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Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797.

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Sachen mit so weniger Theilnahme arbeiten
mochten, daß sie während des Mahlens im¬
merfort mit ihren Bekannten schwatzen konn¬
ten. Drum hielt er diese auch für bloße
Handarbeiter, die das innere Heiligthum der
Kunst nicht kennten. Er selber war, wenn
er mahlte, immer mit so lebendiger Seele
in seinem Gegenstande drinnen, daß er in
sich selbst die Empfindungen und Affekten
fühlte, die er vorstellen wollte, und sich un¬
willkührlich darnach gebehrdete. Manchmal,
wenn er eine trauernde Figur im Sinn hatte,
hörte man ihn in seinem Arbeitszimmer mit
unterdrückter, ächzender Stimme wehklagen;
oder wenn es ein freudiges Gesicht seyn
sollte, so war er munter, und sprach lebhaft
mit sich allein. Er mahlte darum in einem
abgelegenen Gemach, und ließ keinen, auch
von seinen Schülern nicht, hinzu, um nicht
in seinen Entzückungen gestört, und für när¬

Sachen mit ſo weniger Theilnahme arbeiten
mochten, daß ſie während des Mahlens im¬
merfort mit ihren Bekannten ſchwatzen konn¬
ten. Drum hielt er dieſe auch für bloße
Handarbeiter, die das innere Heiligthum der
Kunſt nicht kennten. Er ſelber war, wenn
er mahlte, immer mit ſo lebendiger Seele
in ſeinem Gegenſtande drinnen, daß er in
ſich ſelbſt die Empfindungen und Affekten
fühlte, die er vorſtellen wollte, und ſich un¬
willkührlich darnach gebehrdete. Manchmal,
wenn er eine trauernde Figur im Sinn hatte,
hörte man ihn in ſeinem Arbeitszimmer mit
unterdrückter, ächzender Stimme wehklagen;
oder wenn es ein freudiges Geſicht ſeyn
ſollte, ſo war er munter, und ſprach lebhaft
mit ſich allein. Er mahlte darum in einem
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[212/0220] Sachen mit ſo weniger Theilnahme arbeiten mochten, daß ſie während des Mahlens im¬ merfort mit ihren Bekannten ſchwatzen konn¬ ten. Drum hielt er dieſe auch für bloße Handarbeiter, die das innere Heiligthum der Kunſt nicht kennten. Er ſelber war, wenn er mahlte, immer mit ſo lebendiger Seele in ſeinem Gegenſtande drinnen, daß er in ſich ſelbſt die Empfindungen und Affekten fühlte, die er vorſtellen wollte, und ſich un¬ willkührlich darnach gebehrdete. Manchmal, wenn er eine trauernde Figur im Sinn hatte, hörte man ihn in ſeinem Arbeitszimmer mit unterdrückter, ächzender Stimme wehklagen; oder wenn es ein freudiges Geſicht ſeyn ſollte, ſo war er munter, und ſprach lebhaft mit ſich allein. Er mahlte darum in einem abgelegenen Gemach, und ließ keinen, auch von ſeinen Schülern nicht, hinzu, um nicht in ſeinen Entzückungen geſtört, und für när¬

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Zitationshilfe: Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/220>, abgerufen am 21.11.2024.