Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

lief er früh aus dem Hause fort, wie man
wohl an ihm gewohnt war, -- aber dies¬
mal kam er nicht wieder. Mit Entzücken
und mit pochendem Herzen eilte er durch
die engen Gassen der kleinen Stadt; -- ihm
war zu Muth, als wollte er über alles,
was er um sich sah, hinweg, in den offenen
Himmel hineinspringen. Eine alte Ver¬
wandte begegnete ihm an einer Ecke: --
"So eilig, Vetter?" fragte sie, -- "will er
wieder Grünes vom Markt einholen für
die Wirthschaft?" -- Ja ja! rief Joseph in
Gedanken, und lief vor Freude zitternd das
Thor hinaus.

Wie er aber eine kleine Strecke auf dem
Felde gegangen war, und sich umsah, bra¬
chen ihm die hellen Thränen hervor. Soll
ich noch umkehren? dachte er. Aber er lief
weiter, als wenn ihm die Fersen brennten,
und weinte immerfort, und es lief, als wollte

lief er früh aus dem Hauſe fort, wie man
wohl an ihm gewohnt war, — aber dies¬
mal kam er nicht wieder. Mit Entzücken
und mit pochendem Herzen eilte er durch
die engen Gaſſen der kleinen Stadt; — ihm
war zu Muth, als wollte er über alles,
was er um ſich ſah, hinweg, in den offenen
Himmel hineinſpringen. Eine alte Ver¬
wandte begegnete ihm an einer Ecke: —
»So eilig, Vetter?« fragte ſie, — »will er
wieder Grünes vom Markt einholen für
die Wirthſchaft?« — Ja ja! rief Joſeph in
Gedanken, und lief vor Freude zitternd das
Thor hinaus.

Wie er aber eine kleine Strecke auf dem
Felde gegangen war, und ſich umſah, bra¬
chen ihm die hellen Thränen hervor. Soll
ich noch umkehren? dachte er. Aber er lief
weiter, als wenn ihm die Ferſen brennten,
und weinte immerfort, und es lief, als wollte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0262" n="254"/>
lief er früh aus dem Hau&#x017F;e fort, wie man<lb/>
wohl an ihm gewohnt war, &#x2014; aber dies¬<lb/>
mal kam er nicht wieder. Mit Entzücken<lb/>
und mit pochendem Herzen eilte er durch<lb/>
die engen Ga&#x017F;&#x017F;en der kleinen Stadt; &#x2014; ihm<lb/>
war zu Muth, als wollte er über alles,<lb/>
was er um &#x017F;ich &#x017F;ah, hinweg, in den offenen<lb/>
Himmel hinein&#x017F;pringen. Eine alte Ver¬<lb/>
wandte begegnete ihm an einer Ecke: &#x2014;<lb/>
»So eilig, Vetter?« fragte &#x017F;ie, &#x2014; »will er<lb/>
wieder Grünes vom Markt einholen für<lb/>
die Wirth&#x017F;chaft?« &#x2014; Ja ja! rief Jo&#x017F;eph in<lb/>
Gedanken, und lief vor Freude zitternd das<lb/>
Thor hinaus.</p><lb/>
          <p>Wie er aber eine kleine Strecke auf dem<lb/>
Felde gegangen war, und &#x017F;ich um&#x017F;ah, bra¬<lb/>
chen ihm die hellen Thränen hervor. Soll<lb/>
ich noch umkehren? dachte er. Aber er lief<lb/>
weiter, als wenn ihm die Fer&#x017F;en brennten,<lb/>
und weinte immerfort, und es <choice><sic>ließ</sic><corr>lief</corr></choice>, als wollte<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[254/0262] lief er früh aus dem Hauſe fort, wie man wohl an ihm gewohnt war, — aber dies¬ mal kam er nicht wieder. Mit Entzücken und mit pochendem Herzen eilte er durch die engen Gaſſen der kleinen Stadt; — ihm war zu Muth, als wollte er über alles, was er um ſich ſah, hinweg, in den offenen Himmel hineinſpringen. Eine alte Ver¬ wandte begegnete ihm an einer Ecke: — »So eilig, Vetter?« fragte ſie, — »will er wieder Grünes vom Markt einholen für die Wirthſchaft?« — Ja ja! rief Joſeph in Gedanken, und lief vor Freude zitternd das Thor hinaus. Wie er aber eine kleine Strecke auf dem Felde gegangen war, und ſich umſah, bra¬ chen ihm die hellen Thränen hervor. Soll ich noch umkehren? dachte er. Aber er lief weiter, als wenn ihm die Ferſen brennten, und weinte immerfort, und es lief, als wollte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/262
Zitationshilfe: Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/262>, abgerufen am 12.05.2024.