pwa_283.001 factischen Anlass giebt, und der als Thema (Hauptsatz) die Grundlage pwa_283.002 der nachfolgenden disputatio bilden soll, sodann aber die einzelnen pwa_283.003 Theile bezeichnen, in welche sich derselbe zerlegen, die verschiedenen pwa_283.004 Standpuncte, von denen aus sich derselbe betrachten lasse und auch pwa_283.005 im weiteren Verlaufe solle betrachtet werden: in diesem Falle heisst pwa_283.006 das erste einheitlich darlegende Glied die propositio, das die Theile pwa_283.007 des Themas und der disputatio angebende die partitio.
pwa_283.008 Also, um das bisher Besprochene noch einmal kurz zusammenzufassen pwa_283.009 und weiter zu verfolgen, exordium est ut auditorem habeas pwa_283.010 benevolum, attentum et docilem; es besteht aus der captatio benevolentiae, pwa_283.011 der narratio facti, der expositio; die captatio spricht zum pwa_283.012 Gefühl, die narratio zur Einbildung, die expositio zum Verstande der pwa_283.013 Zuhörer. Wenn daher ältere Rhetoriker von der ganzen Rede sagen: pwa_283.014 conciliat, permovet, docet, so passt das ganz besonders auf die drei pwa_283.015 Glieder des Exordiums: captatio conciliat, narratio permovet, expositio pwa_283.016 docet. Aber was schon vorher als Hauptregel ist aufgestellt worden, pwa_283.017 diese Glieder dürfen nicht auseinander fallen, sie müssen organisch pwa_283.018 mit einander verwachsen sein. Daraus folgt dann, dass keins von pwa_283.019 ihnen ausschliesslich nur eine jener drei Wirkungen, der benevolentia, pwa_283.020 der attentio und der docilitas, hervorbringen, und dass das Gefühl pwa_283.021 und die Einbildung und der Verstand nicht ausschliesslich nur in je pwa_283.022 einem ihre Stelle finden dürfen; sondern das erste Glied darf sich pwa_283.023 nur vorzugsweise an die benevolentia des Gefühls, das zweite nur pwa_283.024 vorzugsweise an die attentio der Einbildung, das dritte nur vorzugsweise pwa_283.025 an die docilitas des Verstandes wenden; daneben dann immer pwa_283.026 noch die anderen Kräfte spielen zu lassen ist keinesweges verwehrt, pwa_283.027 ja vortheilhaft und in so fern erforderlich. Daher haben denn einige pwa_283.028 Regeln, die jetzt noch sollen gegeben werden, zwar ihren nächsten pwa_283.029 Bezug auf je eines der drei Glieder, aber auch ihre allgemeine Anwendbarkeit pwa_283.030 auf alle drei. Zuerst muss das Gefühl nicht zu leidenschaftlich pwa_283.031 angeregt werden. Denn man erwäge, dass ihm noch im dritten Haupttheile pwa_283.032 eine Anregung bevorsteht, und zwar hier zu dem Zwecke, dass pwa_283.033 der Wille zu einem nachhaltigen Entschlusse, so und so zu handeln, pwa_283.034 gelange; die Gefühlsanregungen des Exordiums bezwecken keine so pwa_283.035 bedeutende Wirkung, es ist dabei nur auf Wohlwollen für den Redner pwa_283.036 abgesehen: überspannt man das Gefühl also hier schon, so ist das pwa_283.037 Mittel stärker als die zunächst beabsichtigte Wirkung, und kommt es pwa_283.038 dann zum dritten Theile, so ist das Gefühl abgespannt, unempfänglich pwa_283.039 gegen jede nachdrückliche Einwirkung, unfähig zu jeder kräftigen pwa_283.040 Willensäusserung. Dasselbe gilt und aus demselben Grunde in Bezug pwa_283.041 auf die Einbildungskraft. Sie wird vorzugsweise bei der narratio facti
pwa_283.001 factischen Anlass giebt, und der als Thema (Hauptsatz) die Grundlage pwa_283.002 der nachfolgenden disputatio bilden soll, sodann aber die einzelnen pwa_283.003 Theile bezeichnen, in welche sich derselbe zerlegen, die verschiedenen pwa_283.004 Standpuncte, von denen aus sich derselbe betrachten lasse und auch pwa_283.005 im weiteren Verlaufe solle betrachtet werden: in diesem Falle heisst pwa_283.006 das erste einheitlich darlegende Glied die propositio, das die Theile pwa_283.007 des Themas und der disputatio angebende die partitio.
pwa_283.008 Also, um das bisher Besprochene noch einmal kurz zusammenzufassen pwa_283.009 und weiter zu verfolgen, exordium est ut auditorem habeas pwa_283.010 benevolum, attentum et docilem; es besteht aus der captatio benevolentiae, pwa_283.011 der narratio facti, der expositio; die captatio spricht zum pwa_283.012 Gefühl, die narratio zur Einbildung, die expositio zum Verstande der pwa_283.013 Zuhörer. Wenn daher ältere Rhetoriker von der ganzen Rede sagen: pwa_283.014 conciliat, permovet, docet, so passt das ganz besonders auf die drei pwa_283.015 Glieder des Exordiums: captatio conciliat, narratio permovet, expositio pwa_283.016 docet. Aber was schon vorher als Hauptregel ist aufgestellt worden, pwa_283.017 diese Glieder dürfen nicht auseinander fallen, sie müssen organisch pwa_283.018 mit einander verwachsen sein. Daraus folgt dann, dass keins von pwa_283.019 ihnen ausschliesslich nur eine jener drei Wirkungen, der benevolentia, pwa_283.020 der attentio und der docilitas, hervorbringen, und dass das Gefühl pwa_283.021 und die Einbildung und der Verstand nicht ausschliesslich nur in je pwa_283.022 einem ihre Stelle finden dürfen; sondern das erste Glied darf sich pwa_283.023 nur vorzugsweise an die benevolentia des Gefühls, das zweite nur pwa_283.024 vorzugsweise an die attentio der Einbildung, das dritte nur vorzugsweise pwa_283.025 an die docilitas des Verstandes wenden; daneben dann immer pwa_283.026 noch die anderen Kräfte spielen zu lassen ist keinesweges verwehrt, pwa_283.027 ja vortheilhaft und in so fern erforderlich. Daher haben denn einige pwa_283.028 Regeln, die jetzt noch sollen gegeben werden, zwar ihren nächsten pwa_283.029 Bezug auf je eines der drei Glieder, aber auch ihre allgemeine Anwendbarkeit pwa_283.030 auf alle drei. Zuerst muss das Gefühl nicht zu leidenschaftlich pwa_283.031 angeregt werden. Denn man erwäge, dass ihm noch im dritten Haupttheile pwa_283.032 eine Anregung bevorsteht, und zwar hier zu dem Zwecke, dass pwa_283.033 der Wille zu einem nachhaltigen Entschlusse, so und so zu handeln, pwa_283.034 gelange; die Gefühlsanregungen des Exordiums bezwecken keine so pwa_283.035 bedeutende Wirkung, es ist dabei nur auf Wohlwollen für den Redner pwa_283.036 abgesehen: überspannt man das Gefühl also hier schon, so ist das pwa_283.037 Mittel stärker als die zunächst beabsichtigte Wirkung, und kommt es pwa_283.038 dann zum dritten Theile, so ist das Gefühl abgespannt, unempfänglich pwa_283.039 gegen jede nachdrückliche Einwirkung, unfähig zu jeder kräftigen pwa_283.040 Willensäusserung. Dasselbe gilt und aus demselben Grunde in Bezug pwa_283.041 auf die Einbildungskraft. Sie wird vorzugsweise bei der narratio facti
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factischen Anlass giebt, und der als Thema (Hauptsatz) die Grundlage pwa_283.002
der nachfolgenden disputatio bilden soll, sodann aber die einzelnen pwa_283.003
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Also, um das bisher Besprochene noch einmal kurz zusammenzufassen pwa_283.009
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auf alle drei. Zuerst muss das Gefühl nicht zu leidenschaftlich pwa_283.031
angeregt werden. Denn man erwäge, dass ihm noch im dritten Haupttheile pwa_283.032
eine Anregung bevorsteht, und zwar hier zu dem Zwecke, dass pwa_283.033
der Wille zu einem nachhaltigen Entschlusse, so und so zu handeln, pwa_283.034
gelange; die Gefühlsanregungen des Exordiums bezwecken keine so pwa_283.035
bedeutende Wirkung, es ist dabei nur auf Wohlwollen für den Redner pwa_283.036
abgesehen: überspannt man das Gefühl also hier schon, so ist das pwa_283.037
Mittel stärker als die zunächst beabsichtigte Wirkung, und kommt es pwa_283.038
dann zum dritten Theile, so ist das Gefühl abgespannt, unempfänglich pwa_283.039
gegen jede nachdrückliche Einwirkung, unfähig zu jeder kräftigen pwa_283.040
Willensäusserung. Dasselbe gilt und aus demselben Grunde in Bezug pwa_283.041
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Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackernagel_poetik_1873/301>, abgerufen am 22.11.2024.
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