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Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797.

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mechanischen Kunststücken, und mit den ge¬
heimen Kräften der Naturkörper war er so
vertraut, daß er einst, bey einer feyerlichen
Gelegenheit, die Figur eines Löwen von
Holz machte, welcher sich selbst bewegte; und
ein andermal hatte er aus einem gewissen
dünnen Zeuge kleine Vögel gebildet, welche
von selbst frey in die Luft emporschwebten.
So hatte sein Geist einen angebohrnen Reiz,
immer etwas Neues zu ersinnen, der ihn in
beständiger Thätigkeit und Anstrengung er¬
hielt. Alle seine Talente aber wurden durch
edle und einnehmende Sitten, wie Edelge¬
steine durch eine goldene Einfassung erhöht.
Und damit der außerordentliche Mann auch
den gemeinsten und blödesten Augen hervor¬
stechend und ausgezeichnet erscheinen möchte,
so hatte die freygebige Natur ihn ausdrück¬
lich mit einer wunderbaren Leibesstärke, und
zu allem dem endlich mit einer sehr ehrwür¬

mechaniſchen Kunſtſtücken, und mit den ge¬
heimen Kräften der Naturkörper war er ſo
vertraut, daß er einſt, bey einer feyerlichen
Gelegenheit, die Figur eines Löwen von
Holz machte, welcher ſich ſelbſt bewegte; und
ein andermal hatte er aus einem gewiſſen
dünnen Zeuge kleine Vögel gebildet, welche
von ſelbſt frey in die Luft emporſchwebten.
So hatte ſein Geiſt einen angebohrnen Reiz,
immer etwas Neues zu erſinnen, der ihn in
beſtändiger Thätigkeit und Anſtrengung er¬
hielt. Alle ſeine Talente aber wurden durch
edle und einnehmende Sitten, wie Edelge¬
ſteine durch eine goldene Einfaſſung erhöht.
Und damit der außerordentliche Mann auch
den gemeinſten und blödeſten Augen hervor¬
ſtechend und ausgezeichnet erſcheinen möchte,
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lich mit einer wunderbaren Leibesſtärke, und
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[76/0084] mechaniſchen Kunſtſtücken, und mit den ge¬ heimen Kräften der Naturkörper war er ſo vertraut, daß er einſt, bey einer feyerlichen Gelegenheit, die Figur eines Löwen von Holz machte, welcher ſich ſelbſt bewegte; und ein andermal hatte er aus einem gewiſſen dünnen Zeuge kleine Vögel gebildet, welche von ſelbſt frey in die Luft emporſchwebten. So hatte ſein Geiſt einen angebohrnen Reiz, immer etwas Neues zu erſinnen, der ihn in beſtändiger Thätigkeit und Anſtrengung er¬ hielt. Alle ſeine Talente aber wurden durch edle und einnehmende Sitten, wie Edelge¬ ſteine durch eine goldene Einfaſſung erhöht. Und damit der außerordentliche Mann auch den gemeinſten und blödeſten Augen hervor¬ ſtechend und ausgezeichnet erſcheinen möchte, ſo hatte die freygebige Natur ihn ausdrück¬ lich mit einer wunderbaren Leibesſtärke, und zu allem dem endlich mit einer ſehr ehrwür¬

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Zitationshilfe: Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/84>, abgerufen am 11.05.2024.