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Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797.

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Erde, ihn so unglücklich machen, und endlich
sein doppeltes Wesen von Geist und Leib
ganz von einanderreißen sollte!

Wir begreifen die Wege des Himmels
nicht. -- Aber laßt uns wiederum die Man¬
nigfaltigkeit der erhabenen Geister bewun¬
dern, welche der Himmel zum Dienste der
Kunst auf die Welt gesetzt hat.

Ein Raphael brachte in aller Unschuld
und Unbefangenheit die allergeistreichsten
Werke hervor, worin wir den ganzen Him¬
mel sehn; -- ein Guido Reni, der ein so
wildes Spielerleben führte, schuf die sanf¬
testen und heiligsten Bilder; -- ein Albrecht
Dürer, ein schlichter nürnbergischer Bür¬
gersmann, verfertigte in eben der Zelle,
worin sein böses Weib täglich mit ihm zank¬
te, mit ämsigem mechanischem Fleiße, gar
seelenvolle Kunstwerke; -- und Joseph, in

S

Erde, ihn ſo unglücklich machen, und endlich
ſein doppeltes Weſen von Geiſt und Leib
ganz von einanderreißen ſollte!

Wir begreifen die Wege des Himmels
nicht. — Aber laßt uns wiederum die Man¬
nigfaltigkeit der erhabenen Geiſter bewun¬
dern, welche der Himmel zum Dienſte der
Kunſt auf die Welt geſetzt hat.

Ein Raphael brachte in aller Unſchuld
und Unbefangenheit die allergeiſtreichſten
Werke hervor, worin wir den ganzen Him¬
mel ſehn; — ein Guido Reni, der ein ſo
wildes Spielerleben führte, ſchuf die ſanf¬
teſten und heiligſten Bilder; — ein Albrecht
Dürer, ein ſchlichter nürnbergiſcher Bür¬
gersmann, verfertigte in eben der Zelle,
worin ſein böſes Weib täglich mit ihm zank¬
te, mit ämſigem mechaniſchem Fleiße, gar
ſeelenvolle Kunſtwerke; — und Joſeph, in

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[273/0281] Erde, ihn ſo unglücklich machen, und endlich ſein doppeltes Weſen von Geiſt und Leib ganz von einanderreißen ſollte! Wir begreifen die Wege des Himmels nicht. — Aber laßt uns wiederum die Man¬ nigfaltigkeit der erhabenen Geiſter bewun¬ dern, welche der Himmel zum Dienſte der Kunſt auf die Welt geſetzt hat. Ein Raphael brachte in aller Unſchuld und Unbefangenheit die allergeiſtreichſten Werke hervor, worin wir den ganzen Him¬ mel ſehn; — ein Guido Reni, der ein ſo wildes Spielerleben führte, ſchuf die ſanf¬ teſten und heiligſten Bilder; — ein Albrecht Dürer, ein ſchlichter nürnbergiſcher Bür¬ gersmann, verfertigte in eben der Zelle, worin ſein böſes Weib täglich mit ihm zank¬ te, mit ämſigem mechaniſchem Fleiße, gar ſeelenvolle Kunſtwerke; — und Joſeph, in S

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Zitationshilfe: Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/281>, abgerufen am 13.05.2024.