pwa_305.001 zum vollen Pathos, da muss vom Gipfel der Ueberzeugung zum Gipfel pwa_305.002 der Ueberredung hinübergeschritten werden.
pwa_305.003 Das dritte Glied der conclusio, der letzte volle Beschluss, erweitert pwa_305.004 oder wendet sich gern in derselben Weise wie das ihm entsprechende pwa_305.005 erste Glied des Exordiums, die captatio benevolentiae. Wir pwa_305.006 haben früherhin (S. 291) gesehen, dass dem weltlichen Redner des Alterthums pwa_305.007 die Sitte nicht fremd war, die Rede mit einem Weihegebete zu pwa_305.008 eröffnen, eine Sitte, die natürlich in der kirchlichen Redekunst noch pwa_305.009 festere Wurzel gefasst hat. Diesem Eröffnungsgebete entspricht nun, pwa_305.010 obschon minder häufig gebraucht, das Schlussgebet. Demosthenes, wie pwa_305.011 er seine Rede pro corona mit einem Gebete beginnt, macht auch den pwa_305.012 Schluss derselben mit einem Gebete; Cicero endigt seine erste Catilinarische pwa_305.013 Rede wenigstens so. Und so kann es auch dem geistlichen pwa_305.014 Redner in vielen Fällen gut und schicklich erscheinen, sich zum Schlusse pwa_305.015 der ganzen Predigt ebenso an Gott zu wenden, betend, dass er dem pwa_305.016 vollbrachten Werke seinen Segen verleihe, wie vorher ist gebetet worden, pwa_305.017 dass er das Beginnende segne. Und grade wie der Prediger im pwa_305.018 Anfangsgebete, als in einer höheren captatio benevolentiae, sich selbst pwa_305.019 dem Herrn empfohlen hat, so kann er nun zum Schlusse, wo es gilt, pwa_305.020 auf den Willen der Zuhörer einzuwirken, Gott gleichsam zur Hilfe pwa_305.021 rufen und seinen Händen das Herz dieser anempfehlen, damit er den pwa_305.022 Willen stärke und leite. Aber, wie gesagt, diese Erweiterung und pwa_305.023 Umgestaltung des Beschlusses ist keinesweges gesetzlicher Gebrauch, pwa_305.024 und es mag auch sein, dass sie nicht überall gleich gut an ihrem pwa_305.025 Orte wäre. In solchen Dingen muss der Geistliche die Umstände pwa_305.026 beachten und der jedesmaligen Eingebung folgen. Augustinus freilich pwa_305.027 sagt, auch am Schlusse solle der tractator beten wie zu Anfange.
pwa_305.028 Es erscheint zweckdienlich, alles über die Rede Bemerkte in eine pwa_305.029 schematische Tabelle zusammenzufassen und so den symmetrischen Bau pwa_305.030 einer wohlgebauten Rede zu veranschaulichen.
pwa_305.001 zum vollen Pathos, da muss vom Gipfel der Ueberzeugung zum Gipfel pwa_305.002 der Ueberredung hinübergeschritten werden.
pwa_305.003 Das dritte Glied der conclusio, der letzte volle Beschluss, erweitert pwa_305.004 oder wendet sich gern in derselben Weise wie das ihm entsprechende pwa_305.005 erste Glied des Exordiums, die captatio benevolentiae. Wir pwa_305.006 haben früherhin (S. 291) gesehen, dass dem weltlichen Redner des Alterthums pwa_305.007 die Sitte nicht fremd war, die Rede mit einem Weihegebete zu pwa_305.008 eröffnen, eine Sitte, die natürlich in der kirchlichen Redekunst noch pwa_305.009 festere Wurzel gefasst hat. Diesem Eröffnungsgebete entspricht nun, pwa_305.010 obschon minder häufig gebraucht, das Schlussgebet. Demosthenes, wie pwa_305.011 er seine Rede pro corona mit einem Gebete beginnt, macht auch den pwa_305.012 Schluss derselben mit einem Gebete; Cicero endigt seine erste Catilinarische pwa_305.013 Rede wenigstens so. Und so kann es auch dem geistlichen pwa_305.014 Redner in vielen Fällen gut und schicklich erscheinen, sich zum Schlusse pwa_305.015 der ganzen Predigt ebenso an Gott zu wenden, betend, dass er dem pwa_305.016 vollbrachten Werke seinen Segen verleihe, wie vorher ist gebetet worden, pwa_305.017 dass er das Beginnende segne. Und grade wie der Prediger im pwa_305.018 Anfangsgebete, als in einer höheren captatio benevolentiae, sich selbst pwa_305.019 dem Herrn empfohlen hat, so kann er nun zum Schlusse, wo es gilt, pwa_305.020 auf den Willen der Zuhörer einzuwirken, Gott gleichsam zur Hilfe pwa_305.021 rufen und seinen Händen das Herz dieser anempfehlen, damit er den pwa_305.022 Willen stärke und leite. Aber, wie gesagt, diese Erweiterung und pwa_305.023 Umgestaltung des Beschlusses ist keinesweges gesetzlicher Gebrauch, pwa_305.024 und es mag auch sein, dass sie nicht überall gleich gut an ihrem pwa_305.025 Orte wäre. In solchen Dingen muss der Geistliche die Umstände pwa_305.026 beachten und der jedesmaligen Eingebung folgen. Augustinus freilich pwa_305.027 sagt, auch am Schlusse solle der tractator beten wie zu Anfange.
pwa_305.028 Es erscheint zweckdienlich, alles über die Rede Bemerkte in eine pwa_305.029 schematische Tabelle zusammenzufassen und so den symmetrischen Bau pwa_305.030 einer wohlgebauten Rede zu veranschaulichen.
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die Sitte nicht fremd war, die Rede mit einem Weihegebete zu pwa_305.008
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er seine Rede pro corona mit einem Gebete beginnt, macht auch den pwa_305.012
Schluss derselben mit einem Gebete; Cicero endigt seine erste Catilinarische pwa_305.013
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Redner in vielen Fällen gut und schicklich erscheinen, sich zum Schlusse pwa_305.015
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Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackernagel_poetik_1873/323>, abgerufen am 24.11.2024.
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