Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.Vierter Gesang. Seiner Wange, vor Freude, die Heimat wieder zu sehen.Ihn erblickte der Wächter auf einer erhabenen Warte, Von Aigisthos bestellt, der zwei Talente des Goldes 525 Ihm zum Lohne versprach. Ein Jahr lang hielt er schon Wache, Daß er nicht heimlich käm', und stürmende Tapferkeit übte. Eilend lief er zur Burg, und brachte dem Könige Botschaft; Und Aigisthos gedachte sogleich des schlauen Betruges. Zwanzig tapfere Männer erlas er im Volk, und verbarg sie; 530 Auf der anderen Seite gebot er, ein Mahl zu bereiten. Jezo ging er, und lud Agamennon, den Hirten der Völker, Prangend mit Roßen und Wagen, sein Herz voll arger Entwürfe; Führte den nichts argwöhnenden Mann ins Haus, und erschlug ihn Unter den Freuden des Mahls: so erschlägt man den Stier an der Krippe! 535 Keiner entrann dem Tode vom ganzen Gefolg' Agamennons, Und von Aigisthos keiner; sie stürzten im blutigen Saale. Also sagte der Greis. Mir brach das Herz vor Betrübniß: Weine nicht immerdar, Sohn Atreus, hemme die Thränen; Also sprach er, und stärkte mein edles Herz in dem Busen, Vierter Geſang. Seiner Wange, vor Freude, die Heimat wieder zu ſehen.Ihn erblickte der Waͤchter auf einer erhabenen Warte, Von Aigiſthos beſtellt, der zwei Talente des Goldes 525 Ihm zum Lohne verſprach. Ein Jahr lang hielt er ſchon Wache, Daß er nicht heimlich kaͤm', und ſtuͤrmende Tapferkeit uͤbte. Eilend lief er zur Burg, und brachte dem Koͤnige Botſchaft; Und Aigiſthos gedachte ſogleich des ſchlauen Betruges. Zwanzig tapfere Maͤnner erlas er im Volk, und verbarg ſie; 530 Auf der anderen Seite gebot er, ein Mahl zu bereiten. Jezo ging er, und lud Agamennon, den Hirten der Voͤlker, Prangend mit Roßen und Wagen, ſein Herz voll arger Entwuͤrfe; Fuͤhrte den nichts argwoͤhnenden Mann ins Haus, und erſchlug ihn Unter den Freuden des Mahls: ſo erſchlaͤgt man den Stier an der Krippe! 535 Keiner entrann dem Tode vom ganzen Gefolg' Agamennons, Und von Aigiſthos keiner; ſie ſtuͤrzten im blutigen Saale. Alſo ſagte der Greis. Mir brach das Herz vor Betruͤbniß: Weine nicht immerdar, Sohn Atreus, hemme die Thraͤnen; Alſo ſprach er, und ſtaͤrkte mein edles Herz in dem Buſen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0089" n="83"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Vierter Geſang.</hi></fw><lb/> Seiner Wange, vor Freude, die Heimat wieder zu ſehen.<lb/> Ihn erblickte der Waͤchter auf einer erhabenen Warte,<lb/> Von Aigiſthos beſtellt, der zwei Talente des Goldes <note place="right">525</note><lb/> Ihm zum Lohne verſprach. Ein Jahr lang hielt er ſchon Wache,<lb/> Daß er nicht heimlich kaͤm', und ſtuͤrmende Tapferkeit uͤbte.<lb/> Eilend lief er zur Burg, und brachte dem Koͤnige Botſchaft;<lb/> Und Aigiſthos gedachte ſogleich des ſchlauen Betruges.<lb/> Zwanzig tapfere Maͤnner erlas er im Volk, und verbarg ſie; <note place="right">530</note><lb/> Auf der anderen Seite gebot er, ein Mahl zu bereiten.<lb/> Jezo ging er, und lud Agamennon, den Hirten der Voͤlker,<lb/> Prangend mit Roßen und Wagen, ſein Herz voll arger Entwuͤrfe;<lb/> Fuͤhrte den nichts argwoͤhnenden Mann ins Haus, und erſchlug ihn<lb/> Unter den Freuden des Mahls: ſo erſchlaͤgt man den Stier an der Krippe! <note place="right">535</note><lb/> Keiner entrann dem Tode vom ganzen Gefolg' Agamennons,<lb/> Und von Aigiſthos keiner; ſie ſtuͤrzten im blutigen Saale.</p><lb/> <p>Alſo ſagte der Greis. Mir brach das Herz vor Betruͤbniß:<lb/> Weinend ſaß ich im Sande des Meers, und wuͤnſchte nicht laͤnger<lb/> Unter den Lebenden hier das Licht der Sonne zu ſchauen. <note place="right">540</note><lb/> Aber als ich mein Herz durch Weinen und Waͤlzen erleichtert,<lb/> Da erhub er die Stimme, der graue untruͤgliche Meergott:</p><lb/> <p>Weine nicht immerdar, Sohn Atreus, hemme die Thraͤnen;<lb/> Denn wir koͤnnen damit nichts beßern! Aber verſuche<lb/> Jezt, aufs eiligſte wieder dein Vaterland zu erreichen. <note place="right">545</note><lb/> Jenen findeſt du noch lebendig, oder Oreſtaͤs<lb/> Toͤdtet ihn ſchon vor dir: dann kommſt du vielleicht zum Begraͤbniß.</p><lb/> <p>Alſo ſprach er, und ſtaͤrkte mein edles Herz in dem Buſen,<lb/> So bekuͤmmert ich war, durch ſeine frohe Verheißung.<lb/> Und ich redet' ihn an, und ſprach die gefluͤgelten Worte: <note place="right">550</note></p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [83/0089]
Vierter Geſang.
Seiner Wange, vor Freude, die Heimat wieder zu ſehen.
Ihn erblickte der Waͤchter auf einer erhabenen Warte,
Von Aigiſthos beſtellt, der zwei Talente des Goldes
Ihm zum Lohne verſprach. Ein Jahr lang hielt er ſchon Wache,
Daß er nicht heimlich kaͤm', und ſtuͤrmende Tapferkeit uͤbte.
Eilend lief er zur Burg, und brachte dem Koͤnige Botſchaft;
Und Aigiſthos gedachte ſogleich des ſchlauen Betruges.
Zwanzig tapfere Maͤnner erlas er im Volk, und verbarg ſie;
Auf der anderen Seite gebot er, ein Mahl zu bereiten.
Jezo ging er, und lud Agamennon, den Hirten der Voͤlker,
Prangend mit Roßen und Wagen, ſein Herz voll arger Entwuͤrfe;
Fuͤhrte den nichts argwoͤhnenden Mann ins Haus, und erſchlug ihn
Unter den Freuden des Mahls: ſo erſchlaͤgt man den Stier an der Krippe!
Keiner entrann dem Tode vom ganzen Gefolg' Agamennons,
Und von Aigiſthos keiner; ſie ſtuͤrzten im blutigen Saale.
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Alſo ſagte der Greis. Mir brach das Herz vor Betruͤbniß:
Weinend ſaß ich im Sande des Meers, und wuͤnſchte nicht laͤnger
Unter den Lebenden hier das Licht der Sonne zu ſchauen.
Aber als ich mein Herz durch Weinen und Waͤlzen erleichtert,
Da erhub er die Stimme, der graue untruͤgliche Meergott:
540
Weine nicht immerdar, Sohn Atreus, hemme die Thraͤnen;
Denn wir koͤnnen damit nichts beßern! Aber verſuche
Jezt, aufs eiligſte wieder dein Vaterland zu erreichen.
Jenen findeſt du noch lebendig, oder Oreſtaͤs
Toͤdtet ihn ſchon vor dir: dann kommſt du vielleicht zum Begraͤbniß.
545
Alſo ſprach er, und ſtaͤrkte mein edles Herz in dem Buſen,
So bekuͤmmert ich war, durch ſeine frohe Verheißung.
Und ich redet' ihn an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:
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