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Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873

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practischen Zweck zu gewinnen suchen: denn sie kennen pwa_303.002
noch nicht weder den factischen Anlass, noch die theoretische Belehrung, pwa_303.003
aus denen beiden erst jener Zweck sich als nothwendig gefordertes pwa_303.004
Resultat ergeben soll. Er muss sich da also vor der Hand pwa_303.005
noch darauf einschränken, sie nur sich, nur noch seiner Persönlichkeit pwa_303.006
geneigt zu stimmen: mittelbarer Weise führt das dann auch zu pwa_303.007
Wohlwollen für seinen Zweck. Bei dieser Bedeutung der captatio pwa_303.008
benevolentiae kann auch dort die Einwirkung auf das Gefühl der pwa_303.009
Zuhörer immer nur eine mässige sein. Anders ist es nun in dem ihr pwa_303.010
entsprechenden Beschluss. Hier ist nun schon Alles vorausgegangen, pwa_303.011
was die Rede thun und geben kann: die Zuhörer kennen den factischen pwa_303.012
Anlass, sie sind ausführlich über die daran angeknüpften Theoreme pwa_303.013
belehrt, soeben ist ihnen auch in dem zunächst vorangegangenen pwa_303.014
Gliede, in dem pathetischen Theile, der practische Zweck dargestellt pwa_303.015
und vermittelst der Einbildung ihr Gefühl, ihr Gemüth in Pathos versetzt pwa_303.016
worden, in Affect, in Leidenschaft: nun bleibt dem Redner nur pwa_303.017
noch diess Eine übrig, dass er sich unmittelbar an das so erregte pwa_303.018
Gefühl des Zuhörers wende und ihm in der Sprache des Gefühls die pwa_303.019
geforderte Willensäusserung dringlich und angelegen mache. Ist auch pwa_303.020
diess noch geschehen, so ist der Beschluss des Beschlusses und mit pwa_303.021
ihm die ganze Rede vollendet.

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In dieser Weise, bei der Unterscheidung von Recapitulation, pathetischem pwa_303.023
Theil und Beschluss, ist denn auch der dritte Haupttheil der pwa_303.024
Rede dreigliedrig, ganz entsprechend der gewöhnlichen Einrichtung pwa_303.025
des ersten. Und in der That giebt es, namentlich in der weltlichen pwa_303.026
Redekunst, Beispiele genug, die zu dieser Beschreibung stimmen, aus pwa_303.027
denen dieselbe eben auch entnommen ist. Natürlich jedoch fallen diese pwa_303.028
drei Glieder in einer guten Rede nicht auseinander, sondern eins ist pwa_303.029
mit dem andern auf das Engste und Innigste verwachsen, was freilich pwa_303.030
überall in der Rede gefordert wird, aber nirgend so deutlich im Wesen pwa_303.031
der Sache selbst begründet ist als hier. Im Exordium sondern sich pwa_303.032
die drei Unterabtheilungen weit mehr: das ist da auch ganz am Platze: pwa_303.033
da wendet sich die rednerische Thätigkeit noch ohne eine fester begründete pwa_303.034
Einigung hinter einander nach ganz verschiedenen Richtungen, auf pwa_303.035
den practischen Zweck in der captatio, auf den factischen Anlass in pwa_303.036
der narratio facti, auf den theoretischen Zweck in der expositio. In pwa_303.037
der conclusio dagegen treffen all diese dort noch getrennten Linien pwa_303.038
als in ihrem gemeinsamen Endpuncte zusammen: Alles zielt hier auf pwa_303.039
den einen practischen Zweck ab und dient der Aufforderung und pwa_303.040
Bestimmung des Willens. Den Kern der conclusio bildet demgemäss pwa_303.041
der pathetische Theil, der hier dem Verstande das Wort abnimmt und

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practischen Zweck zu gewinnen suchen: denn sie kennen pwa_303.002
noch nicht weder den factischen Anlass, noch die theoretische Belehrung, pwa_303.003
aus denen beiden erst jener Zweck sich als nothwendig gefordertes pwa_303.004
Resultat ergeben soll. Er muss sich da also vor der Hand pwa_303.005
noch darauf einschränken, sie nur sich, nur noch seiner Persönlichkeit pwa_303.006
geneigt zu stimmen: mittelbarer Weise führt das dann auch zu pwa_303.007
Wohlwollen für seinen Zweck. Bei dieser Bedeutung der captatio pwa_303.008
benevolentiae kann auch dort die Einwirkung auf das Gefühl der pwa_303.009
Zuhörer immer nur eine mässige sein. Anders ist es nun in dem ihr pwa_303.010
entsprechenden Beschluss. Hier ist nun schon Alles vorausgegangen, pwa_303.011
was die Rede thun und geben kann: die Zuhörer kennen den factischen pwa_303.012
Anlass, sie sind ausführlich über die daran angeknüpften Theoreme pwa_303.013
belehrt, soeben ist ihnen auch in dem zunächst vorangegangenen pwa_303.014
Gliede, in dem pathetischen Theile, der practische Zweck dargestellt pwa_303.015
und vermittelst der Einbildung ihr Gefühl, ihr Gemüth in Pathos versetzt pwa_303.016
worden, in Affect, in Leidenschaft: nun bleibt dem Redner nur pwa_303.017
noch diess Eine übrig, dass er sich unmittelbar an das so erregte pwa_303.018
Gefühl des Zuhörers wende und ihm in der Sprache des Gefühls die pwa_303.019
geforderte Willensäusserung dringlich und angelegen mache. Ist auch pwa_303.020
diess noch geschehen, so ist der Beschluss des Beschlusses und mit pwa_303.021
ihm die ganze Rede vollendet.

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In dieser Weise, bei der Unterscheidung von Recapitulation, pathetischem pwa_303.023
Theil und Beschluss, ist denn auch der dritte Haupttheil der pwa_303.024
Rede dreigliedrig, ganz entsprechend der gewöhnlichen Einrichtung pwa_303.025
des ersten. Und in der That giebt es, namentlich in der weltlichen pwa_303.026
Redekunst, Beispiele genug, die zu dieser Beschreibung stimmen, aus pwa_303.027
denen dieselbe eben auch entnommen ist. Natürlich jedoch fallen diese pwa_303.028
drei Glieder in einer guten Rede nicht auseinander, sondern eins ist pwa_303.029
mit dem andern auf das Engste und Innigste verwachsen, was freilich pwa_303.030
überall in der Rede gefordert wird, aber nirgend so deutlich im Wesen pwa_303.031
der Sache selbst begründet ist als hier. Im Exordium sondern sich pwa_303.032
die drei Unterabtheilungen weit mehr: das ist da auch ganz am Platze: pwa_303.033
da wendet sich die rednerische Thätigkeit noch ohne eine fester begründete pwa_303.034
Einigung hinter einander nach ganz verschiedenen Richtungen, auf pwa_303.035
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der conclusio dagegen treffen all diese dort noch getrennten Linien pwa_303.038
als in ihrem gemeinsamen Endpuncte zusammen: Alles zielt hier auf pwa_303.039
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Zitationshilfe: Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackernagel_poetik_1873/321>, abgerufen am 24.11.2024.