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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

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Vierter Gesang.
Gleich Isthimen, des großgesinnten Ikarios Tochter,
Deren Gemahl Eumälos die Flur um Ferai beherschte.
Diese sandte die Göttin zum Hause des edlen Odüßeus,
Daß sie Pänelopeia, die jammernde, herzlichbetrübte, 800
Ruhen ließe vom Weinen, und ihrer zagenden Schwermut.
Und sie schwebt' in die Kammer hinein beim Riemen des Schloßes,
Neigte sich über das Haupt der ruhenden Fürstin, und sagte:

Schläfst du, Pänelopeia, du arme herzlichbetrübte?
Wahrlich sie wollen es nicht, die seligen Götter des Himmels, 805
Daß du weinst und traurest! Denn wiederkehren zur Heimat
Soll dein Sohn; er hat sich mit nichts an den Göttern versündigt.

Ihr antwortete drauf die kluge Pänelopeia,
Aus der süßen Betäubung im stillen Thore der Träume:

Warum kamst du hieher, o Schwester? Du hast mich ja nimmer 810
Sonst besucht; denn fern ist deine Wohnung von hinnen!
Jezo ermahnst du mich, zu ruhn von meiner Betrübniß,
Und von der schrecklichen Angst, die meine Seele belastet:
Mich, die den tapfern Gemahl verlor, den löwenbeherzten,
Der mit jeglicher Tugend vor allen Achaiern geschmückt war, 815
Tapfer und weitberühmt von Hellas bis mitten in Argos!
Und nun ging mein Sohn, mein geliebter, im Schiffe von hinnen,
Noch unmündig, und ungeübt in Thaten und Worten!
Diesen bejammre ich jezo noch mehr, als meinen Odüßeus!
Diesem erzittert mein Herz, und fürchtet, daß ihn ein Unfall 820
Treffe, unter dem Volk, wo er hinfährt, oder im Meere!
Denn es lauren auf ihn viel böse Menschen, und trachten
Ihn zu ermorden, bevor er in seine Heimat zurückkehrt!

Und die dunkle Gestalt der Schwester gab ihr zur Antwort:

Vierter Geſang.
Gleich Iſthimen, des großgeſinnten Ikarios Tochter,
Deren Gemahl Eumaͤlos die Flur um Ferai beherſchte.
Dieſe ſandte die Goͤttin zum Hauſe des edlen Oduͤßeus,
Daß ſie Paͤnelopeia, die jammernde, herzlichbetruͤbte, 800
Ruhen ließe vom Weinen, und ihrer zagenden Schwermut.
Und ſie ſchwebt' in die Kammer hinein beim Riemen des Schloßes,
Neigte ſich uͤber das Haupt der ruhenden Fuͤrſtin, und ſagte:

Schlaͤfſt du, Paͤnelopeia, du arme herzlichbetruͤbte?
Wahrlich ſie wollen es nicht, die ſeligen Goͤtter des Himmels, 805
Daß du weinſt und traureſt! Denn wiederkehren zur Heimat
Soll dein Sohn; er hat ſich mit nichts an den Goͤttern verſuͤndigt.

Ihr antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia,
Aus der ſuͤßen Betaͤubung im ſtillen Thore der Traͤume:

Warum kamſt du hieher, o Schweſter? Du haſt mich ja nimmer 810
Sonſt beſucht; denn fern iſt deine Wohnung von hinnen!
Jezo ermahnſt du mich, zu ruhn von meiner Betruͤbniß,
Und von der ſchrecklichen Angſt, die meine Seele belaſtet:
Mich, die den tapfern Gemahl verlor, den loͤwenbeherzten,
Der mit jeglicher Tugend vor allen Achaiern geſchmuͤckt war, 815
Tapfer und weitberuͤhmt von Hellas bis mitten in Argos!
Und nun ging mein Sohn, mein geliebter, im Schiffe von hinnen,
Noch unmuͤndig, und ungeuͤbt in Thaten und Worten!
Dieſen bejammre ich jezo noch mehr, als meinen Oduͤßeus!
Dieſem erzittert mein Herz, und fuͤrchtet, daß ihn ein Unfall 820
Treffe, unter dem Volk, wo er hinfaͤhrt, oder im Meere!
Denn es lauren auf ihn viel boͤſe Menſchen, und trachten
Ihn zu ermorden, bevor er in ſeine Heimat zuruͤckkehrt!

Und die dunkle Geſtalt der Schweſter gab ihr zur Antwort:

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[93/0099] Vierter Geſang. Gleich Iſthimen, des großgeſinnten Ikarios Tochter, Deren Gemahl Eumaͤlos die Flur um Ferai beherſchte. Dieſe ſandte die Goͤttin zum Hauſe des edlen Oduͤßeus, Daß ſie Paͤnelopeia, die jammernde, herzlichbetruͤbte, Ruhen ließe vom Weinen, und ihrer zagenden Schwermut. Und ſie ſchwebt' in die Kammer hinein beim Riemen des Schloßes, Neigte ſich uͤber das Haupt der ruhenden Fuͤrſtin, und ſagte: 800 Schlaͤfſt du, Paͤnelopeia, du arme herzlichbetruͤbte? Wahrlich ſie wollen es nicht, die ſeligen Goͤtter des Himmels, Daß du weinſt und traureſt! Denn wiederkehren zur Heimat Soll dein Sohn; er hat ſich mit nichts an den Goͤttern verſuͤndigt. 805 Ihr antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia, Aus der ſuͤßen Betaͤubung im ſtillen Thore der Traͤume: Warum kamſt du hieher, o Schweſter? Du haſt mich ja nimmer Sonſt beſucht; denn fern iſt deine Wohnung von hinnen! Jezo ermahnſt du mich, zu ruhn von meiner Betruͤbniß, Und von der ſchrecklichen Angſt, die meine Seele belaſtet: Mich, die den tapfern Gemahl verlor, den loͤwenbeherzten, Der mit jeglicher Tugend vor allen Achaiern geſchmuͤckt war, Tapfer und weitberuͤhmt von Hellas bis mitten in Argos! Und nun ging mein Sohn, mein geliebter, im Schiffe von hinnen, Noch unmuͤndig, und ungeuͤbt in Thaten und Worten! Dieſen bejammre ich jezo noch mehr, als meinen Oduͤßeus! Dieſem erzittert mein Herz, und fuͤrchtet, daß ihn ein Unfall Treffe, unter dem Volk, wo er hinfaͤhrt, oder im Meere! Denn es lauren auf ihn viel boͤſe Menſchen, und trachten Ihn zu ermorden, bevor er in ſeine Heimat zuruͤckkehrt! 810 815 820 Und die dunkle Geſtalt der Schweſter gab ihr zur Antwort:

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Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/99>, abgerufen am 22.11.2024.