Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.Neunzehnter Gesang. Denn es weint wohl jegliche Frau, die den Gatten verloren, 265Ihrer Jugend Gemahl, mit dem sie Kinder gezeugt hat; Und von Odüßeus sagt man, er sei den Unsterblichen ähnlich. Aber mäßige dich, und höre, was ich dir sage: Denn ich will dir die Wahrheit verkünden, und nichts dir verhehlen, Was ich von deines Gemahls Zurückkunft hörte, der jezo 270 Nahe von hier im fetten Gebiet der thesprotischen Männer Lebt. Er kehret mit großem und köstlichem Gute zur Heimat, Das ihm die Völker geschenkt. Doch seine lieben Gefährten Und sein rüstiges Schiff verlor er im stürmenden Meere, Als er Thrinakiens Ufer verließ; denn es zürnten dem Helden 275 Zeus und der Sonnengott, deß Rinder die Seinen geschlachtet. Alle diese versanken im dunkelwogenden Meere. Aber er rettete sich auf den Kiel, und trieb mit den Wellen An das glückliche Land der götternahen Faiaken. Diese verehrten ihn herzlich, wie einen der seligen Götter, 280 Schenkten ihm großes Gut, und wollten ihn unbeschädigt Heim gen Ithaka bringen. Dann wäre vermutlich Odüßeus Lange schon hier; allein ihm schien es ein beßerer Anschlag, Noch durch mehrere Länder zu reisen, und Güter zu sammeln: So wie immer Odüßeus vor allen Menschen auf Erden 285 Wußte, was Vortheil schafft; kein Sterblicher gleicht ihm an Weisheit! Also sagte mir Feidon, der edle thesprotische König, Dieser beschwur es mir selbst, und beim Trankopfer im Hause, Segelfertig wäre das Schiff, und bereit die Gefährten, Um ihn heimzusenden in seiner Väter Gefilde. 290 Aber mich sandt' er zuvor im Schiffe thesprotischer Männer, Welches zum weizenreichen Gefilde Dulichions abfuhr. Neunzehnter Geſang. Denn es weint wohl jegliche Frau, die den Gatten verloren, 265Ihrer Jugend Gemahl, mit dem ſie Kinder gezeugt hat; Und von Oduͤßeus ſagt man, er ſei den Unſterblichen aͤhnlich. Aber maͤßige dich, und hoͤre, was ich dir ſage: Denn ich will dir die Wahrheit verkuͤnden, und nichts dir verhehlen, Was ich von deines Gemahls Zuruͤckkunft hoͤrte, der jezo 270 Nahe von hier im fetten Gebiet der thesprotiſchen Maͤnner Lebt. Er kehret mit großem und koͤſtlichem Gute zur Heimat, Das ihm die Voͤlker geſchenkt. Doch ſeine lieben Gefaͤhrten Und ſein ruͤſtiges Schiff verlor er im ſtuͤrmenden Meere, Als er Thrinakiens Ufer verließ; denn es zuͤrnten dem Helden 275 Zeus und der Sonnengott, deß Rinder die Seinen geſchlachtet. Alle dieſe verſanken im dunkelwogenden Meere. Aber er rettete ſich auf den Kiel, und trieb mit den Wellen An das gluͤckliche Land der goͤtternahen Faiaken. Dieſe verehrten ihn herzlich, wie einen der ſeligen Goͤtter, 280 Schenkten ihm großes Gut, und wollten ihn unbeſchaͤdigt Heim gen Ithaka bringen. Dann waͤre vermutlich Oduͤßeus Lange ſchon hier; allein ihm ſchien es ein beßerer Anſchlag, Noch durch mehrere Laͤnder zu reiſen, und Guͤter zu ſammeln: So wie immer Oduͤßeus vor allen Menſchen auf Erden 285 Wußte, was Vortheil ſchafft; kein Sterblicher gleicht ihm an Weisheit! Alſo ſagte mir Feidon, der edle thesprotiſche Koͤnig, Dieſer beſchwur es mir ſelbſt, und beim Trankopfer im Hauſe, Segelfertig waͤre das Schiff, und bereit die Gefaͤhrten, Um ihn heimzuſenden in ſeiner Vaͤter Gefilde. 290 Aber mich ſandt' er zuvor im Schiffe thesprotiſcher Maͤnner, Welches zum weizenreichen Gefilde Dulichions abfuhr. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0377" n="371"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Neunzehnter Geſang.</hi></fw><lb/> Denn es weint wohl jegliche Frau, die den Gatten verloren, <note place="right">265</note><lb/> Ihrer Jugend Gemahl, mit dem ſie Kinder gezeugt hat;<lb/> Und von Oduͤßeus ſagt man, er ſei den Unſterblichen aͤhnlich.<lb/> Aber maͤßige dich, und hoͤre, was ich dir ſage:<lb/> Denn ich will dir die Wahrheit verkuͤnden, und nichts dir verhehlen,<lb/> Was ich von deines Gemahls Zuruͤckkunft hoͤrte, der jezo <note place="right">270</note><lb/> Nahe von hier im fetten Gebiet der thesprotiſchen Maͤnner<lb/> Lebt. 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Neunzehnter Geſang.
Denn es weint wohl jegliche Frau, die den Gatten verloren,
Ihrer Jugend Gemahl, mit dem ſie Kinder gezeugt hat;
Und von Oduͤßeus ſagt man, er ſei den Unſterblichen aͤhnlich.
Aber maͤßige dich, und hoͤre, was ich dir ſage:
Denn ich will dir die Wahrheit verkuͤnden, und nichts dir verhehlen,
Was ich von deines Gemahls Zuruͤckkunft hoͤrte, der jezo
Nahe von hier im fetten Gebiet der thesprotiſchen Maͤnner
Lebt. Er kehret mit großem und koͤſtlichem Gute zur Heimat,
Das ihm die Voͤlker geſchenkt. Doch ſeine lieben Gefaͤhrten
Und ſein ruͤſtiges Schiff verlor er im ſtuͤrmenden Meere,
Als er Thrinakiens Ufer verließ; denn es zuͤrnten dem Helden
Zeus und der Sonnengott, deß Rinder die Seinen geſchlachtet.
Alle dieſe verſanken im dunkelwogenden Meere.
Aber er rettete ſich auf den Kiel, und trieb mit den Wellen
An das gluͤckliche Land der goͤtternahen Faiaken.
Dieſe verehrten ihn herzlich, wie einen der ſeligen Goͤtter,
Schenkten ihm großes Gut, und wollten ihn unbeſchaͤdigt
Heim gen Ithaka bringen. Dann waͤre vermutlich Oduͤßeus
Lange ſchon hier; allein ihm ſchien es ein beßerer Anſchlag,
Noch durch mehrere Laͤnder zu reiſen, und Guͤter zu ſammeln:
So wie immer Oduͤßeus vor allen Menſchen auf Erden
Wußte, was Vortheil ſchafft; kein Sterblicher gleicht ihm an Weisheit!
Alſo ſagte mir Feidon, der edle thesprotiſche Koͤnig,
Dieſer beſchwur es mir ſelbſt, und beim Trankopfer im Hauſe,
Segelfertig waͤre das Schiff, und bereit die Gefaͤhrten,
Um ihn heimzuſenden in ſeiner Vaͤter Gefilde.
Aber mich ſandt' er zuvor im Schiffe thesprotiſcher Maͤnner,
Welches zum weizenreichen Gefilde Dulichions abfuhr.
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