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Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873

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Erklärung gewidmet ist, hat ja der Prediger auch wieder nur aus der pwa_299.002
heiligen Schrift geschöpft. Somit ist hier nicht nur der Nutzen, sondern pwa_299.003
gewöhnlich selbst die Möglichkeit jener zweitheiligen Ausführung pwa_299.004
fortgenommen; dafür gilt aber nach alter Uebung eine andere Theilung, pwa_299.005
die wiederum der weltlichen Redekunst meist fremd ist. Nämlich die pwa_299.006
Theilung nach Massgabe der Partition am Schluss des Einganges, die pwa_299.007
Einrichtung, nach welcher der zweite Haupttheil in ebenso viel untergeordnete pwa_299.008
und gesonderte Stücke zerfällt, als es verschiedene Standpuncte pwa_299.009
giebt, von denen aus das Thema kann betrachtet werden, oder pwa_299.010
verschiedene Gedanken, in die sich der angegebene Hauptgedanke pwa_299.011
zerlegen lässt. Geht die Erklärung leicht und unter den gehörigen Vermittelungen pwa_299.012
von einem Standpuncte zum andern, von einem Gedanken pwa_299.013
zum andern über, so ist daran nichts auszusetzen, der künstlerischen pwa_299.014
Darstellung ist ihre Genüge geschehen, und es bleibt möglich, die Einheit pwa_299.015
des Themas, des Hauptgedankens immer noch vollständig zu pwa_299.016
behaupten. Aber nur zu häufig lassen geistliche Redner diese einzelnen pwa_299.017
Glieder oder vielmehr nun Stücke ganz aus einander brechen, pwa_299.018
heben bei jedem wie von vorn an, zählen sogar, damit die Theilung pwa_299.019
recht in die Ohren falle, ein Erstens, Zweitens, Drittens: damit ist pwa_299.020
dann freilich gewonnen, dass der Zuhörer nach jener Vergleichung pwa_299.021
Quintilians bei jedem neuen Meilenstein berechnen kann, wie das pwa_299.022
Ende immer näher heranrücke, aber auch weiter nichts als diess; pwa_299.023
verloren ist dagegen alle Kunst der Darstellung, alle zusammenhaltende pwa_299.024
Einheit: denn der Redner hat ja selbst den lebendigen Zusammenhang pwa_299.025
aufgehoben, durch den allein die untergeordneten Gedanken als organische pwa_299.026
Glieder des Einen Hauptgedankens erscheinen können. Welchen pwa_299.027
Zweck aber und welch einen rechten Erfolg kann noch eine Predigt pwa_299.028
haben, wenn es nicht eine ganze und einheitliche Wahrheit ist, von pwa_299.029
der sie überzeugt?

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Der dritte Theil, die conclusio. Den dritten und letzten Haupttheil pwa_299.031
der Rede bildet die conclusio, der Beschluss. Die conclusio der pwa_299.032
Rede liegt dem Exordium derselben ebenso parallel gegenüber, wie pwa_299.033
die conclusio der Abhandlung dem Exordium dieser. In der Abhandlung pwa_299.034
führt der Beschluss nach Vollendung des Kreislaufes auf den pwa_299.035
gleichen Punct zurück, von dem der Verfasser im Exordium ausgegangen pwa_299.036
war; was in dem Exordium der Abhandlung einheitlich war pwa_299.037
vorgelegt worden, um sodann in analytischer Vereinzelung besprochen, pwa_299.038
eben abgehandelt zu werden, das fasst die conclusio wiederum synthetisch, pwa_299.039
einheitlich zusammen. Das gleiche Verhältniss finden wir pwa_299.040
auch bei der Rede. Auch hier zum Beschluss eine Rückkehr zum pwa_299.041
Thema, auch hier eine synthetische Einigung. Aber in der Abhandlung

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Erklärung gewidmet ist, hat ja der Prediger auch wieder nur aus der pwa_299.002
heiligen Schrift geschöpft. Somit ist hier nicht nur der Nutzen, sondern pwa_299.003
gewöhnlich selbst die Möglichkeit jener zweitheiligen Ausführung pwa_299.004
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die wiederum der weltlichen Redekunst meist fremd ist. Nämlich die pwa_299.006
Theilung nach Massgabe der Partition am Schluss des Einganges, die pwa_299.007
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verschiedene Gedanken, in die sich der angegebene Hauptgedanke pwa_299.011
zerlegen lässt. Geht die Erklärung leicht und unter den gehörigen Vermittelungen pwa_299.012
von einem Standpuncte zum andern, von einem Gedanken pwa_299.013
zum andern über, so ist daran nichts auszusetzen, der künstlerischen pwa_299.014
Darstellung ist ihre Genüge geschehen, und es bleibt möglich, die Einheit pwa_299.015
des Themas, des Hauptgedankens immer noch vollständig zu pwa_299.016
behaupten. Aber nur zu häufig lassen geistliche Redner diese einzelnen pwa_299.017
Glieder oder vielmehr nun Stücke ganz aus einander brechen, pwa_299.018
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recht in die Ohren falle, ein Erstens, Zweitens, Drittens: damit ist pwa_299.020
dann freilich gewonnen, dass der Zuhörer nach jener Vergleichung pwa_299.021
Quintilians bei jedem neuen Meilenstein berechnen kann, wie das pwa_299.022
Ende immer näher heranrücke, aber auch weiter nichts als diess; pwa_299.023
verloren ist dagegen alle Kunst der Darstellung, alle zusammenhaltende pwa_299.024
Einheit: denn der Redner hat ja selbst den lebendigen Zusammenhang pwa_299.025
aufgehoben, durch den allein die untergeordneten Gedanken als organische pwa_299.026
Glieder des Einen Hauptgedankens erscheinen können. Welchen pwa_299.027
Zweck aber und welch einen rechten Erfolg kann noch eine Predigt pwa_299.028
haben, wenn es nicht eine ganze und einheitliche Wahrheit ist, von pwa_299.029
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Der dritte Theil, die conclusio. Den dritten und letzten Haupttheil pwa_299.031
der Rede bildet die conclusio, der Beschluss. Die conclusio der pwa_299.032
Rede liegt dem Exordium derselben ebenso parallel gegenüber, wie pwa_299.033
die conclusio der Abhandlung dem Exordium dieser. In der Abhandlung pwa_299.034
führt der Beschluss nach Vollendung des Kreislaufes auf den pwa_299.035
gleichen Punct zurück, von dem der Verfasser im Exordium ausgegangen pwa_299.036
war; was in dem Exordium der Abhandlung einheitlich war pwa_299.037
vorgelegt worden, um sodann in analytischer Vereinzelung besprochen, pwa_299.038
eben abgehandelt zu werden, das fasst die conclusio wiederum synthetisch, pwa_299.039
einheitlich zusammen. Das gleiche Verhältniss finden wir pwa_299.040
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Zitationshilfe: Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackernagel_poetik_1873/317>, abgerufen am 24.11.2024.