn du doch endlich, mein Sohn, zu reifem Verſtande gelangteſt, Um dein Haus zu beſorgen, und deine Guͤter zu ſchuͤzen! Aber wohlan, wer begleitet dich denn mit leuchtender Fackel, Wann die Maͤgde, die dir ſonſt leuchten, nicht duͤrfen herausgehn? 25 Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: Dieſer Fremdling! Denn wer von meinem Tiſche ſich naͤhret, Darf mir nicht muͤßig ſtehn, und kaͤm' er auch fern aus der Fremde. Alſo ſprach er zu ihr, und redete nicht in die Winde: Schnell verſchloß ſie die Pforten der ſchoͤngebaueten Wohnung. Nun erhub ſich Oduͤßeus mit ſeinem treflichen Sohne, Und ſie trugen die Helme hinein, die gewoͤlbeten Schilde Und ſcharfſpizigen Lanzen; voran ging Pallas Athaͤnaͤ Mit der goldenen Lamp', und verbreitete leuchtenden Schimmer. Und Taͤlemachos ſprach zu ſeinem Vater Oduͤßeus: 30 35 Vater, ein großes Wunder erblick' ich hier mit den Augen! Alle Waͤnde des Hauſes, und jegliche ſchoͤne Vertiefung, Und die fichtenen Balken und hocherhabenen Seulen, Glaͤnzen mir vor den Augen ſo hell als brennendes Feuer! Wahrlich ein Gott iſt hier, des weiten Himmels Bewohner! 40 Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Schweig, und forſche nicht nach, und bewahre deine Gedanken! Siehe, das iſt die Weiſe der himmelbewohnenden Goͤtter! Aber lege dich ſchlafen; ich bleibe hier noch ein wenig, Um die Maͤgde hieher und deine Mutter zu locken: Dieſe wird mich weinend nach allen Dingen befragen. 45 Sprachs; und Taͤlemachos ging mit angezuͤndeten Fackeln Aus dem Saale hinaus in ſeine Kammer zu Bette,

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Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/368>, abgerufen am 26.11.2024.